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Vergangene Nacht war es endlich soweit: Erstmals seit zwei Monaten stiess der breit gefasste S&P-500-Index wieder auf neues Rekordterrain vor. Zum Feiern dürfte den Marktakteuren in Übersee allerdings nicht zumute sein. Denn das Börsenbarometer bringt es seit Jahresbeginn gerade mal auf ein mageres Plus von 3 Prozent.

Für die erfolgsverwöhnten Aktionäre von Berkshire Hathaway fällt die Bilanz sogar noch ernüchternder aus, hat das Investmentvehikel von Warren Buffett in derselben Zeit doch sogar knapp 4 Prozent seines Börsenwerts verloren. Dabei ist der Financier doch bekannt dafür, den S&P-500-Index für gewöhnlich weit hinter sich zurückzulassen.

Vermutlich war man bei Berkshire Hathaway in den letzten Monaten schlichtweg zu zurückhaltend was den heimischen Aktienmarkt anbetrifft. Es ist kein Geheimnis, dass sich Buffett und seine Mitarbeiter gerne am Verhältnis zwischen der Börsenkapitalisierung der im S&P-500-Index vertretenen Unternehmen und der amerikanischen Wirtschaftsleistung orientieren.

Einem mir aus New York zugespielten Kommentar aus dem Hause Merrill Lynch entnehme ich, dass die Börsenkapitalisierung aktuell etwas mehr als dem letztjährigen Bruttoinlandprodukt entspricht. Auf den ersten Blick ist das nicht viel. Erhebungen der amerikanischen Grossbank zufolge liegt dieses Verhältnis allerdings um mehr als 80 Prozent über dem historischen Durchschnitt und war nur auf dem Höhepunkt der Technologie-Hausse von Ende der 1990er-Jahre noch höher als heute.

Dennoch raten die Verfasser im Kommentar davon ab, sich blindlings auf diese Bewertungsgrösse zu verlassen. Zum einen werde das Verhältnis zwischen der Börsenkapitalisierung und der Wirtschaftsleistung den strukturell höheren Gewinnmargen der Unternehmen nicht gerecht. Die Fremdkapitalkosten vieler Firmen seien heute deutlich tiefer als noch vor einigen Jahren. Dasselbe gelte für die Steuerbelastung. Zum anderen habe sich die Branchenzusammensetzung des S&P-500-Index verändert. Diese gebe nicht mehr jene der amerikanischen Wirtschaft wieder, so die Experten.

Für sie steht deshalb fest, dass das Verhältnis zwischen der Börsenkapitalisierung der im S&P-500-Index berücksichtigten Unternehmen und dem amerikanischen Bruttoinlandprodukt mit Vorsicht genossen werden muss. Unter Miteinbezug weiterer Bewertungskennzahlen wie dem Verhältnis zwischen dem Aktienkurs und dem Buchwert oder dem operativen Cashflow je Aktie machen sie in den Sektoren Energie, Informationstechnologie und Telekommunikation das grösste Aufwärtspotenzial aus. Als teuer wird hingegen der Detailhandelssektor bezeichnet.

Die Strategiestudie von Merrill Lynch hat mich neugierig gemacht. Eigenen Berechnungen zufolge wird der Swiss Performance Index sogar mit der zweifachen für das laufende Jahr geschätzten Wirtschaftsleistung bewertet. Im historischen Vergleich steht unser heimischer Aktienmarkt allerdings etwas besser da als die amerikanische Leitbörse, liegt das Verhältnis doch nur 25 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

Dennoch muss man realistisch bleiben: An anderen Bewertungsgrössen gemessen ist auch der Schweizer Aktienmarkt nicht mehr günstig. Ausserdem wird er sich einem Rückschlag an der Leitbörse in New York vermutlich nicht entziehen können. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt in den nächsten Wochen daher Letzterer.

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Es ist Sommer in Europa. Nachdem sich ein Kollaps des hochverschuldeten Griechenlands in letzter Minute mit einem Kompromiss mit den Gläubigern abwenden liess, scheint auch an den europäischen Aktienmärkten wieder die Sonne.

Zumindest bei Kepler Cheuvreux rechnet man über die nächsten Wochen noch einmal mit kräftig anziehenden Kursnotierungen. Der für das Cross Asset Research tätige Stratege hält beim EuroStoxx-50-Index einen Anstieg bis auf 4000 Punkte für möglich, was einem Aufwärtspotenzial von knapp 9 Prozent entspräche.

Mit dem Treffen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank von Mitte September werde sich das Fenster für eine weitere Neubeurteilung und -bewertung der Aktienmärkte dann allerdings schliessen, so der Experte. Er befürchtet einen Rückschlag, sollten sich die Verantwortlichen tatsächlich zu einer Leitzinserhöhung durchringen. Das grösste Rückschlagspotenzial macht der Aktienstratege bei den Papieren wachstumsstarker Unternehmen aus. Diese seien es nämlich, die den jüngsten Anstieg an den europäischen Börsen angeführt hätten.

Unser Schweizer Aktienmarkt wird bei Kepler Cheuvreux weiterhin mit "Underweight" eingestuft und im Modellportfolio untergewichtet. Das dürfte mit dem hierzulande hohen Anteil von Aktien aus den als defensiv geltenden Sektoren Nahrungsmittel und Pharma zusammenhängen. Denn diese stehen schon seit längerer Zeit nicht sonderlich hoch in der Gunst des verantwortlichen Aktienstrategen.

Ich bleibe jedenfalls weiterhin bei meiner eher vorsichtigen Haltung für die europäischen Aktienmärkte. Gefahren sehe ich, wie schon vor meinen Ferien, vor allem von der Börse in New York ausgehen.
 

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