Wer bei Tesla-Aktien Ende August auf dem Rekordniveau gekauft hat, ist wohl enttäuscht. Die Aktie handelt momentan bei 407 Dollar und damit 18 Prozent unter dem damaligen Wert. Und auch der von Elon Musk gross angekündigte "Battery Day" am 22. September brachte nicht den erwünschten positiven Impuls. Die Aktie scheint das Momentum vorläufig verlassen zu haben.

Performance der Tesla-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Unbestritten ist hingegen, dass der Elektroautomarkt ein grosses Wachstumspotenzial aufweist. Der "Electric Vehicle Outlook" von Bloomberg geht davon aus, dass 2020 weltweit 1,7 Millionen Elektroautos verkauft werden, 2025 8,5 Millionen, 2030 26 Millionen und 2040 54 Millionen. Im Jahr 2040 wird gemäss dieser Prognose mehr als jedes zweite aller verkauften Autos rein elektrisch betrieben sein.

Von dieser Entwicklung profitiert langfristig sicherlich Tesla. Doch es gibt viele neue Elektroautohersteller, die ebenfalls an diesem Wachstumsmarkt partizipieren und gross herauskommen wollen und könnten. Traditionelle Autobauer werden bei dieser Entwicklung hingegen Probleme haben, verlieren sie doch gleichzeitig bei den Verbrennungsmotoren. Was nützen VW die neuen ID.-Modelle, wenn Elektroautos aktuell erst 4,1 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Anleger investieren besser in einen Autobauer, der ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ohne Altlasten aufweist. Hier die interessanten neuen Elektroautohersteller.

NIO – Chinesischer Senkrechtstarter

Der in Shanghai ansässige und von William Li 2014 gegründete Elektrobauer NIO ging am 9. September 2018 an die New York Stock Exchange. Der Einstiegspreis betrug damals 6,26 Dollar. Nachdem sich der Kurs bis im Januar 2020 mehr als halbierte, legte NIO 2020 den Turbogang ein – plus 356 Prozent seit Jahresbeginn.

Performance der NIO-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Diese gute Aktienperformance ist nicht ohne Grund: Der Absatz zieht an: Im August erreichte der monatliche Verkauf an Elektroautos die 4000-Grenze. Dies ist im Vergleich zu anderen Autoherstellern sicherlich ein Klacks, doch die Wachstumsrate hat es in sich – plus 104 Prozent im Jahresvergleich. Die Kapazität wird zudem laufend ausgebaut. Im September können maximal 5000 Autos die Fabriken verlassen. Doch momentan macht das Unternehmen noch Verluste.

Wie bei Tesla spielen diese momentan eine untergeordnete Rolle, das Wachstum steht im Zentrum. So drängt NIO neuerdings mit seinem Elektro-SUV E56 auch auf den europäischen Markt. Dies bereitet insbesondere Herstellern wie Audi oder Mercedes Kopfschmerzen. Der Basispreis für den E56 beträgt 48'000 Euro. Das komfortable Familien-Elektroauto kostet somit knapp die Hälfte eines deutschen Premium-Autos.

Gegenüber dem amerikanischen Konkurrenten Tesla unterscheidet sich NIO in einer Sache grundlegend: Chinesische NIO-Kunden können schon jetzt per so genanntem "Battery Swap" in Stationen einfach den Akku ihres Fahrzeugs tauschen, statt ihn per Kabel zu Hause oder an öffentlichen Stromsäulen zu laden. Fünf Minuten dauert der Batterietausch. Sobald genügend Stationen vorhanden sind, könnte dies ein zusätzliches Kaufargument für Konsumenten sein.

Fisker – Wie Phönix aus der Asche

Der Name "Fisker" weckt bei manchen Autofans wohl Erinnerungen. Der Automobilhersteller Fisker Automotive stellte unter anderem den Fisker Karma, eine Plug-in-Hybrid-Oberklasselimousine, in den Jahren 2011 bis 2012 her. Doch im Jahr 2013 wurde das Unternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an den chinesischen Automobilzulieferer Wanxiang Group verkauft und in Karma Automotive unbenannt.

Henry Fisker, der schon Fisker Automative mitgegründet hat, startete 2016 mit dem Nachfolgeunternehmen Fisker einen zweiten Versuch. Dieses entwickelt nun eine vollelektrische Limousine "EMotion", ein vollelektrisches autonomes Shuttle "Frisker Orbit" und einen Elektro SUV für den Massenmarkt "Fisker Ocean". Letzterer soll Ende 2022 für ab 38'000 Dollar auf den Markt kommen.

Und die Finanzierung für die Produktion scheint durch den Zusammenschluss zwischen Spartan Energy Acquisition und Fisker im zweiten Halbjahr 2020 gesichert. Da Fisker selbst nicht an der Börse kotiert ist, kann sich ein Anleger durch den Kauf von Spartan Energy Acquisition daran beteiligen. Seit der Bekanntgabe des Deals haben die Spartan-Aktien schon 27 Prozent an Wert gewonnen.

Xpeng – Eine intelligente Datenkrake

Eine schöne Elektro-Limousine für 35'000 Euro? Einen Elektro-SUV für knapp 26'000? Der Autobauer Xpeng schafft dies. Im Heimmarkt China bietet der Autobauer seine beiden Modelle P7 und G3 zu diesen Konditionen an - ohne Subventionen. Damit setzt Xpeng auch Tesla preislich gehörig unter Druck. Das "günstige" Model 3 von Tesla ist in China ab ungefähr 38'000 Euro erhältlich.

