Es sind keine guten Nachrichten für Schweizer Firmen: Die globale Konjunktur wird weiter abkühlen. Ein Drittel der Weltwirtschaft dürfte bis 2023 in eine Rezession rutschen, hiess es im Weltwirtschaftsbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF). Eine hartnäckige Inflation, steigende Zinsen und das Stottern der Wirtschaftslokomotive China hinterlassen Spuren.

Ein solches Wirtschaftsumfeld trifft aber nicht alle Schweizer Firmen in gleichem Masse. Besonders gefährdet sind diejenigen, deren finanzielle Stärke angeschlagen ist. Eine Möglichkeit für Investoren, um die Schwachstellen im eigenen Portfolio aufzudecken, ist der Altman Z-Score. Das Modell wurde im Jahr 1967 von dem Finanzprofessor Edward Altman erfunden. Dieser lässt Rückschlüsse darauf zu, wie insolvenzgefährdet ein Unternehmen ist. 

Laut diesem Indikator ist Meyer Burger mit einem Wert von 0,1 ein sehr gefährdetes Unternehmen. Der Solarmodulhersteller befindet sich mitten in einem Turnaround und hatte im ersten Semester erneut rote Zahlen geschrieben. Denn Unternehmen mit negativen oder niedrigen Gewinnen werden im Modell pauschal als riskant eingestuft. Junge Unternehmen - was Meyer Burger mit dem neuen Geschäftsmodell ist - haben daher einen schweren Stand. 

Grosse Treffsicherheit

Altmann untersuchte in drei Zeiträumen zwischen 1969 und 1999 insolvenzgefährdete Unternehmen. Mit seinem Z-Score konnte er mit einer Wahrscheinlichkeit von 82 bis 94 Prozent korrekt vorhersagen, ob ein Unternehmen innerhalb eines Jahres Insolvenz anmelden würde oder nicht. Im Allgemeinen verwendet das Modell die Rentabilität, die Verschuldung, die Liquidität, die Solvenz, der Marktwert und weitere Finanzkennzahlen, um die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, ob sich ein Unternehmen in einer finanziellen Schieflage befindet.

Das Produkt des Modells ist eine Zahl. Wenn ihr Wert über 3 liegt, besteht keine Gefahr für die Firma. Bei einem Wert von unter 1,8 besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Konkurs, zwischen 1,8 und 3 liegt eine Grauzone. In einer 2019 gehaltenen Vorlesung mit dem Titel "50 Years of the Altman Score" stellte Altman aufgrund neuerer Daten fest, dass 0 - und nicht 1,8 - der Wert ist, bei dem sich Anleger wirklich Sorgen um die Finanzkraft eines Unternehmens machen sollten.

cash.ch hat mit Daten von Bloomberg 15 börsenkotierte Unternehmen ausfindig gemacht, die einen Altman Z-Score von unter 3 aufweisen. Ausgeklammert aus der Analyse sind in der untenstehenden Tabelle Finanzfirmen, komplexe Holdings und Immobilienfirmen, da diese eine spezielle Bilanzstruktur aufweisen und daher das Altman-Modell nicht gut anwendbar ist. Zudem sind in der Analyse nur Firmen mit einem Börsenwert von mindestens 500 Millionen Franken enthalten.

Hohe Verschuldung als Gift für die finanzielle Gesundheit

Nach Meyer Burger zeigt der Indikator auch für Dufry, Aryzta und SoftwareOne ein hohes finanzielles Risiko an. Der Reisedetailhändler, der erst kürzlich die italienische Autogrill übernommen hat, weist ein Verschuldungsgrad von 779 Prozent auf. Steigende Zinsen sind daher Gift für die finanzielle Gesundheit des Unternehmens. Auch Aryzta ist von höheren Zinskosten betroffen. Zudem lasten steigende Strom- und Lohnkosten auf dem Backwarenkonzern, der sich in einem zuletzt erfolgreichen Turnaround befindet. 

