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Es ist kein Zufall, dass am späten Freitagnachmittag ausgerechnet Aktien von Schweizer Unternehmen mit einem hohen Umsatzbeitrag aus Nordamerika unter Verkaufsdruck gerieten. Ich denke da etwa an das Ophthalmologieunternehmen Alcon (-4 Prozent) oder aber an den Halbleiterausrüster VAT Group (-3 Prozent).
Geradezu unter die Räder gerieten an der Börse auch der Unterhaltungselektronikspezialist Logitech (-4 Prozent) sowie der Sensorenhersteller AMS Osram (-5 Prozent) – und das nicht ohne Grund. Diese beiden Unternehmen produzieren einen Teil der für die USA gedachten Produkte in China, weshalb sie besonders stark von der Eskalation im Handelsstreit zwischen Washington und Peking betroffen wären. Gleichzeitig setzten beim Schwergewicht Nestlé schon sehr früh «Safe-Haven»-Käufe ein.
Rückblickend gab es übrigens schon am frühen Freitagmorgen erste Warnsignale – hätte man denn genauer hingeschaut. Einem Kommentar aus den Handelsräumen der UBS etwa war zu entnehmen, dass sich chinesische Broker urplötzlich weigerten, die Aktien des dortigen Halbleitergiganten SMIC zu belehnen und die Belehnungsobergrenze kurzerhand auf Null zusammenstrichen. Die für die Grossbank tätigen Autoren vermuteten darin richtigerweise Anhaltspunkte für eine Neuauflage des Handelsstreits zwischen den USA und China.
Wildes Hin-und-Her bei den Aktien von AMS Osram (Quelle: www.cash.ch)
Auch bei den Kryptowährungen gab es schon Auffälligkeiten, noch bevor der amerikanische Präsident Donald Trump über die sozialen Medien mit Vergeltungsmassnahmen drohte und wenig später mit der «Strafzoll-Keule» um sich schwang. Ab Anfang November sollen Importe aus China mit zusätzlichen Strafzöllen von 100 Prozent (!!!) belegt werden.
Am Donnerstagabend war durchgesickert, dass Peking die Exportrestriktionen für seltene Erden und weitere kritische Rohstoffe nochmals verschärfen würde. Eigentlich hätten schon diese Schlagzeilen hellhörig machen und Vergeltungsmassnahmen erwarten lassen sollen.
Es scheint, als würden gut informierte Kreise an den Finanzmärkten immer wieder kleine, fiese Spielchen spielen. Dass die Politik in Washington es nicht so genau mit Indiskretionen nimmt und nicht eben wenige Politiker darauf abgestützt Börsengeschäfte tätigen, ist ein offenes Geheimnis. Wer sich diesmal am Freitag im späten Handel von Aktien trennte, dürfte sich mittlerweile allerdings hintersinnen. Da Trump gegenüber China bereits wieder versöhnlichere Töne anschlägt, erholen sich viele der genannten Papiere heute Montag prächtig. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Panik ist bei Börsengeschäften oft ein ziemlich schlechter Ratgeber...
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Mit dem milliardenschweren Verkauf des Robotik-Geschäfts an die japanische Softbank weist die schweizerisch-schwedische ABB ihre Kritiker und Zweifler einmal mehr gekonnt in die Schranken. Ursprünglich sollte der Geschäftszweig im Laufe des nächsten Jahres als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden. Mit etwas mehr als 5 Milliarden Dollar liegt der Verkaufserlös weit über den von Analysten erwarteten 3 bis 3,5 Milliarden Dollar.
Dass die Aktien nur kurz auf über 60 Franken und damit auf neues Rekordterrain vorstossen konnten, lässt sich übrigens mit dem zuvor starken Lauf der Aktien sowie mit der starken Kursbilanz seit Jahresbeginn (+20 Prozent) erklären. Ausserdem ist in den französischen Medien seit Freitag davon die Rede, dass ABB in den vergangenen zwei Monaten um den Rivalen Legrand gebuhlt habe. Die Pläne seien allerdings sowohl beim Unternehmen selbst als auch in der französischen Politik auf Widerstand gestossen und wieder beerdigt worden.
Die Aktien von ABB zählen zu den diesjährigen SMI-Gewinnern (Quelle: www.cash.ch)
Zu den Zweiflern des schweizerisch-schwedischen Industrie-Urgesteins zählt auch Analyst Gael de-Bray von der Deutschen Bank. Er nimmt den Verkauf des Robotik-Geschäfts zum Anlass, um das Aktienkursziel auf 49 (zuvor 47) Franken zu erhöhen. An seiner Verkaufsempfehlung hält der Analyst wenig überraschend fest.
Es ist bereits die zweite Kurszielanhebung de-Brays innerhalb weniger Wochen. Neugierig wie ich bin, habe ich kurz in meinen Unterlagen nachgeschaut: Die Verkaufsempfehlung geht auf Mitte April zurück, als noch Kurse um die 40 Franken bezahlt wurden. Ursprünglich lautete das Kursziel denn auch 41 Franken. Seither hat der Deutsche-Bank-Analyst dieses in mehreren Schritten von jeweils nur ein paar Franken nach oben genommen – auch als «Salami-Taktik» geläufig.
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1 Kommentar
Beim Sell-out am Freitag kurz vor Börsenschluss selektiv (Alcon u.a.) zuzugreifen, war wohl keine schlechte Idee. Buy the deep...