Börsentage wie der vergangene Montag sind aus dem Stoff gemacht, aus dem die Alpträume der Anleger sind. Bei Kursstürzen um die 7 Prozent ist von einem Crash die Rede. Annahmen, wie es weitergehen könnte, werden in solchen Situationen sofort von der Realität überrollt. Konfusion herrscht.

Nur: Massive Verunsicherungen der Märkte hat es immer wieder gegeben. In der Phase der Finanzkrise, die im Herbst 2008 ihren Siedepunkt erreichte, gab es mindestens sechs "schwarze" Börsentage. Sie gehören zu den zehn Tagen mit den schwersten Kursstürzen der vergangenen 33 Jahre, wie der britische Vermögensverwalter Schroders in einer Übersicht festgehalten hat:

Die stärksten Kursstürze an S&P-500*-Börsentagen und die spätere Erholung 1987 bis 2019

DatumPhaseTages-
Kurssturz
Kursgewinne 
nach 12 Monaten
Kursgewinne 
nach 5 Jahren
15. Oktober 2008Finanzkrise- 9 Prozent+24 Prozent+109 Prozent
1. Dezember 2008Finanzkrise-8,9 Prozent+39 Prozent+146 Prozent
29. September 2008Finanzkrise-8,8 Prozent-2 Prozent+70 Prozent
9. Oktober 2008Finanzkrise-7,6 Prozent+21 Prozent+104 Prozent
27. Oktober 1987Asienkrise-6,9 Prozent+23 Prozent+9 Prozent
31. August 1998Rubelkrise-6,8 Prozent+40 Prozent+13 Prozent
20. November 2008Finanzkrise-6,7 Prozent+49 Prozent+164 Prozent
8. August 2011Eurokrise-6,6 Prozent+28 Prozent+117 Prozent
13. Oktober 1989«Black Friday»-6,1 Prozent-6 Prozent+64 Prozent
19. November 2008Finanzkrise-6,1 Prozent+39 Prozent+148 Prozent

Daten: Schroders, Refinitiv data / *S&P 500 Total Return, Perfomanceindex, inkl. Dividenden

Am 15. Oktober 2008 krachte der amerikanische S&P 500 – sozusagen der Massstab-Index für das Weltbörsengeschehen – um 9 Prozent in die Tiefe. Das war der "schlimmste" Tag des US-Marktes in den vergangenen drei Jahrzehnten.

In den Monaten und Jahren nach diesen Kursstürzen haben sich die Märkte jedes Mal gefangen und teilweise stark zugelegt. So stand der S&P 500 zwölf Monate nach dem 15. Oktober 2008 schon wieder 24 Prozent höher. Innerhalb von fünf Jahren verdoppelte sich der Kursstand des US-Index.

Es ging gar noch mehr: Vom Kurssturz vom 20. November 2008 ausgehend – weiterhin inmitten der Verwerfungen der Finanzkrise, einen Tag, nachdem ein IWF-Rettungspaket für Island hermusste – betrug das Kursplus der anschliessenden fünf Jahre 164 Prozent. Annualisiert ist dies ein Plus von 21 Prozent.

Anders gesagt: Aus einer Investition von 10'000 Dollar auf dem Tiefpunkt jenes Börsentages wären nach fünf Jahren 26'400 Dollar geworden.

Die Tabelle mit den Kursvergleichen macht deutlich, dass die mittel- und längerfristigen Kursanstiege vor allem nach der Finanzkrise von 2008 stark waren. Aus Sicht jenes Jahres hatten dies vermutlich nicht viele Investoren erwartet.

Die Finanzkrise hatte 2007 mit sich summierenden Ausfällen bei verbrieften amerikanischen Hypotheken begonnen. In dieser so genannten Subprime-Krise kollabierte Ende Mai 2008 die New Yorker Investmentbank Bear Stearns. Sie wurde durch einen Notkauf durch J.P. Morgan vor dem Untergang bewahrt. Voll brach die Krise schliesslich aus, als am 15. Oktober 2008 die Investmentbank Lehman Brothers bankrott ging.

Lehman Brothers wurde nicht gerettet. Panik entstand, weil ein Domino-Effekt auf die ganze Banken- und Finanzindustrie drohte. Regierungen und Notenbanken schnürten Milliardenpakete, um die zerrütteten Bilanzen der Banken zu stabilisieren. Zwangsfusionen verhinderten Schlimmeres. In der Schweiz griffen Bundesrat und Nationalbank bei der UBS ein, die wegen der Subprimekrise massiv ins Taumeln geraten war.

Kehrtwende am 9. März 2009

Die Kehrtwende vollzogen die Märkte am 9. März 2009, also genau elf Jahre vor dem jüngsten "schwarzen" Börsentag am vergangenen Montag. Angetrieben ist der jahrelange Rebound vom billigen Geld der Zentralbanken und der raschen Erholung der US-Wirtschaft worden, in der sich auch das Bankensystem schnell stabilisierte.

Auch am Schweizer Markt fand diese Trendwende statt: Von seinem Höchststand Mitte 2007 bis zum März 2009 hatte sich der Stand des SMI von 9548 auf 4312 Punkte halbiert. Von da bis Mitte Februar dieses Jahres, also dem Zeitpunkt unmittelbar vor der aktuellen Phase von Kursstürzen, steigerte sich der SMI dann um 158 Prozent.

"Natürlich ist nicht garantiert, dass vergangene Kursverläufe in Zukunft wiederholt werden", schreibt Finanzredaktor David Brett von Schroders. Das Ausmass der Coronaviruskrise ist bisher nicht abschätzbar. Warnungen, dass die heutige Krise Parallelen zu 2008 aufweisen könnte, kamen dieser Tage von prominenten Figuren wie EZB-Chefin Christine Lagarde oder dem ehemaligen Nationalbankpräsidenten und Vizepräsident des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock, Philipp Hildebrand.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde warnt vor einer Krise wie 2008

Blackrock-Vize Philipp Hildebrand fordert in den USA Krisenmanagement wie 2008

An 2008 erinnern auch die Gegenmassnahmen: Einerseits Zinssenkungen wie bereits in den USA und Grossbritannien geschehen, andererseits erste Konjunkturmassnahmen wie die Bereitstellung von Kurzarbeitgeldern, so auch in der Schweiz. Ansonsten ist die Lage nicht leicht abschätzbar. Anders als 2008 etwa ist das Instrumentarium der Notenbanken nicht mehr so umfangreich: Die Zinsen sind bereits sehr tief.

Im Kursverfall 2008 wagten sich indessen mutige Investoren hervor, die trotz Panikzuständen am Markt investierten. Zu ihnen gehörte Warren Buffett. Der gewiefte Finanzmogul erwarb im Zuge einer Kapitalspritze im September 2008 für fünf Milliarden Dollar Aktien der damals kriselnden Investmentbank Goldman Sachs.

Das Dow-Jones-Unternehmen konnte sich danach fangen und den Wert der Aktie bis vor der aktuellen Krise immerhin mehr als verdreifachen. Buffett selber verkaufte sein Paket 2011 an Goldman Sachs zurück und machte 3,7 Milliarden Dollar Gewinn.