Durch die zahlreichen Akquisitionen der Vergangenheit hat SoftwareOne wiederum eine Goodwillposition angehäuft, die weiter steigen dürfte. Ein Firmenwert oder eben Goodwill taucht immer dann in der Bilanz als eine Vermögensposition auf, wenn Unternehmen bei Übernahmen zu viel Geld auf den Tisch gelegt haben. Daraus können hohe Verluste entstehen, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld wie jetzt ändert. Trotz tiefem Verschuldungsgrad und gesteigertem Gewinn im ersten Halbjahr haben die Aktien dieses Jahr 42 Prozent verloren - ein klares Verdikt der Börse.

Unternehmen Altman Z-Score Verschuldungsgrad
Meyer Burger 0,1 69 Prozent
Dufry 0,5 779 Prozent
Aryzta 0,6 205 Prozent
SoftwareOne 0,8 12 Prozent
BKW 1,3 53 Prozent
Montana Aerospace 1,3 65 Prozent
AMS Osram 1,7 108 Prozent
Swiss Steel 1,8 182 Prozent
Stadler Rail 1,8 171 Prozent
SIG Combibloc 2,0 63 Prozent
Implenia 2,0 266 Prozent
Sulzer 2,0 126 Prozent
Bobst 2,2 58 Prozent
Holcim 2,3 60 Prozent
OC Oerlikon 2,4 67 Prozent
Arbonia 2,7 15 Prozent

(Quelle: Bloomberg).

Nicht wirklich gefährdet, aber doch nicht ausserhalb der Gefahrenzone sind Unternehmen wie Stadler Rail, Sulzer oder Arbonia. Sie gehören zu den "Who is Who" in der schweizerischen Unternehmenslandschaft, die wiederholt für negative Schlagzeilen gesorgt haben. So dürfte der Margendruck beim Zugbauer Stadler Rail von Dauer sein und sich künftig sogar noch intensivieren. Weitere Ergebnisenttäuschungen könnten die Folge sein..

Sulzer mit dem Ankeraktionär Viktor Vekselberg wiederum befindet sich in einem Transformationsprozess: Weniger Produkte im Bereich Öl und Gas, dafür mehr Produkte für die Nachhaltigkeit sind das Ziel. Im Herbst sorgten aber Personalien in der Teppichetage für Schlagzeilen. Nach etwas mehr als einem halben Jahr räumt Frédéric Lalanne den Chefposten. Was ihm nicht gelang, soll Suzanne Thoma im Doppelmandat richten.  Das zuletzt verlustschreibende Unternehmen wird nächsten Mittwoch über den Auftragseingang im dritten Quartal berichten.

Modell von Altman als Entscheidungshilfe

Obwohl das Modell von Altman verschiedenste Finanzkennzahlen einbezieht, findet keine Berücksichtigung des Cash Flows statt. Problematisch an diesem Umstand ist, dass ein positiver Cash Flow wesentlichen Einfluss auf das Insolvenzrisiko eines Unternehmens hat. Langfristig negative Cash Flows führen beispielsweise oftmals zu einer Zahlungsunfähigkeit, was einen Insolvenzantragsgrund darstellt. 

Transformationsprozess, Turnaround, hohe Schulden, Verluste und anhaltend negative Schlagzeilen: Der Altman Z-Score deckt die Schwachstellen am Schweizer Aktienmarkt auf. Klar ist aber auch, dass ein tiefer Altman Z-Score nicht mit einer definitiven Insolvenz gleichzusetzen ist. Insbesondere in der Schweiz, wo der letzte grössere Fall mit Swissair über zwei Jahrzehnte zurückliegt. Meist finden Unternehmen ja auch Wege, um sich neu zu erfinden oder neues Kapital aufzunehmen. 

Das Modell sollte daher mit Vorsicht interpretiert werden und bietet Anlegerinnen und Anlegern vielmehr eine Entscheidungshilfe bei Investitionen. Tiefe Werte können tendenziell gegen den Kauf und für ein hohes Risiko einer Aktie sprechen. Hierfür sollte ein Investor aber auch den Grund für den geringen Wert kennen, um eine abschliessende Entscheidung treffen zu können. Das Ergebnis sollte zudem mit der jeweiligen Konkurrenz aus der gleichen Branche verglichen werden, um eine aussagekräftigere Meinung bilden zu können. 

Dies ist eine aktualisierte Version eines cash-Artikels, der zuerst am 21. Oktober 2022 erschien.

 

ManuelBoeck
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