Trotz unsicherer Zeiten, die Autobauer Peugeot (PSA) und Fiat Chrysler (FCA) versprechen sich von ihrem Zusammenschluss eine glanzvolle Zukunft. "Stellantis" - der Name des fusionierten Konzerns - steht für den Wunsch, nach den Sternen zu greifen. Bevor das neue Unternehmen aber erstrahlen kann, muss es eine Rosskur durchstehen - und heil durch die Corona-Krise kommen.

Konzernchef Carlos Tavares muss nach Meinung von Analysten die riesigen Überkapazitäten abbauen, die auf der französischen Opel-Mutter und ihrem italienisch-amerikanischen Partner lasten. Stellantis will zudem auf dem weltgrössten Automarkt China stärker werden, wo beide Autobauer unter Druck stehen. Darüber hinaus müssen die gewaltigen Investitionen gestemmt werden, die der Wechsel in die Digitalisierung und selbstfahrende Autos verschlingt.

Der Sanierer

Das sind nur die grössten Bälle, die Tavares in der Luft halten muss. Dass der gebürtige Portugiese in der Lage ist, einen Konzern binnen kurzer Zeit zu sanieren, hat er zunächst bei Peugeot und später Opel und deren britischer Schwester Vauxhall bewiesen. Der Rüsselsheimer Autobauer, der unter General Motors zwei Jahrzehnte lang in den roten Zahlen steckte, schrieb nach einem radikalen Sanierungskurs im ersten vollen Jahr nach der Übernahme durch PSA Gewinne.

Dafür wurden Tausende Arbeitsplätze abgebaut, und die deutsche Traditionsmarke wird auf Peugeot-Technik umgestellt. Bei dem Zusammenschluss profitieren die Partner davon, dass die Kosten sinken, je mehr Fahrzeuge sich eine Architektur teilen. Das ist im Kern auch das Prinzip, auf dem der Erfolg von Volkswagen mit seinen zwölf Marken basiert.

14 Marken

Tavares wird sogar 14 Marken leiten - von Peugeot, Citroen, Opel und DS über Fiat, Jeep, Dodge und Ram bis zum Luxussportwagenbauer Maserati. Zusammen landen PSA und FCA nach Daten zum Zeitpunkt der Ankündigung ihres Zusammenschlusses Ende 2019 mit einem weltweiten Absatz von 8,7 Millionen Fahrzeugen, 170 Milliarden Euro Umsatz und 410'000 Beschäftigten auf Rang vier unter den grossen Autobauern. Nur Volkswagen, die französisch-japanische Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi sowie Toyota sind grösser.

Die Haupt-Aktionäre von PSA mit doppeltem Stimmrecht, darunter die Gründerfamilie Peugeot, der chinesische Partner Dongfeng und der französische Staat, gaben auf einer ausserordentlichen Hauptversammlung am Montag als erste grünes Licht für die mehr als 50 Milliarden Dollar schwere Fusion mit FCA. Danach stimmten die anderen PSA-Eigner auf einem ebenfalls online abgehaltenen Treffen zu. Später winkten auch die Aktionäre von FCA, darunter die Angelli-Holding Exor, die Megafusion auf einer eigenen Versammlung mit über 99 Prozent Zustimmung durch.

Wie alle globalen Autohersteller wird Stellantis in den kommenden Jahren viele Milliarden ausgeben, um das Fahrzeugangebot für das Elekto-Zeitalter, digitale Dienste und selbstfahrende Fahrzeuge umzustellen. Das Geld für die Investitionen und die anstehende Restrukturierung kann Tavares durch Einsparungen und den Mittelzufluss aus den margenstarken Geländewagen der Marke Jeep und den Pick-ups von Ram in den USA aufbringen, meinen Analysten.

Kapazitäten für fünf Millionen Autos zuviel

Nach Schätzungen der Beratungsfirma von LMC könnte Stellantis weltweit Fabriken mit einer Gesamtkapazität schliessen, die in der Grössenordnung der Jahresproduktion von Ford (zuletzt gut fünf Millionen Einheiten) liegt. Trotzdem könnte der Konzern die Produktion mit den verbleibenden Werken steigern.

Mit einer Gesamtkapazität aller Werke von aktuell mehr als 13 Millionen Fahrzeugen könnten PSA und FCA zusammengerechnet rund sieben Millionen Fahrzeuge mehr herstellen als zuletzt produziert wurden. Die Fabriken beider Konzerne waren im vergangenen Jahr wegen der Corona-Krise nicht einmal zur Hälfte ausgelastet. Selbst in einem Boomjahr wie 2016 hatte die kombinierte Gruppe laut Daten von LMC rechnerisch eine Überkapazität von fast vier Millionen Fahrzeugen.

Werke gefährdet

PSA und FCA haben erklärt, dass der gemeinsame Konzern seine kombinierten jährlichen Kosten um fünf Milliarden Euro senken könne und dabei ohne Werksschliessungen auskomme. Analysten rechnen jedoch damit, dass einige Fabriken dichtgemacht werden.

So gilt das Opel-Werk im britischen Ellesmere Port schon länger als gefährdet. Das gilt auch für den Standort von Fiat in Kragujevac in Serbien. Dagegen dürften Fabriken in Italien und Frankreich verschont bleiben, glauben Experten. "PSA und FCA werden beteuern, dass Stellantis global ist und nicht französisch oder italienisch, aber ihre Regierungen werden sie daran erinnern, dass sie eine Nationalität haben", sagte Philippe Houchois von der Investmentbank Jefferies.

Ob sich Tavares auch von Marken trennen wird, bleibt abzuwarten. An Jeep und Ram dürfte Stellantis nach Meinung von Analysten festhalten, ebenso an den Volumenmarken Peugeot und Fiat. Andere, wie etwa Lancia oder Chrysler, sind eher regional von Bedeutung. Tavares habe aber immer bewiesen, dass er in der Lage sei, alle Marken in seinem Portfolio zu bewerten, sagt Marco Santino von der Beratungsfirma Oliver Wyman. "Im Gegensatz zu anderen Managern in der Vergangenheit." 

(Reuters)