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Ein scheuer Blick auf die Liste der Wochengewinner zeigt, wo bei uns am Schweizer Aktienmarkt momentan die Musik spielt. Neben Spezialsituationen wie Mobilezone (+8 Prozent) – die Elektronikkette trennte sich gestern Donnerstag von ihrem Deutschland-Geschäft – sind einmal mehr die «üblichen Verdächtigen» weit oben auf dieser Liste zu finden. Ich denke da etwa an den (teilweisen) Rüstungszulieferer Cicor (+14 Prozent), den Tiefbauspezialisten Implenia oder auch den Trafohersteller R&S Group (beide +7 Prozent). Sie alle bedienen beliebte Themen, seien das nun die geplanten Infrastrukturinvestitionen, die militärische Aufrüstung Europas oder aber der Bau grosser neuer Rechencenter.
Gemeinsam mit ABB konnten Cicor und Implenia in den letzten Tagen sogar neue Kursrekorde schreiben – wobei das schweizerisch-schwedische Industrie-Urgestein überraschte mit dem Verkauf des Robotik-Geschäfts nach Japan. Käuferin ist – wie könnte es auch anders sein – das übernahmehungrige Investment-Vehikel Softbank. Die Transaktion bewertet den Geschäftszweig mit 5,4 Milliarden Dollar oder dem 19-fachen des für dieses Jahr erwarteten operativen Gewinns (EBITA).
Der Höhenflug der Cicor-Aktien seit Januar fällt geradezu beeindruckend aus (Quelle: www.cash.ch)
Ursprünglich sollte das Robotik-Geschäft im kommenden Jahr als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden. Als ABB im vergangenen Mai entsprechende Pläne ankündigte, ging man in Analystenkreisen von einem Erlös zwischen 3 und 3,5 Milliarden Dollar aus. Softbank zahlt nun zwar deutlich mehr für den besagten Geschäftszweig, dafür fliesst das Geld etwas später als ursprünglich gedacht. Unter dem Strich sind die Neuigkeiten dennoch erfreulich.
Dass die Börse eher unterkühlt darauf reagierte, lässt sich übrigens mit dem zuvor starken Lauf der Aktien sowie mit der starken Kursbilanz seit Jahresbeginn (+20 Prozent) erklären. Ausserdem ist in den französischen Medien davon die Rede, dass ABB in den vergangenen zwei Monaten um den Rivalen Legrand buhlte. Die Pläne seien allerdings sowohl beim Unternehmen selbst als auch in der französischen Politik auf Widerstand gestossen und wieder beerdigt worden.
Eine kalte Dusche gab es gestern Donnerstag für diejenigen Marktkreise, welche bei U-blox auf eine Angebotsnachbesserung oder eine Gegenofferte spekulierten. In einer Mitteilung an die Medien schloss Advent International eine Nachbesserung des Barangebots in Höhe von 135 Franken je Aktie aus. Auch eine Verlängerung der mittlerweile abgelaufenen Andienungsfrist sei nicht vorgesehen, wie es weiter heisst. Tags zuvor hatte Bloomberg noch berichtet, dass sich mit Janus Henderson ein bedeutender Aktionär mit seinem Fünf-Prozent-Paket gegen die Übernahme stemme.
Anders als der Bloomberg-Artikel verfehlte die Medienmitteilung ihre Wirkung nicht. Zeitweise fiel der Kurs der U-blox-Aktien auf weniger als 126 Franken und damit klar unter die Barofferte. Zu meinem Erstaunen übten sich die Arbitrageure in vornehmer Zurückhaltung, blieb es auf der zweiten Handelslinie doch überraschend ruhig. Für gewöhnlich lässt sich diese Anlegespezies nicht lange bitten.
Schon als sich vor gut vier Wochen mit Sand Grove ein oppositioneller Hedgefonds bei U-blox einnistete, begegnete ich der Beteiligungsnahme mit folgenden Worten:
Das seit wenigen Stunden vorliegende Ergebnis des Übernahmeangebots scheint mir letztendlich Recht geben zu wollen. Im Laufe der Angebotsfrist wurden Advent International gut 61 Prozent der Aktien angedient. Die Eigenbestände aufgerechnet, hält der Finanzinvestor somit knapp 65 Prozent der Stimmen. Dass die Amerikaner bis Ende Oktober die Zweidrittelshürde erreichen oder übertreffen werden, gilt spätestens jetzt als sehr wahrscheinlich. Eine Gegenofferte ist damit wohl vom Tisch.
Kommen wir an dieser Stelle auf Amrize zu sprechen. Die Analysten von Wells Fargo nehmen die Erstabdeckung der Aktien mit «Buy» und einem Kursziel von 57 Franken auf – wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob beim Kursziel wirklich Franken und nicht Dollars gemeint sind.
