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Es ist kein Geheimnis, dass sich Geduld und Beharrlichkeit auch an den Aktienmärkten bezahlt macht. Allerdings wurde den hiesigen Marktakteuren von beidem sehr viel abverlangt, bis der Swiss Market Index (SMI) wieder neue Rekorde schreiben würde. Vor wenigen Tagen war es nun aber endlich soweit und das Börsenbarometer stieg über die bisherige Bestmarke vom Februar letzten Jahres bei 11'270 Punkten.

Zur Erinnerung: In New York konnte der viel beachtete S&P-500-Index schon im vergangenen August wieder zum Stand aus der Zeit, unmittelbar bevor das Covid-19-Virus von Wuhan aus seine unheilvolle Reise rund um den Globus antrat, aufschliessen.

Und selbst beim Deutsche Aktienindex (DAX) reiht sich bereits seit Ende Dezember wieder ein Rekordhoch ans nächste. Da es sich beim SMI – anders als beim DAX – um einen sogenannten Preisindex handelt, müsste man allerdings den SMI mit Dividenden-Korrektur (SMIC) hinzuziehen. Ansonsten vergleicht man Äpfel mit Birnen. Der SMIC schreibt seit Mitte Januar neue Rekorde.

Was die besagten Rekorde anbetrifft, gibt sich zumindest der im Mandat für die UBS tätige Markttechnikexperte Michael Riesner überraschend skeptisch. Vielmehr sieht er darin eine Falle für die Marktakteure. Deshalb rät der bekannte Experte entschieden davon ab, den steigenden Kursen hinterher zu eilen. Den SMI sieht Riesner im Laufe des Junis gegebenenfalls sogar in die Region von 10'600 Punkten zurückfallen, was ziemlich schmerzhaft wäre.

Spannend ist, dass der Markttechnikexperte zwar die zahlreichen negativen Divergenzen, nicht aber die zuletzt dünnen Handelsaktivitäten anspricht – wobei der gestrige Donnerstag eine Ausnahme war. Aufgrund eines sogenannten Rebalancing bei den viel beachteten Aktienindizes von MSCI zogen die Umsätze im späten Handel kräftig an. Wie man in den Handelsräumen von Mirabaud Securities festhält, war das insbesondere bei Aktien wie Logitech, Medacta, Ems Chemie, Schindler, Roche, Nestlé und Partners Group der Fall. Ausserdem dürften die besagten Umstellungen an diesem Tag für das Kursfeuerwerk beim Börsendebütanten Montana Aerospace verantwortlich gewesen sein.

Ansonsten fühlt es sich in diesen Tagen eher an, als ob die Börse zu einer rauschenden Feier lädt, und sich trotzdem kaum Gäste dorthin verirren. Etwa weil sie schon positioniert sind?

Auffällige Kursavancen beim Börsenneuling Montana Aerospace (Quelle: www.cash.ch)

Am Mittwoch stieg der Kurs der Nestlé-Aktien in der Spitze bis auf 112,72 Franken und schrammte damit knapp an der bisherigen Bestmarke vom September 2019 bei 113,20 Franken vorbei. Seither bekunden die Valoren des Nahrungsmittelmultis aus Vevey wieder Mühe.

Von den drei Indexschwergewichten befinden sich eigentlich nur Nestlé in greifbarer Nähe zu den Höchstkursen. Die Genussscheine von Roche trennen 12 Prozent vom Rekordhoch, die Aktien von Platzrivale Novartis sogar ganze 17 Prozent.

Zum Thema Novartis schrieb ich am Montag:

...und...

Dass der augenfällige "Écart" zwischen den Inhaberaktien und den Genussscheinen von Roche kaum Wellen wirft, überrascht mich schon etwas. Am Mittwochnachmittag wurden die Inhaberpapiere in der Spitze gar mit einem Aufschlag von fast 9 Prozent zu den Genussscheinen gehandelt.

Ich weiss nicht ob ich eigentlich der einzige bin, der sich da an die Ära zurückerinnert fühlt, als sich der berüchrtigte Financier Martin Ebner in den Inhaberaktien – und nur in den Inhaberaktien – tummelte. Ich werde jedenfalls das Gefühl nicht los, dass sich bei Roche etwas Grosses anbahnt. Die Frage ist, was bloss...? Denn obwohl die Einführung einer Einheitsnamenaktie und somit eine Abkehr von der angestaubten Kapitalstruktur eigentlich längst überfällig ist, wird die Aktionärsgruppe rund um die Gründerfamilien Oehri-Hoffmann wohl kaum Hand hierfür bieten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese freiwillig auf einen Teil ihrer Stimmrechte verzichten. Zudem müsste ein solcher Schritt dem Genussschein und bestimmt nicht der Inhaberaktie Auftrieb geben.

