In einem Marktumfeld, das von hoher Inflation, steigenden Zinsen, geopolitischen Spannungen, Rezessionsangst und Lieferkettenproblemen geprägt ist, hat der breite US-Index S&P 500 seit Jahresbeginn bereits 18,2 Prozent verloren. Unter den 500 gelisteten Unternehmen des S&P 500 zeigt aber eine erlauchte Gruppe eine deutlich bessere Kursentwicklung. Der Index der so genannten "Dividenden-Aristokraten" steht seit Anfang Jahr nur 11,1 Prozent tiefer.

Betrachtet man nicht nur die Kurs-, sondern die Gesamtrendite inklusive Dividenden, zeigt sich ein noch klareres Bild. Dank der defensiven Ausrichtung der Dividenden-Aristokraten minimiert sich das Minus auf 10,1 Prozent, der S&P 500 hinkt hingegen mit einem Abschlag von 17,6 Prozent noch deutlicher hinterher. Und selbst der als krisenresistent geltende Swiss Market Index (SMI) fällt mit einem Minus von 11,6 Prozent gegenüber den Dividenden-Aristokraten ab.

Um in die Liga der Dividenden-Aristokraten aufzusteigen, muss eine Aktie drei Kriterien erfüllen: Das Unternehmen muss seit mindestens 25 Jahren eine Dividende zahlen, die Ausschüttung jedes Jahr erhöhen und ein Teil des S&P 500 Index sein - und dabei eine Marktkapitalisation von mindestens 3 Milliarden Dollar aufweisen. Diese Dividendenfähigkeit, die zum Teil seit 66 Jahren besteht, macht die Unternehmen zu so etwas wie dem Nonplusultra unter den Qualitätsaktien.

Die Zugehörigkeit zur Dividenden-Aristokratie repräsentiert zwar bloss einen rückwärtsgewandten Blick und garantiert per se nicht, dass ein Unternehmen auch aktuell finanziell gesund ist und zukünftig auch bleiben wird. Trotzdem bedeutet eine Mitgliedschaft meist, dass ein Unternehmen sowohl in guter als auch schlechter Wirtschaftslage stetig Gewinne erwirtschaftet hat.

64 Unternehmen sind Dividenden-Aristokraten

Global stammen fast alle Dividenden-Aristokraten aus den USA. Es gehören genau 64 Unternehmen des S&P 500 dieser "vornehmen" Gesellschaft an. 2022 ist aus der Liste mit dem Telekommunikationskonzern AT&T nur ein Titel weggefallen, gleichzeitig wurden der Versicherer Brown & Brown und der Haushaltswarenhersteller Church & Dwight aufgenommen. Aus der Schweiz wären indessen Roche und Nestlé die einzigen Unternehmen, die nach US-Definition Dividenden-Aristokraten sind.

Die Kursentwicklung der Aktien seit Jahresbeginn und das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) spiegeln wider, wie die Unternehmen durch das bisherige Krisenjahr 2022 gekommen sind. Dabei gelten Aktien mit tiefem KGV als billig, solche mit hohem KGV als teuer. Man spricht auch von der Bewertung einer Aktie. In der Tabelle sind 20 der bekannteren unter den 64 US-Dividendenaristokraten anhand einer aufsteigenden Dividendenrendite aufgelistet:

UnternehmenSektorPerformance 2022Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)Dividendenrendite
IBMTechnologie+3 Prozent234,8 Prozent
3MIndustrie-19 Prozent154,1 Prozent
T Rowe Price GroupFinanzen-38 Prozent104,0 Prozent
AbbVieGesundheit+7 Prozent213,9 Prozent
Exxon MobilEnergie+67 Prozent173,4 Prozent
ChevronEnergie+51 Prozent173,2 Prozent
Coca-ColaKonsumgüter+4 Prozent262,9 Prozent
PepsiCoKonsumgüter-6 Prozent222,8 Prozent
Johnson & JohnsonGesundheit+2 Prozent232,6 Prozent
Procter & GambleKonsumgüter-13 Prozent252,6 Prozent
Colgate-PalmoliveKonsumgüter-10 Prozent322,5 Prozent
McDonald'sKonsumgüter-10 Prozent262,3 Prozent
CaterpillarIndustrie+8 Prozent192,2 Prozent
NextEra EnergyGrundversorger-17 Prozent1052,2 Prozent
Automatic Data ProcessingTechnologie-12 Prozent321,9 Prozent
WalmartKonsumgüter-16 Prozent261,9 Prozent
Abbott LaboratoriesGesundheit-20 Prozent261,7 Prozent
ChubbFinanzen+7 Prozent111,6 Prozent
LindeMaterialien-8 Prozent411,5 Prozent
EcolabChemie-30 Prozent431,2 Prozent

IBM überrascht nicht nur mit einem diesjährigen Kursplus von 3 Prozent, sondern weist mit 4,8 Prozent auch die grösste Dividendenrendite auf. Das IT-Urgestein gilt seit 2021 als Dividenden-Aristokrat und ist neben Automatic Data Processing der einzige Titel aus dem Technologiesektor. Nach einer langen Durststrecke kommt IBM dank florierender Umsätze seiner Cloud-Dienste zunehmend wieder in Fahrt. Zudem ist das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat New York neben Google in der Zukunftstechnologie Quantencomputer führend. Mit einem KGV von 23 ist der Technologietitel im Branchenvergleich weiterhin günstig. 

