Das Corona-Jahr war in den Augen der Anlegerinnen und Anleger ein Wendepunkt für "psychedelische" Aktien. Denn die Pandemie hat zu einem verstärkten Fokus auf die psychische Gesundheit und die Unzulänglichkeiten der derzeitigen Behandlungsmethoden von Depressionen geführt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO haben bereits vor Corona mehr als 264 Millionen Menschen an einer klinischen Depression gelitten.

Und auch von Expertenseite erhält diese junge Anlageklasse Unterstützung: "Ich glaube, dass Psychedelika als Therapeutika vielversprechend sind", sagt Jordan Sloshower, Psychiater an der Yale Medical School, der den Pilzbestandteil Psilocybin zur Depressionsbehandlung untersucht.

Das grösste Hindernis für Behandlungen durch Psilocybin aus Pilzen, Ibogain aus Hundsgiftgewächsen, Ketamin, MDMA oder LSD ist politischer Natur. Die immer noch geltende Drogenkonsum-Bundesgesetzgebung aus den 1960er Jahren hat den Gebrauch dieser Substanzen in den USA kriminalisiert. 

Politische Trendumkehr und erhebliche Marktchancen

Eine politische Trendumkehr ist allmählich absehbar. Denn Städte wie Denver im US-Bundesstaat Colorado oder Santa Cruz und Oakland in Kalifornien haben Psilocybin entkriminalisiert. Im Bundesstaat Oregon haben die Wähler letzten November Psilocybin aus Pilzen zur medizinischen Behandlung zugelassen.

Und es gibt erhebliche Marktchancen für psychedelische Behandlungen, wenn sie als wirksam erachtet werden. Der globale Markt für Antidepressiva könnte bis 2025 21 Milliarden Dollar oder mehr Umsatz generieren. Die Marktforschungsfirma Data Bridge Market Research geht davon aus, dass die Marktkapitalisierung der psychedelischen Industrie bis 2027 um jährlich 16 Prozent auf 6,8 Milliarden Dollar ansteigen wird.

Seit Jahresbeginn hat jedoch das Anlegerinteresse an psychedelischen Aktien abgenommen. Diese haben stark korrigiert und bieten daher eine gute Einstiegsgelegenheit. Doch obwohl das Potenzial gross ist, sind die Investitionen in diese junge Industrie nur Anlegerinnen und Anlegern zu empfehlen, die auch langfristig ein grösseres Risiko tragen können. Insbesondere die Politik wird die zukünftige Anlagerendite mitbestimmen. 

Hier eine Auswahl an Investitionsmöglichkeiten:

Compass Pathways – Depressionsbehandlung durch Psilocybin

Im September debütierte das britische Biotechunternehmen Compass Pathways an der Nasdaq. Nach dem ersten Handelstag lagen die Aktien bei 29 Dollar – plus 71 Prozent. Bis kurz vor Weihnachten haben sich die Aktien anschliessend verdoppelt. Nach einem kurzen Einbruch Mitte Januar und einem weiteren kurzen Anstieg im Februar sind die Wertpapiere stark zurückgekommen.

Kursentwicklung bei den Compass-Pathways-Aktien seit dem Börsengang im September 2020 (Quelle: cash.ch).

Compass Pathways testet eine firmeneigene Formulierung von Psilocybin bei Patienten, deren Depression durch Standardbehandlungen nicht behoben wurde. Das von Christian Angermayer gegründete Berliner Biotech Atai Life Sciences – auch Peter Thiel ist darin investiert - ist an Compass Pathways beteiligt.

Atai Life Sciences will ebenfalls an die US-Börse und hat die offiziellen Unterlagen für sein IPO bei der US-Aufsichtsbehörde SEC eingereicht. Das Unternehmen will bis zu 100 Millionen Dollar einsammeln. Nach der letzten Finanzierungsrunde wurde Atai mit 2 Milliarden Dollar bewertet. Ein Datum für das IPO gibt es bisher nicht.

Mind Medicine – MDMA und LSD

Das kanadische Biotechnologieunternehmen Mind Medicine überraschte im April mit klinischen Resultaten zum therapeutischen Nutzen von MDMA positiv. Klinische Studien mit einem sehr eng reglementierten Setting gelten als Eintrittsbarriere für Unternehmen in die psychedelische Industrie.

Darüber hinaus hat das Unternehmen auch die erste Phase seines LSD-Neutralisationsmittels gestartet. Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Unternehmen einen beträchtlichen Teil des schnell wachsenden globalen Marktes für Angstzustände, Depressionen und ADHS erobern. Mind Medicine betreibt für seine Forschung eine Kollaboration mit dem Liechti Lab der Universität Basel. 

An der US-Börse Nasdaq ist Mind Medicine erst seit dem 27. April gelistet. Zuvor hatte in den USA der Aktienhandel ausserbörslich stattgefunden. Die Aktienentwicklung seit der Kotierung lässt bisher zu wünschen übrig – minus 28 Prozent.

Field Trip Health – Ketaminbehandlung in Kliniken

Field Trip Health versucht, die gesamte Erfahrung der New-Age-Psychedelika zu erfassen. Der Haupfokurs liegt in der Entwicklung eines Kliniknetzwerks über ganz Nordamerika. Das Unternehmen eröffnete seine erste Ketamin-Klinik in Toronto und expandierte über Standorte in New York und Los Angeles in den US-Markt.

Zusätzlich zu den Kliniken verfügt Field Trip Health über eine Abteilung, die sich mit dem Forschungsaspekt psychedelischer Verbindungen befasst. Das Unternehmen hat auch eine offizielle App gestartet, die seine Behandlungen begleitet und Patienten Aktivitäten wie Meditationstechniken neben den Psychedelika anbietet.

Die Aktien von Field Trip Health können seit letztem Oktober in den USA ausserbörslich gehandelt werden und haben sich bis Mitte Februar mehr als verdreifacht. Nach einer starken Korrektur ist Mitte März eine Seitwärtsbewegung eingetreten.

Kursentwicklung der Field-Trip-Health-Aktien seit Oktober 2020 (Quelle: cash.ch).

Numinus Wellness - Psychedelischer Pennystock

Numinus Wellness ist das erste kanadische Unternehmen, das eine Anbaulizenz für die Herstellung und Extraktion von Psilocybin aus Pilzen erhalten hat. Und es verfügt über eine Import-, Export- und Vertriebslizenz für DMT, Psilocybin, MDMA und andere Psychedelika. Das Unternehmen hat das Ziel, psychedelisch unterstützte Therapien über ein Netzwerk an Gesundheitszentren zugänglich zu machen.

Numinus Wellness verfolgt dabei folgende Strategie: Erstens ist geplant, eine ketaminunterstützte Psychotherapie zur Behandlung von Depressionen anzubieten. Zweitens will es den Patienten den Zugang zu psychedelisch unterstützten Psychotherapien erleichtern. Schliesslich will es in seinen Kliniken Studien für Psilocybin und MDMA durchführen.  

Aktuell ist Numinus Wellness noch ein in den USA ausserbörslich gehandelter Pennystock. Doch ist das Unternehmen auch an der Deutschen Börse gelistet. Die Aktien sind seit dem Höhepunkt Mitte Dezember 55 Prozent zurückgekommen. Auf dem aktuellen Niveau von knapp 80 Cents eignen sich die Aktien wahrlich nur für Zocker.

ManuelBoeck
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