Gegründet wurde Xpeng 2014, zu den ersten Investoren gehören der taiwanesische Elektronikhersteller Foxconn und Alibaba. Der Onlinehändler und Technologiekonzern von Jack Ma hat seinen Anteil am Elektrobauer neuerdings auf 19 Prozent ausgebaut, und Aliexpress ist "zufälligerweise" als App schon im Auto integriert. Zu dieser Zusammenarbeit passt auch die komplette Datenerfassung, derer sich jeder Nutzer ausgesetzt ist.

Es werden Standort-, Navigations-, Verkehrsstatus-, Fahrassistenz- und Fahrerzustandsdaten erfasst und mit Mobilitäts-, Lebensstil-, Informations- und Unterhaltungsvorlieben verknüpft. Die eingebaute künstliche Intelligenz kommuniziert den Gewohnheiten entsprechend mit den Nutzern. Das Fahrzeug selbst kann mit Gesichtserkennung geöffnet werden – das Öffnen mit Fingerabdruck ist aber auch möglich.

Xpeng ist seit Mitte 23. August am New York Stock Exchange gelistet. Der Ausgabepreis wurde wegen der grossen Nachfrage bei 15 Dollar festgelegt. Momentan handeln die Aktien bei 17,93 Dollar, rund 20 Prozent höher als der Ausgabepreis. Die UBS hat erst kürzlich Xpeng erstmals bewertet: "Buy"-Rating mit einem Kursziel von 25 Dollar.

Nach einem fulminanten Aufstieg im Juni geht es mit der Aktie des US-Elektro-LKW-Herstellers nur in eine Richtung: Abwärts. Mitte September hatte das Shortseller-Haus Hindenburg Research einen Bericht veröffentlicht, in dem Nikola Motors als "Betrug" bezeichnet wird. cash hat hier berichtet. Der dadurch beschleunigte Ausverkauf an der Börse führte dazu, dass der CEO Trevor Milton kürzlich zurücktreten musste. Im Endeffekt verlieren die Nikola-Aktien innerhalb von 3 Monaten 71 Prozent ihres Werts.

Performance der Nikola-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Bei Nikola weiss man bis heute nicht, ob das Unternehmen ausser coolen Videos auch funktionierende Produkte auf den Markt bringen kann. Privaten Anlegern mit Interesse an Elektroautoherstellern sollten sich hüten, hier zu spekulieren. Zudem sich Anleger besser auf Unternehmen fokussieren sollten, die sich nicht im Kreuzfeuer von Short-Sellern befinden. Werden sich die Vorwürfe bestätigen, wird Nikola Motor so schnell von der Blickfläche verschwinden, wie es erschienen ist.

Li Auto – Der Brückenbauer

Li Auto wurde 2015 von Li Xiang gegründet. Zu den Investoren in diesen Autobauer gehört unter anderem der dank TikTok bekannte chinesische Technologiekonzern ByteDance. Obwohl der Fokus auf alternativen Antrieben liegt, ist in jedem Auto neben den Elektromotoren ein traditioneller Ottomotor vorhanden. So kann Notfalls die Reichweite stark erhöht werden. Der Grund: Kunden von benzinbetriebenen Autos, die wegen der fehlenden Infrastruktur kein Elektroauto kaufen, sollen so angelockt werden.

Im Dezember 2019 begann die Auslieferung des ersten Elektro-SUVs für den Massenmarkt, dem "Li One" für 46'870 Dollar. Wie andere Elektroautobauer macht Li Auto noch Verluste. Der Absatz wächst hingegen stark: 2711 Fahrzeuge im August, insgesamt 14'656 im Gesamtjahr. Ende August hatte das Unternehmen 31 Verkaufsstellen in 26 chinesischen Städten. Dies soll in den nächsten Monaten stark ausgebaut werden.

Ende Juli wurde Li Auto in den Nasdaq aufgenommen. Seitdem geht es hauptsächlich seitwärts. Obwohl die Anleger noch nicht Gefallen an dieser Aktie gefunden haben, sind Analysten sehr zuversichtlich für die Aktie. Die UBS versah Li Auto mit einem "Buy"-Rating und einem Kursziel von 19,5 Dollar – 23 Prozent höher als der aktuelle Kurs von 15,8 Dollar.

ETF als Alternative?

Auch bei den Elektroautobauern gibt es entsprechende ETFs (Exchange Traded Funds), um das Risiko zu streuen. Der Nachteil: Meist sind traditionelle Autobauer darin enthalten. Der "iShares Electric Vehicles and Driving Technology UCITS ETF" enthält neben Tesla, Nvidia oder ABB auch den Hyundai Fiat Chrysler oder Kia. So erstaunt es wenig, dass dieser ETF auf Jahressicht 2 Prozent im Minus ist - verlieren beispielsweise die Fiat-Chrysler-Aktien 2020 18 Prozent an Wert. 

Breiter aufgestellt ist hingegen der "SPDR S&P Kensho Smart Mobility ETF". Mit 5,95 Prozent macht darin der chinesische Elektroautobauer NIO den grössten Anteil aus, dicht gefolgt von Tesla mit 4,79 Prozent. Dies ist auch in der Performance sichtbar: Plus 16 Prozent seit Jahresbeginn.

Schlussendlich könnten in naher Zukunft auch interessante IPO's von weiteren Elektroautoherstellern anstehen: Zum Beispiel das amerikanische Lucid Motors, das vom saudischen Staatsfonds 1 Milliarde Dollar erhielt. Der Fokus von Lucid Motors liegt auf Luxusautos. Oder auch Karma Automotive, früher Fisker Automotive, dass dem chinesischen Grosskonzern Wanxiang gehört. Karma Automotive stellt sich ebenfalls in die Luxus-Marktnische.

ManuelBoeck
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