Zu den grosszügigen Dividendenzahlern gehören traditionell die Ölförderer Exxon Mobil (3,4 Prozent) und Chevron (3,2 Prozent). Dank des stark angestiegenen Ölpreises in Folge des Ukraine-Kriegs ist auch der Aktienkurs beider Unternehmen diesjährig um mehr als die Hälfte in die Höhe geschnellt. Da die chinesische Nachfrage nach dem schwarzen Gold wieder anzieht und Russland die Produktion wegen des Import-Bannes durch den Westen reduzieren muss, sieht Goldman Sachs den Preis in den nächsten zwölf Monaten auf 135 Dollar ansteigen. Ein weiterer Preisanstieg dürfte die Aktien beider Unternehmen weiter nach oben treiben.

Coca-Cola und Gesundheitswerte im Fokus

Vom Kursverlauf enttäuschend ist hingegen NextEra Energy mit minus 17 Prozent. Das Unternehmen, das nachhaltige Energieerzeugung - Wind, Sonnenenergie und Erdgas - und Verteilungsdienstleistungen anbietet, musste im ersten Quartal wegen dem Preisanstieg beim Erdgas einen Verlust vermelden. NextEra Energy hat mit Absicherungsgeschäften 1,8 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt. Der Verlust hat das KGV auf 105 ansteigen lassen. Nichtsdestotrotz prognostiziert NextEra Energy ein Gewinnwachstum von 6 bis 8 Prozent bis 2025. Langfristig gehört der Titel auf die Kaufliste. Der Rücksetzer dürfte nur von vorübergehender Natur gewesen sein.

Die Konsumgüterindustrie bietet Anlegerinnen und Anlegern diejenigen Unternehmen, die langfristig am erfolgversprechendsten und am stabilsten sind. Produkte wie Getränke, Nahrungsmittel, Waschmittel oder Möbel werden auch in Krisen konsumiert. Mit Ausschüttungen von 1,9 bis 2,9 Prozent gehören Coca-Cola, PepsiCoColgate-Palmolive, Procter & Gamble und Walmart zu den Dividenden-Aristokraten. Insbesondere Coca-Cola, das sich seit 1989 im Aktienportfolio von Warren Buffett befindet, ist ein Garant für solides Wachstum, was sich auch im Aktienkurs (+3 Prozent) abbildet.

Von den konjunkturellen Gegenwinden unbeeindruckt sind auch AbbVie und Johnson & Johnson. Beide Titel trotzen den Marktturbulenzen mit einem Kursplus. Neben der hohen Dividendenrendite spricht für Abbvie und Johnson & Johnson auch, dass Aktien aus der Gesundheitsbranche in den vergangenen Bärenmärkte eine bessere Performance hingelegt haben als der Gesamtmarkt. Dass hingegen Abbott Laboratories mit einem deutlichen Kursverlust aus dem Raster fällt hat einen einfachen Grund: Der Konzern verzeichnete in der Pandemie Einnahmen in Multimilliarden-Dollar-Höhe mit Corona-Tests. Dieser Rückenwind ist weggefallen.

Bei Finanztiteln tun sich Gräben auf

Bei den Finanztiteln sollten Anlegerinnen und Anleger eher vorsichtig agieren. Die Aktien Investmentfirma T Rowe Price Group haben dieses Jahr um bereits 38 Prozent korrigiert, da die weltweiten Handelsaktivitäten an den Börsen stark eingebrochen sind. Trotz einem KGV von 10 ist T Rowe Price kein Kauf. Anders verhält es sich beim global agierenden Versicherungskonzern Chubb, der ein langfristig stabiles Umsatz- und Gewinnwachstum aufweist und dessen Aktien dieses Jahr 7 Prozent gewonnen haben.

Von den aufgeführten Aktien erzielt nur der Industrietitel Caterpillar ein grösseres Kursplus als Chubb oder AbbVie. Die Dividendenrendite von 2,2 Prozent ist zwar eher Mittelmass, doch dafür ist der Geschäftsausblick gut und die Bewertung mit einem KGV von 19 für einen Industrietitel eher günstig. Die Minenbetreiber fahren dank steigender Rohstoffpreise ihre Investitionen hoch, was den Bedarf nach Baumaschinen ansteigen lässt. Zudem befindet sich der US-Immobiliensektor trotz steigender Zinsen immer noch in guter Verfassung.

Unter der konjunkturellen Eintrübung gelitten haben hingegen die Aktien des Klebstoffherstellers 3M (-19 Prozent). Wegen der günstigen Bewertung und der hohen Dividendenrendite (4,1 Prozent) könnte sich aber auch hier ein Einstieg lohnen. Gleiches gilt nicht für den Industriegaseproduzenten Linde und den Hygieneproduktehersteller Ecolab. Die trotz Kursverlusten hohen Bewertungen könnten angesichts der steigenden Zinsen weiter zurückkommen.

Für Anlegerinnen und Anleger, die das Risiko von Einzelaktien nicht eingehen wollen, bietet sich der Kauf eines ETF (Exchange Traded Fund) wie dem "ProShares S&P 500 Dividend Aristocrats ETF" an. Auf globaler Ebene empfiehlt sich der "SPDR S&P Global Dividend Aristocrats UCITS ETF", wobei dort die Aufnahmekriterien weniger restriktiv sind: Ein Unternehmen muss die Dividenden für mindestens zehn aufeinanderfolgende Jahre erhöhen oder beibehalten, aber gleichzeitig eine positive Eigenkapitalrendite und einen positiven Cashflow aus der Geschäftstätigkeit aufweisen.

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