Am chinesischen Aktienmarkt kommt es am letzten Handelstag der Woche zu einem Ausverkauf, nachdem es zu Wochenbeginn mit den Kursen noch deutlich nach oben ging. Der CSI-300 fällt am Freitag um mehr als 3 Prozent, der breite CSI-1000 schloss sogar 6 Prozent im Minus. Immerhin konnte sich der Hang Seng Index in Hong Kong im späten Handel stabilisieren und notierte nachbörslich mit einem kleinen Minus von 0,20 Prozent. «Anleger sind deutlich bestrebt, ihre Positionen vor dem Frühlingsfest zu reduzieren», berichtet Shen Meng von der Investmentbank Chanson gegenüber Bloomberg. Da es an weiteren Stimuluserwartungen fehle, könne der Verkaufsdruck schnell zunehmen.

Obwohl die chinesischen Techwerte wie Alibaba oder Tencent mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis unter 10 äusserst günstig bewertet respektive unterbewertet sind, endete in den letzten drei Jahren jede Kurserholung mit einem neuerlichen Taucher - und dies, obwohl Strategen von grossen Investmentbanken ein Engagement in China schon seit längerer Zeit empfehlen. Nebst dem schwachen Inlandkonsum, der schleppenden Erholung nach dem Covid-Lockdown und den handelspolitischen Streitigkeiten mit den USA ist die schwache Perfomance aber grösstenteils auf lokale Faktoren zurückzuführen.

So hält Nicolas Colas vom Analyseunternehmen Datatrek fest, dass Chinas grosse Technologieunternehmen ein Drittel des MSCI China ausmachen und mehr als fünf ganze Sektoren des MSCI Emerging Markets. «Die anhaltende Ohnmacht wirkt sich weiterhin erheblich auf die Aktienrenditen Chinas sowie der Emerging Markets in Asien aus. Die Geschichte sagt, dass dies wahrscheinlich so weitergehen wird, es sei denn, es kommt zu einer grösseren politischen Änderung im Land», erläutert Colas in einem Kundenschreiben vom Freitag. 

Zwei handfeste Herausforderungen sind ungelöst

Die chinesische Wirtschaft ist weiterhin zentralistisch organisiert und ein überwiegender Teil der grossen Unternehmen befindet sich in Staatsbesitz. Wettbewerb, so wie dieser im Westen üblich ist, sucht man in China vergebens. Entsprechend stehen innovative Firmen, welche nicht gross sind, langfristig meist vor fast unüberwindbaren Herausforderungen gegen die übermächtige Konkurrenz der staatlichen gesteuerten Grossfirmen. 

In der Vergangenheit, als die chinesische Wirtschaft von Anlageinvestitionen angetrieben wurde, konnte Peking einfach auf reichlich Fremdkapital - sprich Bankkredite - zählen, um das Wachstum anzukurbeln. Fremdkapital ist jedoch für die Förderung einer innovationsorientierten Wirtschaft nicht hilfreich, da keine Bank Kredite an Start-ups vergeben möchte, die über keine Vermögenswerte verfügen, erklärt ein Venture-Kapitalgeber in Hong Kong gegenüber cash.ch, ohne namentlich genannt werden zu wollen. 

Aus diesem Grund drängt Gouverneur Yi Gong, Chef der chinesischen Zentralbank darauf, die Finanzierungs- und Ausstiegskanäle für Private Equity und Venture Capital zu reformieren. Wenn sich diese Finanzdienstleister systematisch aus dem chinesischen Markt zurückziehen, wird das bankzentrierte Finanzierungssystem niemals in der Lage sein, kleine Startups zu unterstützen, die für technologische Innovationen von entscheidender Bedeutung sind, so der Insider.

Letztendlich erfordert daher die Stabilisierung von Private Equity nichts anderes als eine nachhaltige Anpassung des öffentlichen Marktes. Die Aktienmarktentwicklung selbst ist dabei wohl zu einem grossen Teil der wichtigste Faktor, der darüber entscheidet, ob das chinesische Tech-Startup-Ökosystem wieder zum Leben erweckt werden kann. 

Ausländische Investitionen nehmen ab

Auch für ausländische Firmen ist China kein einfaches Pflaster. So musste das chinesische Handelsministerium am Freitag eingestehen, dass sich die Direktinvestitionen im abgelaufenen Jahr auf nur noch 1,13 Billionen Yuan (136 Milliarden Franken) summierten. Dies entspricht einem Rückgang von 8,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es ist damit das erste Minus seit 2012.

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren