Der Inzwischen 88-jährige Starinvestor Warren Buffett gilt als berühmtester Value-Investor: Er investiert in Aktien, deren innerer Wert über dem aktuellen Aktienkurs liegt. Anders gesagt handelt es sich um Titel, die gemäss ihrem Potenzial eigentlich einen höheren Kurs aufweisen müssten und daher zu günstig bewertet sind.
Doch wer in den vergangenen Jahren Buffetts Strategie anwandte, erntet eine Enttäuschung: Wie Berechnungen des deutschen Vermögensverwalters DWS zeigen, haben in den letzten Jahren Wachstumsaktien gegenüber Valuewerten (auch Substanzaktien genannt) deutlich zugelegt. Am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) berechnet kosten erstere gegenüber letztgenannten inzwischen 70 Prozent mehr - ein Rekordniveau.
Die oben gezeigte Grafik zeigt die relative Bewertung von Wachstumsaktien (MSCI ACWI Growth Index) im Vergleich zu Substanzaktien (MSCI ACWI Value Index). Seit 2017 hat die Bewertung von Wachstumswerten deutlich zugelegt, die Prämie ist von knapp über 20 auf inzwischen 70 Prozent angestiegen.
Nestlé ist eine starke Growth-Aktie
Wachstumswerte sind quasi das Gegenstück zu den Substanzwerten: Sie sind häufig teuer bewertet, weisen aber ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum auf, auch in der Zukunft. Sie gelten als volatil, zudem zahlen sie häufig keine oder nur eine geringe Dividende aus, da der Gewinn (sofern vorhanden) primär in das eigene Wachstum investiert wird.
Der MSCI ACWI Growth hat in diesem Jahr bereits 20,3 Prozent zugelegt, in den letzten 10 Jahren waren es im Schnitt beachtliche 12 Prozent Performance pro Jahr. Grösste Positionen im Index sind derzeit die Tech-Riesen Microsoft, Apple, Amazon, Facebook und Alphabet. Danach folgt bereits der Schweizer Nahrungsmittelmulti Nestlé, der jüngst mit seinem Wachstum die Anleger überzeugen konnte. Die Aktie liegt seit Jahresbeginn bereits 32,5 Prozent im Plus.
Mit plus 12,9 Prozent seit dem 1. Januar 2019 und plus 9,4 Prozent pro Jahr im Schnitt über die letzten zehn Jahre ist zwar auch der MSCI ACWI Value Index deutlich positiv, konnte aber eben mit den Wachstumswerten nicht mithalten. Top-Positionen im Index sind Johnson & Johnson, JP Morgan, Exxon Mobil, Procter & Gamble und Bank of America.
«Teures wird teurer, billiges wird billiger»
"Wir beobachten schon länger, dass Teures immer teurer und Billiges immer billiger wird", schreibt Thomas Schüssler, Aktienexperte bei DWS dazu. Als möglicher Grund für diese Entwicklung sieht er unter anderem das Niedrigzinsumfeld: Dadurch würden zukünftige Gewinne, die naturgemäss bei Wachstumswerten stärker ins Gewicht fallen, mit einem geringeren Faktor abgezinst, was ihren Gegenwartswert erhöhe.
Und die Schere zwischen Wachstums- und Substanzvaloren könnte weiter auseinandergehen: "Sollten die Zinsen niedrig bleiben und die Rezession ausbleiben, erwarten wir kein Ende des Trends", so Schüssler. Gleichzeitig geht er aber auch nicht davon aus, dass sich die Entwicklung mit der jüngsten Dynamik fortsetzen werde.