Der Krieg in der Ukraine bringt, wir wissen es, die Märkte gehörig durcheinander. Der Ausverkauf an den Börsen bewirkt auch eine teils völlige Neubewertung von Aktien. Die sich, je nach Entwicklung der Märkte in den nächsten Wochen, nochmals ändern könnten.

Die populärste Kennzahl zur Aktienbewertung, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), war in den letzten Jahren mit Ausnahme des Corona-Tauchers 2020 stetig angestiegen. Beim KGV wird der aktuelle Aktienkurs durch den tatsächlichen oder geschätzten Gewinn pro Aktie geteilt. Je tiefer das KGV, desto eher wird die Aktie als unterbewertet betrachtet.

Ein Blick auf die Entwicklung des KGV des Swiss Performance Index zeigt die Bewertungsschwankungen bei den Aktien (siehe Chart unten). Seit Mitte 2020 nehmen Bewertungen eher wieder ab. Laut Bloomberg-Daten lag das SPI-KGV Ende 2020 bei rund 21, Ende 2021 wurde eine Zahl von 16 gemessen, derzeit steht noch ein Stand von 13,5 zu Buche. Damit liegt die Bewertung des SPI unter dem langjährigen Durchschnitt von 16. Ende 2022 wird wieder mit einem KGV von fast 18 gerechnet. Ob das eintrifft, bleibt abzuwarten.

Entwicklung des KGV des Swiss Performance Index seit 2012 (Quelle: Bloomberg).

Dass Bankaktien im Ukraine-Krieg von den Investoren am meisten losgeschlagen und die Gewinnerwartungen gleichzeitig gekürzt werden, schlägt sich schonungslos in den KGV nieder. Die Credit Suisse ist mit einem geschätzten KGV für 2022 von 6 derzeit die drittgünstigste Aktie am Schweizer Markt. Die UBS oder die VP Bank mit einer Bewertung von 8 und 7 sind ebenfalls mit Aktionspreisen versehen. Was zeigt: Ein tiefes KGV indiziert auch die Gefahren einer Aktie. Denn Bankentitel sind derzeit wegen der unabsehbaren Gegenparteirisiken in der Sanktionswelle gegen Russland  nicht zu empfehlen. 

Teuer bleibt der Immobiliensektor - vor allem bei Firmen, deren Geschäftsmodelle auf den binnenländischen Wohnbereich ausgerichtet sind. So beträgt das KGV der Immobilienfirma Plazza letztes wie auch dieses Jahr hohe 40. Bei anderen Schweizer Aktien kam es in letzter Zeit teils zu deutlichen KGV-Rücksetzern, obwohl die Aussichten der entsprechenden Firmen mehr oder weniger intakt sind. Hier eine Auswahl (Angaben des KGV beziehen sich auf den geschätzten Gewinn 2022).

Bell

Der Basler Fleischverarbeiter und Convenience-Food-Anbieter neigte punkto KGV noch nie zu Übertreibungen. Es steht nach wie vor ein KGV von 12 zu Buche. Die Bell-Aktien haben in diesem Jahr 10 Prozent nachgegeben. Die Coop-Tochtergesellschaft schrieb 2021 Rekordergebnisse und sieht Convenience in den kommenden Jahren als wichtigen Wachstumstreiber. Steigende Roffstoffkosten sollen mit Preiserhöhungsrunden kompensiert werden. Ein steigender Einkaufstourismus angesichts des schwachen Euro könnte allenfalls belastend wirken.

Holcim

Die Aktie des Zementriesen steht schon lange im Ruf, unterbewertet zu sein. Derzeit steht ein KGV von 11 zu Buche. Der Kurs handelt wieder auf dem Stand von November 2020. Holcim hat laut CEO Jan Jenisch keine Geschäftsaktivitäten in der Ukraine, und Russland macht keine 1 Prozent des Konzernumsatzes aus. Es sei noch zu früh zu sagen, ob der Konflikt Auswirkungen auf das Holcim-Geschäft in Osteuropa haben werde und wie die Auswirkungen der Energiepreise aufs Geschäft seien, so Jenisch Ende Februar. Holcim rechnet im laufenden Jahr jedenfalls weiterhin mit einem starken Wachstum.