Es sind allerdings gerade Ideen wie diese, mit denen sich die Valoren von Roche endlich aus ihrem Kurs- und Stimmungstief befreien liessen – was wiederum auch im Interesse der Grossaktionäre sein müsste. Harren wir deshalb doch der Dinge, die da kommen mögen.

Kursentwicklung der Roche Inhaberaktien (grün) im Vergleich mit jener der Genussscheine (rot) (Quelle: www.cash.ch)

Über lange Monate hinweg war die Abspaltung von Applicator Systems bei Sulzer ein allgegenwärtiges Thema. Firmenchef Greg Poux-Guillaume liess keine Gelegenheit aus, um auf Vorteile eines solchen Schritts zu sprechen zu kommen. Noch sei ein definitiver Entscheid dazu nicht gefallen, wurde er übers Wochenende zitiert.

Nun ging alles plötzlich ganz schnell: Seit gestern Donnerstag ist bekannt, dass Sulzer-Aktionäre für jede eigene Aktie eine von Applicator Systems zugeteilt erhalten. Die Sparte soll unter dem Namen Medmix als eigenständiges Unternehmen an die Börse kommen.

Die eigentliche Überraschung – neben dem Zeitpunkt der Ankündigung – ist aber vor allem die geplante Kapitalerhöhung in Höhe von 200 bis 300 Millionen Franken unter Ausschluss von Bezugsrechten für die bisherigen Aktionäre. Aktionärsfreundlich ist anders...

Spannende Einblicke erhoffe ich mir übrigens vom Investorentag vom 15. Juni. Letzterer steht in diesem Jahr nämlich auch unter dem Motto Applicator Systems.

Abspaltungsspekulationen gibt es auch bei der Credit Suisse. Und das eigentlich schon, seit die Grossbank im Zuge der Greensill-Affäre die Asset-Management-Aktivitäten in einer eigenständigen Sparte überführt hat.

Neu ist hingegen, dass mit Amit Goel von der britischen Barclays erstmals ein Bankenanalyst mit Zahlenmaterial zu einer möglichen Abspaltung dieses Geschäftszweigs aufwartet. Er selber geht davon aus, dass es sich bei der Schliessung von vier Supply-Chain-Finance-Fonds um eine einmalige Sache handelt. Bei den übrigen Fonds aus der Palette des Asset Management der Credit Suisse seien die Risiken geringer.

Seinen Berechnungen zufolge würde ein Spartenverkauf die Kernkapitalquote der Grossbank um 100 bis 200 Basispunkte stärken. Sollte der Verkaufserlös über ein Aktienrückkaufprogramm an die Aktionäre zurückgeführt werden, könnte sein mit 12,50 (zuvor 12) Franken beziffertes Kursziel um 5 bis 20 Prozent zu tief angesetzt sein. Er preist die Aktien deshalb wie bis anhin mit "Overweight" zum Kauf an.

Eigentlich könnte der Zeitpunkt für einen Verkauf des Asset Management besser kaum sein – wären da nicht die hausgemachten Probleme rund um die Greensill-Affäre. Ob eine rasche Abspaltung tatsächlich im Sinn der Aktionärinnen und Aktionäre ist, darf angezweifelt werden.

Bleibt zu hoffen, dass sich die Grossbank unter ihrem neuen Verwaltungsratspräsidenten nicht vor dessen Strategie-Update zu einer Verzweiflungstat verleiten lässt.

Weiterhin Geduld wird auch den Aktionärinnen und Aktionären von Zurich Insurance abverlangt. Seit dem Dividendenabgang von Anfang April dümpeln die Aktien lustlos vor sich hin. Selbst ein ziemlich ordentlicher Zwischenbericht fürs erste Quartal verschaffte kurz Linderung – mehr dann aber auch nicht.

Als ob die Papiere der Versicherungsgruppe nicht sonst schon einen schweren Stand hätten, streicht Merrill Lynch sie nun auch noch von der viel beachteten "Europe 1 List". Das hat weniger firmenspezifische, als vielmehr technische Gründe, fallen sie doch der 12-Monats-Klausel zum Opfer. Will heissen: Aktien verbleiben nicht länger als für eine Frist von 12 Monaten auf der Favoritenliste – und scheiden dann automatisch aus. Ansonsten ändert sich weder an der "Buy" lautenden Anlageempfehlung noch am Kursziel von 440 Franken etwas.

Mitte April ging ich der Frage nach, wie lange es für gewöhnlich dauert, bis die Aktien von Zurich Insurance den Dividendenabgang wieder wettgemacht haben. Das ernüchternde Ergebnis: Das kann manchmal ganz schön dauern.

Lassen wir uns doch überraschen, wie die Papiere kommende Woche so abschneiden. Mehr zum Thema nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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