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Noch bis vor wenigen Tagen sassen die Leerverkäufer mit ihren Wetten gegen DocMorris fest im Sattel. In Deutschland muss sich die Versandapotheke im zukunftsträchtigen Geschäft mit elektronischen Medikamentenrezepten gegen übermächtige Gegenspieler behaupten. Insbesondere die finanzstarke Erzrivalin Redcare Pharmacy macht ihr das Leben schwer. Der Wettbewerb kostet nicht nur viel Kraft – er geht auch ganz schön ins Geld.
Das wissen auch die Leerverkäufer. Und sie wissen, dass die Zeit bei DocMorris für sie spielt. Da das Geschäft mit elektronischen Medikamentenrezepten nur langsam Fahrt aufnimmt und hohe Promotionskosten verursacht, ist die Gewinnschwelle nicht mehr in ganz so greifbarer Nähe wie gedacht. Im Herbst nächsten Jahres wird eine Wandelanleihe zur Rückzahlung fällig. Deshalb lautet die Frage nicht ob, sondern vielmehr wann die Versandapotheke die Aktionärinnen und Aktionäre um neues Geld bitten muss.
In Erwartung einer weiteren Kapitalerhöhung spekulieren die Leerverkäufer mittlerweile mit fast jeder zweiten ausstehenden Aktie auf rückläufige Kurse. Vermutlich sind die Wetten etwas weniger üppig, dürfte ein Teil dieser Titel den Wandelanleihegläubigern doch zur Absicherung ihrer Aktienkursrisiken dienen – in Börsenkreisen auch als «Delta-Hedge» bekannt.
Der Kurszerfall bei den Aktien von DocMorris spielte den Leerverkäufern zuletzt in die Hände (Quelle: www.cash.ch)
Ab dem morgigen Donnerstag könnte den Leerverkäufern nun aber ein wilder Ritt bevorstehen. Für dann erwartet der für die Zürcher Kantonalbank tätige Analyst Gian Marco Werro nämlich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Rechtsstreit zwischen der Apothekerkammer Nordrhein und DocMorris. Im Oktober war bekannt geworden, dass der zuständige Generalanwalt es für rechtmässig hält, wenn Apotheken die Einlösung von elektronischen Medikamentenrezepten mit Gutscheinen für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente oder Kosmetikprodukte bewerben – was zumindest nach deutschem Recht eigentlich verboten ist.
Ich selber bin mir nicht ganz sicher, ob der Entscheid nicht schon gefallen ist. Neugierig wie ich bin, habe ich mich eben noch kurz schlau gemacht. Dabei bin ich auf der Webseite der von DocMorris beauftragten Rechtskonsulent Raue darüber gestolpert, dass das Urteil zu Gunsten der Versandapotheke ausgefallen sei – wobei im Beitrag von einem Entscheid des Bundesgerichtshofs und nicht des Europäischen Gerichtshofs die Rede ist. Falls ja, bin ich mir mit Blick auf die Kursentwicklung nicht sicher, ob diese Neuigkeit schon bis an die Börse durchgedrungen ist. Wie dem auch immer sein mag - in einem Punkt ändert sich meines Erachtens nichts: Die Aktien von DocMorris dürften weiterhin ein Spielball von Spekulanten unterschiedlichster Couleur bleiben.
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Gestern Dienstag gingen die Aktien von Novartis erstmals wieder bei über 100 Franken aus dem Handel. Doch die Freude der Aktionärinnen und Aktionäre hierüber sollte nicht von Dauer sein. Denn die Sandoz-Familienstiftung trennt sich von 26,5 Millionen Aktien aus den eigenen Beständen. Wie mir aus Bankenkreisen berichtet wird, wurden die besagten Titel mittlerweile zu 98,25 Franken je Stück bei institutionellen Investoren untergebracht.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte bereits am Dienstagabend Wind davon bekommen und darüber berichtet. Zu diesem Zeitpunkt war die Schweizer Börse zwar schon geschlossen. Bei den in New York gehandelten Novartis-Titel liess die Kursreaktion allerdings nicht lange auf sich warten. Innerhalb nur weniger Minuten fiel ihr Kurs von 113 auf unter 110 Dollar. Aus dem Handel gingen sie dann sogar bei 109 Dollar – was einer rechnerischen Parität von 96,50 Franken entspricht.
Für die Novartis-Aktien geht es am heutigen Mittwoch nach unten (Quelle: www.cash.ch)
Ich bin nicht erstaunt, wenn Platzierungspläne wie im vorliegenden Fall zeitnah in die Medien durchsickern. Schliesslich werden die zum Verkauf kommenden Aktien institutionellen Investoren feilgeboten. So etwas spricht sich in Börsenkreisen dann oft wie ein Lauffeuer herum. Auch die Platzierung des Teilpakets durch die Sandoz-Familienstiftung überrascht eigentlich nicht. Zum einen werden der Grossaktionärin schon seit Jahren immer wieder Verkaufsabsichten nachgesagt, und zum anderen hatten die Aktien von Novartis zuletzt einen guten Lauf.
Unter Firmenchef «Vas» Narasimhan scheint das Pharmaunternehmen aus Basel in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht zu haben. Das wurde von der Börse zur Kenntnis genommen und mit Kursgewinnen belohnt. Nun steht Novartis im Hinblick auf den Ablauf des Patentschutzes bei umsatzstarken Medikamenten wie Gilenya oder Entresto jedoch eine etwas schwierigere Phase bevor. Deshalb sehe ich in der Aktienplatzierung vorerst keine Kaufgelegenheit.
Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar. |
4 Kommentare
Braucht Sandoz das Geld aus dem Novartis-Paket, um sich DocMorris zu kaufen?
Das ergäbe doch eigentlich einen Sinn.
Lieber Nachdenker
Verkäufer des Novartis-Pakets ist nicht das Unternehmen Sandoz, sondern die Stiftung der Familie Sandoz (frühere Sandoz-Eigentümer vor der Fusion mit Ciba Geigy).
Die Wandelanleihe im Herst 2026 - also noch recht weit weg - wird einfach durch eine neue ersetzt werden. Es wird für DocMorris dann auch billiger, das die benannte Anleihe über 6 % Zinsen hat. Wenn eine Anleihe die nächste ersetzt, spricht man doch nicht von Kapitalerhöhung.
Lieber Neu-Orakel
Die Überlegung ist nicht falsch. Gut möglich, dass DocMorris einfach einen neuen Wandler auflegt. Falls ja, wäre das Wandelverhältnis allerdings deutlich tiefer als bei der jetzigen Anleihe. Sprich: Die Anzahl neu geschaffener Aktien im Falle einer Wandlung wäre um einiges höher - und damit auch der Verwässerungseffekt für die übrigen Aktionäre. Die Frage ist, was sich auf dem derzeit gedrückten Kursniveau besser platzieren liesse - ein neuer Wandler oder neue Aktien. Auch solche Dinge muss die Versandapotheke bei ihrem Entscheid berücksichtigen.