Mir erscheint der Zeitpunkt für diese Kaufempfehlung klug gewählt, notieren die Valoren des ehemaligen Nordamerika-Geschäfts von Holcim mittlerweile doch in etwa wieder auf dem Stand von Mitte August. Damals waren der SIX Swiss Exchange millionenschwere Titelkäufe gemeldet worden. Insgesamt lachten sich nicht namentlich bekannte Mitglieder der Geschäftsleitung Aktien im Gesamtwert von mehr als 42 Millionen Franken an – einmal zu Kursen zwischen 37,40 und 37,70 Franken und später zu Kursen zwischen 38,40 und 38,80 Franken.
Kursbilanz der Aktien von Amrize seit der Abspaltung von Holcim (Quelle: www.cash.ch)
Ich äusserte bei dieser Gelegenheit folgende Vermutung:
Wichtiger als die Identität des damaligen Käufers ist für mich die Erkenntnis, dass man Kurse zwischen 37,40 und 38,80 Franken in der Chef-Etage von Amrize allem Anschein nach für attraktiv hält und Mitte August ein klares Zeichen setzte. Was gibt es aus Aktionärssicht besseres, als wenn das Management mit zig Millionen von Franken mit an Bord ist...?
In welchem Umfang der neue Nestlé-Chef Philipp Navratil Aktien am eigenen Unternehmen hält, ist nicht bekannt. Meine Vermutung: In all den Jahren seiner beruflichen Tätigkeit für den Nahrungsmittelmulti aus Vevey dürfte da schon ein schönes Paket zusammengekommen sein.
Nächsten Donnerstag wartet Nestlé frühmorgens mit den Neunmonatsumsatzzahlen auf. Dann zeigt sich, ob der für die UBS tätige Analyst Guillaume Delmas mit seiner Annahme richtig liegt. Kürzlich sagte er dem Nahrungsmittelmulti ein erfreuliches drittes Quartal nach. Während seine Berufskollegen durchschnittlich von einem organischen Umsatzwachstum von 3,7 Prozent ausgehen, prognostiziert er dank einer positiven Mengenentwicklung ein Wachstum von 4,1 Prozent. Nichtsdestotrotz stuft er die Aktien wie bis anhin bloss mit «Neutral» und einem Zwölf-Monats-Kursziel von 80 Franken ein.
Seine Berufskollegin Sarah Simon bei Morgan Stanley kommt sogar nur auf ein Kursziel von 72 (zuvor 71) Franken. An ihrer «Underweight» lautenden Verkaufsempfehlung hält sie im Vorfeld der Veröffentlichung der Neunmonatsumsatzzahlen unbeirrt fest. Für Gesprächsstoff sorgt ihr Ausblick auf den kommenden Donnerstag nicht zuletzt auch aufgrund ihrer «Bear-Case»-Berechnungen. Den darauf basierenden Annahmen zufolge hält die Analystin gar Kurse von nur 56 (zuvor 55) Franken für möglich.
Allerdings dürfte der neue Nestlé-Chef gleich mehrere Pfeile im Köcher haben, um hier entschieden entgegenzuhalten. Ich denke da etwa an das L'Oréal-Paket, welches sich zwecks Schuldenabbau und Rückkauf eigener Aktien jederzeit zu Geld machen liesse. Aus meiner Sicht sind die «Bear-Case»-Berechnungen vor allem eines: Reine Effekthascherei.
Ein Lebenszeichen gab es diese Woche von Medmix. In einer Medienmitteilung liess das Medizinaltechnikunternehmen die Öffentlichkeit wissen, dass ein neuer Grossauftrag eingegangen sei und dieser ab dem kommenden Jahr «in signifikanter Weise» zur Umsatzentwicklung beitragen werde. Doch nicht nur in China, auch in Südamerika seien die Produktionskapazitäten jüngst ausgebaut worden, wie es weiter heisst.
Dass sich die ehemalige Sulzer-Tochter ausgerechnet jetzt zu Wort meldet, ist womöglich kein Zufall. Denn die Medmix-Aktien befanden sich in den vergangenen Wochen beinahe im freien Fall und notieren auch jetzt nur unwesentlich über dem Rekordtief vom Dezember letzten Jahres. Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, traue ich dem Unternehmen unter seinem neuen Firmenchef René Willi auch weiterhin einen erfolgreichen Turnaround zu. Zugegeben: Genauer quantifiziert wird der neue Grossauftrag zwar nicht. Für die lange erhoffte Wachstumsbelebung dürfte dennoch gesorgt sein.
Mit Blick auf die kommende Woche gilt mein persönliches Interesse ganz klar den Neunmonatsumsatzzahlen bei Nestlé. Je nachdem, ob und was Firmenchef Philipp Navratil an diesem Tag sonst noch aus dem Hut zaubert, hat das Schwergewicht das Zeug, den Gesamtmarkt zu bewegen. Doch auch von den zahlreichen anderen Zahlenkränzen erhoffe ich mir wertvolle Anhaltspunkte in Bezug auf das dritte Quartal und den weiteren Jahresverlauf. Mehr zum Thema am nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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2 Kommentare
Amrize Kursziel ist in USD.
Super. Vielen Dank. Ich hatte das noch vermutet :-)