Der technologieorientierte Nasdaq Composite Index ist dieses Jahr bereits um 16 Prozent gefallen. Seit dem Allzeithoch im letzten November summiert sich das Kursminus auf 19 Prozent. Der Index befindet sich damit an der Schwelle zu einem Bärenmarkt. Dieser tritt ein, sobald ein Basiswert vom letzten Hoch mehr als 20 Prozent gefallen ist.

Für Dan Ives, ein in Börsenkreisen bekannter Technologie- und Softwareanalyst bei der Investmentfirma Wedbush, ist der diesjährige Abverkauf bei Technologieaktien kein fallendes Messer, in das man nicht greifen sollte. Es sei vielmehr ein Einbruch, der als Kaufchance angesehen werden soll, schrieb Ives in einer Notiz am Donnerstag. Dies berichtet das Finanzportal Business Insider.

Wachstums-Titel, wie sie oft in der Technologiebranche zu finden sind, wurden in diesem Jahr besonders hart getroffen, da die geopolitischen Spannungen mit dem Ukraine-Krieg aufflammten und damit die zukünftigen Wachstumserwartungen senkten. Gleichzeitig bringt die US-Notenbank mit der angekündigten geldpolitischen Trendwende die Realzinsen hoch, was die Abdiskontierung der zukünftigen Cashflows direkt betrifft. Das ist für den Nettowert dieser Cashflows, den Aktienkurs von Wachstums-Titeln, nicht gut.

Globales Chaos als Kaufchance

Tech-Investoren, die jetzt vor der schwierigen Entscheidung stehen, ihre Bestände aufzugeben oder erst recht zu investieren, sollten sich für Letzteres entscheiden, schrieb Ives. Der Analyst begründet seine Haltung damit, dass Tech-Titel im Verhältnis zu den Wachstumsaussichten am stärksten überverkauft seit den Jahren 2014 und 2015 sind.

"Während jedes geopolitische Schockereignis anders und einzigartig ist, besteht unsere Strategie seit dem Jahr 2000 darin, diese Zeiten des globalen Chaos zu nutzen, um die Tech-Gewinner zu kaufen, die wir als weit überverkauft in einem panikartigen Ausverkauf ansehen", schrieb Ives. Zudem seien die Auswirkungen durch den Ukraine-Krieg und die damit verhängten Sanktionen gegen Russland für Big Tech per se begrenzt.

Aber nicht alle Technologiebereiche böten die gleich guten Möglichkeiten. Der Wedbush-Analyst ist besonders optimistisch in Bezug auf Big Tech, Software-Titel und Cybersicherheitsunternehmen. Diese drei Gruppen können als "defensive Technologie" eingestuft werden, weil sie einen hohen freien Cashflow haben, schrieb Ives.

Microsoft stösst auf viel Gegenliebe

Ives listete fünf Technologieaktien auf, die er während des Abschwungs als "Top-Namen zum Besitzen" bezeichnete: Darunter fallen die Tech-Titanen Microsoft und Apple sowie die Software-Unternehmen Oracle, Adobe und Salesforce. Ives nannte neben Microsoft und Apple auch Tesla als einen seiner "Lieblingsnamen für disruptive Technologie mit grosser Marktkapitalisierung".

Mit seiner Kaufhaltung betreffend dieser Technologie-Titel ist der Wedbush-Analyst mit Ausnahme von Tesla und Oracle in guter Gesellschaft, wie die untenstehende Tabelle offenbart. Diese ist anhand dem Anteil der "Buy"-Ratings der von Bloomberg befragten Analysten geordnet.

TitelKursentwicklung seit JahresbeginnAnteil "Buy"-RatingsDurchschnittliches KurszielAufwärtspotenzial
Microsoft-15 Prozent92 Prozent373 Dollar31 Prozent
Salesforce-21 Prozent85 Prozent299 Dollar50 Prozent
Apple-11 Prozent79 Prozent191 Dollar21 Prozent
Adobe-23 Prozent79 Prozent655 Dollar49 Prozent
Tesla-21 Prozent49 Prozent946 Dollar13 Prozent
Oracle-12 Prozent26 Prozent92 Dollar20 Prozent

Quelle: Bloomberg

Dass Microsoft auf das meiste Wohlwollen stösst, kommt nicht von ungefähr. Das Unternehmen gibt mit Windows das führende Betriebssystem für Computer heraus, Office 365 ist die dominierende Plattform für Bürosoftware und Azure ist nach Amazon Web Services die zweitgrösste Cloud-Infrastrukturplattform der Welt. Zudem hat sich Microsoft zu einer Grossmacht im Game-Sektor entwickelt - die Übernahme des Spieleentwicklers ActivisionBlizzar stärkt diese Stellung. Angesichts der guten Wachstums- und Gewinnaussichten ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 30 gerechtfertigt und steht einem Kauf nicht im Wege.

