Würden der amerikanisch-italienische Fiat-Chrysler-Konzern und der französische Hersteller Renault fusionieren, wie es nun möglich scheint, entstünde ein Autobauer mit über 10 Millionen produzierten Fahrzeugen jährlich. Das Bemühen um einen Zusammenschluss ist aber nur ein Vorzeichen schwerer Umwälzungen und Herausforderungen. Manche würden auch sagen: einer Krise. 

Die unsichere Zukunft der Autoindustrie beschäftigt auf jeden Fall die Aktienmärkte. Die drei grossen deutschen Fahrzeugbauer VW, Daimler und BMW haben auf zwölf Monate zurückblickend an der Börse zwischen 17 und 28 Prozent verloren. Bei den wichtigsten kotierten Schweizer Autozulieferern konnte sich nur der Kunststoffspezalist Ems-Chemie dem Kursrückgang einigermassen entziehen: Die Aktie ist aktuell rund 4 Prozent weniger wert als im Mai 2018.

Beim Dämmmaterialienhersteller Autoneum und beim Feinschneideunternehmen Feintool beträgt das Minus über 40 Prozent. Der Lieferant für Druckgusskompontenten Georg Fischer und der Kabelmaschinenbauer Komax haben 33 respektive 27 Prozent verloren. 

Aber was sind die genauen Herausforderungen für die Autobranche? Und wie verhalten sich die hiesigen Zulieferer dazu? Folgende fünf Herausforderungen haben die Branche schon voll erfasst - oder sie werden bald eine zentrale Rolle spielen: 

CO2-Ausstoss

Das Bekanntwerden von Abgasmessmanipulationen bei VW, das sich diesen Herbst zum vierten Mal jährt, hat die Branche schwer getroffen. Auch andere Hersteller wie Daimler wurden zeitweise hineingezogen. Der Dieselskandal führte zu Bussen und hohen Kosten in der Nachrüstung der Autos. Das Ansehen und die starke Stellung der deutschen Autobauer relativierte sich. 

Aber dann: VW hat 2018 mit 10,8 Millionen Fahrzeugen mehr als vor dem Dieselskandal verkauft. Trotz der vielen Schlagzeilen dieser Krise werden die meisten Hersteller aber nach wie vor Verbrennungsmotoren herstellen. Dem Problem des CO2-Ausstosses begegnen sie mit dem Versuch, Fahrzeuge weiterhin leichter zu machen. Gut ist das für die Partner: Die Zulieferer Ems, Georg Fischer und Autoneum, aber auch Komax, Hersteller von Maschinen für die Kabelverarbeitung, sind Spezialisten im Leichtbau.

E-Mobilität

Das Problem beim Elektroauto ist: Tesla hat das E-Auto revolutioniert, taumelt als weiterhin unprofitables Unternehmen aber dauernd am Rande der Pleite. Die traditionellen Hersteller sind spät oder zu spät auf den Zug aufgesprungen, haben aber die Ressourcen, die Entwicklung gewinnbringend voranzutreiben.

Laut dem Beratungsunternehmen KPMG werden indessen verschiedene Antriebstypen nebeneinander weiterexistieren: Einer gross angelegten Umfrage bei Automanagern und Autofahrern zufolge werden im Jahr 2040 Elektroautos einen Marktanteil von 30 Prozent haben. Autos mit Hybridtechnologie kommen der Prognose zufolge auf 25 Prozent.

Fahrzeuge mit Brennstoffzellen sowie Autos mit dem traditionellen Verbrennungsmotor werden den Einschätzungen zufolge auf je 22,5 Prozent kommen. Aktuell hat der Verbrennungsmotor noch rund 90 Prozent Marktanteil. Allerdings gibt es auch Stimmen, die sagen, irgendwann um 2030 würden keine Verbrennungsmotoren mehr gebaut.

Mit dem Trend zur E-Mobilität können sich die grossen Schweizer Zulieferer allerdings jetzt schon arrangieren und ihre spezifischen Vorteile ausspielen, mit der möglichen Ausnahme von Feintool. Dort ist man stark vom Antriebsstrang von Verbrennungsautos abhängig. Hybridautos haben den Vorteil, dass in ihnen eher mehr Teile verbaut sind als in Autos mit einem einzelnen Antriebssystem. Wächst die Bedeutung von Hybridautos, wäre dies ebenfalls ein Plus für Zulieferer.  

Aussereuropäische Hersteller

Europas und vor allem Deutschlands Autohersteller hatten jahrzehntelang eine technologische Vormachtstellung inne. Puncto Innovation und Qualität war über viele Jahre nur Japan ein Konkurrent auf Augenhöhe. 

Diese "Eurozentrizität" der Automobilfertigung wird jedoch langsam Geschichte. Laut KPMG geht der Anteil der westeuropäischen Autoproduktion am Weltmarkt in den nächsten zehn Jahren von 15 auf 5 Prozent zurück. Hauptkonkurrent ist wird verstärkt China sein, wo man sich als Marktführer in verschiedenen Bereichen positioniert. Vor allem stellt China schon im grossen Stil E-Autos her.

Bei den Schweizer Autozulieferern spielen die europäischen und nordamerikanischen Hersteller immer noch eine führende Rolle. Die grossen Fabriken in China haben Zulieferer zum Teil, um europäische Kunden dort zu begleiten. China-Kunden zu gewinnen, bleibt eine Herausforderung. Autoneum beispielsweise verfolgt dieses Ziel und hatte nach eigenen Angaben im März sieben China-Hersteller als Kunden.

Konnektivität und künstliche Intelligenz

Der Grundzweck für ein Auto, also eine Fahrt von A nach B, wird sich nicht ändern. Aber das Fahrerlebnis wird von der Digitalisierung geprägt sein. Sensoren werden nicht nur die Sicherheit eines Autos steuern, wie sie dies schon lange tun – sie werden das Fahrverhalten als solches bestimmen. Autos werden noch mehr mit anderen Systemen kommunizieren und noch mehr Daten nutzen als heute. Bei selbstfahrenden Autos ist die Machbarkeit schon bewiesen - die Frage, ob autonomes Fahren tatsächlich kommt, stellt sich eher bei der Zulassung.

Artificial Intelligence, Augmented Reality oder auch 3D-Drucker halten Einzug in den Autoalltag und werden die Art und Weise, wie Autos gebaut werden, verändern. Hersteller müssen den Spagat schaffen zwischen den Bau von physischen Plattformen und der digitalisierten Mobilität. Die grossen kotieren Schweizer Zulieferer steuern vor allem Teile für das physische Fahrzeug bei. Für den Bereich Sensorik und Konnektivität bieten sich theoretisch für viele technologisch aktive Unternehmen Chancen. Etablierte Technologieunternehmen treffen dort auf die schnell wachsende Branche der Start-ups.

Shared Mobility

Ein eigenes Auto ist längst kein Must mehr. Shared Mobility oder "Mobility as a service" gewinnen weiter Bedeutung. Dadurch könnte, wie das Beratungsunternehmen McKinsey schreibt, das Wachstum des Autobaus unter Druck kommen. Statt ein Plus von 3,6 Prozent in der weltweiten Produktion könnten es 2030 noch 2 Prozent sein. Zudem müssen traditionelle Autohersteller noch viel mehr mit Mobilitätsanbietern wie beispielsweise Uber sowie Techgiganten wie Apple oder Google zusammenarbeiten, weil diese die Bedürfnisse an die Mobilität bestimmen werden.

Die Autobranche und ihre Zulieferer werden auch weiter Fahrzeuge produzieren, wenn nicht mehr alle ein eigenes Auto besitzen wollen. Die Nachfrage dürfte aber noch aus den Schwellenländern kommen, wo die Bevölkerung und der Wohlstand im Gegensatz zum Westen weiter wächst.