Logitech

Die Aktie von Logitech, einer der Coronapandemie-Gewinnertitel, ist heute beinahe nur noch halb so viel wert wie beim Rekordstand von 125 Franken letzten Juni. Das KGV ist von 23 im Dezember auf nun 14 gesunken. Von Beginn der Pandemie bis letzten Sommer hatte sich der Aktienkurs von Logitech allerdings fast verdreifacht. Der Unterhaltungselektronikspezialist konnte letzte Woche die Analysten mit den Wachstumsaussichten überzeugen. Die Bank Vontobel zum Beispiel bestätigte das "Kaufen"-Rating und das Kursziel von 135 Franken.

Kursentwicklung der Logitech-Aktie in den letzten drei Jahren (Quelle: cash.ch).

Novartis

Das KGV von Novartis ist in den letzten Wochen von rund 14 auf derzeit 11 gesunken. Das ist deutlich weniger als die Konkurrentin Roche (17) und den meisten anderen Pharmariesen, denen Novartis bei der Kursperformance seit längerem hinterherhinkt. Daher beschloss der Konzern mit dem Erlös der Roche-Anteilsverkäufe unter anderem auch ein massives Aktienrückkaufprogramm und ein Verzicht auf Grossakquisitionen. Anstatt andere zu kaufen, kauft Novartis sich selbst, ätzt man da und dort am Markt. Für viele Experten sind die defensiven Eigenschaften der Gesundheitsbranche derzeit aber ein Vorteil. Novartis bietet mehr Aufhol- und Überraschungspotenzial als Roche.

Rieter 

Die Aktie von Rieter hat ein geschätztes KGV von noch 9 (Ende 2021: 23). Die Aktie verzeichnet ein Kurssturz von rund 30 Prozent seit Mitte Januar. Der Spinnereimaschinenhersteller aus Winterthur schreibt wieder schwarze Zahlen und kehrte zur Dividendenfähigkeit zurück. Rieter überraschte die Investoren am Mittwoch vor allem mit dem Ausblick für den Umsatz 2022. Das Beispiel von Rieter zeigt übrigens, wie verunsichert die Investoren derzeit sind. Nach der Bekanntgabe der Jahresresultate stieg die Rieter-Kurs bis 8 Prozent. Keine vier Stunden später lag er 2 Prozent im Minus. Bei Börsenschluss stand wieder ein leichtes Plus auf dem Tableau.

V-Zug

Vor rund einem Jahr betrug das KGV des Haushaltgeräteherstellers V-Zug 13 – eine Beute für Small- und Mid-Cap-Investoren auf der Suche nach den letzten unterbewerteten Schweizer Aktien. Als Folge dessen legte der Titel fast 60 Prozent zu, das KGV stieg auf rund 20. Inzwischen ist die Aktie fast wieder auf das Niveau vom März 2021 zusammengeschrumpft, und das KGV ist mit 11 noch tiefer als damals.

Das Unternehmen hatte im Sommer für das zweite Halbjahr 2021 Margendruck angekündigt. Ob sich das bewahrheitet hat, zeigt sich am 15. März bei der Publikation der Jahreszahlen. Der Auslandanteil der V-Zug-Gruppe beträgt zwar erst rund 15 Prozent. Wegen geo- und innenpolitischen Unabwägbarkeiten könnte für V-Zug aber gerade der wichtige Markt China ein Risiko darstellen.
Kursentwicklung der Aktie von V-Zug seit dem Börsengang Mitte 2020 (Quelle: cash.ch).

Redaktionelle Mitarbeit: Manuel Boeck

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