Die gute Börsenstimmung gegenüber Technologiefirmen begann schon Mitte Oktober und hat sich seitdem noch verstärkt. Der Aktienindex Stoxx Europe 600 Technology hat seit Anfang Jahr 16 Prozent zugelegt. Technologieaktien liegen bei der Performance im Schnitt deutlich über dem übrigen Markt, wenn die Tech-Abteilung des Stoxx 600 mit mit dem allgemeinen Index verglichen wird.
Doch nun kommt die Hürde in Form der Gewinnsaison. "Wir haben möglicherweise schon einen grossen Teil der Erleichterungsrally gesehen", sagte Marcus Morris-Eyton, Portfoliomanager bei Allianz Global Investors, zur Nachrichtenagentur Bloomberg. Jetzt müssten die Unternehmen liefern. Der Anlagespezialist sieht Herausforderungen. Im Zentrum des Interesses der Märkte steht, ob sich Unternehmen vom schwierigen Jahr 2022 erholen.
Denn ein grosser Teil der jüngsten Kursgewinne im Tech-Sektor lässt sich mit zurückgehenden Anleihenrenditen erklären. Die zuletzt in Europa und den USA sinkenden Inflationsraten scheinen den Zentralbanken im Moment mehr Handlungsspielraum für langsamere Zinserhöhungen zu verschaffen. Ein "Zins-Peak" wäre für Tech eine willkommene Situation, denn die Bewertung dieser Firmen an der Börse richtet sich nach den künftigen Erträgen, was wiederum stark von den Zinsen abhängig ist.
«Chip-Play» wird zum Risiko
Klare Favoriten der vergangenen Wochen waren an der Börse Aktien mit Bezug zu Halbleitern. Zu den Top-Performern gehörten der niederländische Konzern ASML und der österreichisch-schweizerische Entwickler AMS. Weitere Zuversicht kam dank der vorgelegten Zahlen von ASM International am Mittwoch. ASML wird die Zahlen nächste Woche vorlegen, bei AMS, wo der Kurs seit Anfang Januar um ein Drittel hochgeschnellt ist, wird voraussichtlich am 7. Februar die Zahlenvorlage stattfinden.
Die Entwickung des AMS-Aktienkurses seit Anfang Jahr und in den vergangenen zwölf Monaten (Charts: cash.ch).
Doch es gibt Gründe für eine vorsichtige Haltung. Für Diskussionen sorgen die wieder schnelleren Auslieferungen von Halbleitern sowie die Lagerbestände, die laut Bloomberg so hoch sind wie zuletzt 2001. Dies könnte die Preissetzungsmacht der Chip-Unternehmen beeinträchtigen, wie Strategen von JPMorgan anmerken.
Gleichzeitig aber ist leicht vorstellbar, dass die Nachfrage nach Chips sinken wird, beispielsweise für Smartphones oder Autos. Ein positiver Ausblick von Firmen wie Intel oder STMicro sei demzufolge nicht garantiert. "Gemäss unserem Basisszenario werden die Aktienkurse der Chiphersteller in den nächsten Monaten substantiell sinken, bevor sie sich erholen werden", sagte vor einer Woche Analyst Janardan Menon.
Schwieriger noch dürfte es für die Tech-Unternehmen werden, die vom Konsum der breiten Bevölkerung abhängig sind. Ein Beispiel dafür liefert Logitech. Der Kurs brach vergangene Woche ein, nachdem die Peripheriegeräteentwicklerin den Jahresausblick gesenkt hatte und von schwächeren Verkäufen im letzten Quartal 2022 berichtet hatte - Konsumentinnen und Konsumenten erneuern ihre Computer-Zusatzausrüstung im Moment tendenziell weniger häufig. Logitech hat sich bisher nicht vom Kursknick von vergangener Woche erholt, womit die Aktie immer noch knapp 10 Prozent weniger Wert hat als Anfang Jahr. Die gebremste Kauflust der Massen schlägt sich darüber hinaus auch bei den lange Zeit gefeierten Videospiel-Aktien nieder.
Sitaution wird schlechter, bevor sie besser wird
Schwierig sind auch die Aussichten für Softwareunternehmen. Viele von ihnen haben dank Abo-Modellen eine gewisse Stabilität im Geschäft erlangt. Doch Einkaufsmanager-Indices deuten auf niedrigere Unternehmensausgaben hin, was für die Softwareentwickler ein Risiko für die weitere Umsatzentwicklung bedeutet.
Damit stellt sich für die Softwareunternehmen die Lage ähnlich dar wie für den Chip-Sektor. "Die Gewinnsituation wird sehr wahrscheinlich erst schlechter, bevor sie sich wieder verbessert", sagt Morris-Eyton von Allianz Global Investors.
Nicht zu vergessen ist, dass die Bewertungen von Tech-Aktien immer noch höher liegen als im langjährigen Durchschnitt. Beim Stoxx Tech Index liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis zwar unter den Höchststand von 2021. Doch der Index handelt immer noch mit einer Prämie von 75 Prozent über dem Stoxx 600. Die Prämie gegenüber den Bewertungen des vergangenen Jahrzehnts liegt über 50 Prozent.
(Bloomberg/cash)