Apple hat defensive Qualitäten

Apple mausert sich immer mehr zu einem Technologie-Titel mit defensiven Qualitäten. Das Kursminus seit Jahresbeginn von gerade 11 Prozent zeugt davon. Der Verkausstopp in Russland dürfte nur zu Umsatzeinbussen von rund zwei Prozent führen. Und mit einem KGV von 26 ist die Aktie sogar noch günstiger als Microsoft. Während zukünftig Fantasien durch den Einstieg in die Autoproduktion entstehen könnten, ist die grosse Umsatzabhängigkeit vom iPhone ein Klumpenrisiko - das iPhone liefert fast 60 Prozent der Erlöse. Ein Pluspunkt ist hingegen der hohe Cash-Bestand von gut 191 Milliarden Dollar.

Beim führenden Elektroautobauer Tesla sind die Meinungen der Analysten seit je her gespalten. Zwar sehen sie im Durchschnitt ein Aufwärtspotenzial von 13 Prozent. Aber knapp ein Drittel der Analysten empfiehlt den Verkauf der Aktien. Das KGV von 171 zeugt davon, dass die Aktie noch immer sehr teuer ist. Dies steht im krassen Gegensatz zur Bewertung von traditionellen Autobauern wie VW. Der Konzern aus Wolfsburg hat ein KGV von 6. Tesla bleibt schlussendlich eine mutige Zukunftswette. Dan Ives glaubt an den Erfolg. Er gehört mit einem Kursziel von 1400 Dollar zu den bullishsten Analysten. Behält er recht, wird die Aktie langfristig 67 Prozent ansteigen.

Salesforce als Langfristwette

Das grösste Aufwärtspotenzial sehen die Analysten im Durchschnitt bei den Softwareunternehmen Salesforce und Adobe, wobei dies gleichzeitig Titel sind, die dieses Jahr deutlich zurückgekommen sind. Trotz der starken Korrektur ist die Aktie von Salesforce mit einem KGV von 133 immer noch sehr teuer. Hier ist immer noch viel Wachstumsfantasie eingepreist. Berechtigterweise muss man sagen. Das Unternehmen wächst stark - zuletzt 25 Prozent - und hat für das neue Geschäftsjahr die Umsatzprognose mit den Jahresergebnissen sogar leicht angehoben. Zudem gilt Salesforce, das Cloud-Computing-Lösungen für Unternehmen anbietet, als führend in der Branche.

Adobe ist hingegen ein gestandenes Softwareunternehmen, das über starke Margen und ein gestandenes Management verfügt. Das Unternehmen bleibt im Kerngeschäft rund um Software für Kreativschaffende - Photoshop und Premiere - der unangefochtene Marktführer. Analysten rechnen in den nächsten drei Jahren mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 13 Prozent, wobei der Gewinn noch schneller zulegen soll. Sowohl Adobe als auch Salesforce gehören auf die Beobachtungsliste. Mutige können bereits jetzt mit Zukäufen starten.

Oracle günstig zu haben

Der SAP-Konkurrenten Oracle stösst bei den Analysten auf die geringste Gegenliebe. Dies ist sicherlich auch daraufhin zurückzuführen, dass der Gewinn im vergangenen Jahr von Quartal zu Quartal beständig zurückging. Abschreiben sollte man den SAP-Konkurrenten aber nicht. Oracle ist mit einem KGV von 22 und einer Dividendenrendite von 1,7 Prozent für langfristige Investoren interessant. Analysten sehen den Softwarekonzern in guter Position, um zukünftig eine führende Rolle in den Kernbereichen des Cloud-Computing übernehmen zu können.

Cybersecurity-Aktien sind für Ives ebenfalls einen Blick wert, da die Bedrohung durch russische Angriffe auf Rechenzentren zunimmt und dies das Wachstum zusätzlich ankurbeln sollte. In vor kurzem veröffentlichten Notizen nannte der Analyst Palo Alto NetworksZscalerTenableVaronis, FortinetCyberArk und SailPoint Technologies als Kernempfehlungen von Wedbush in diesem Bereich.

ManuelBoeck
Manuel BoeckMehr erfahren