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Die letzten fünf Monate bescherten nicht nur uns "Normalsterblichen" schmerzhafte Kursverluste. Auch die Profis bei den Banken blieben nicht davor verschont, wie ich gestern Mittwoch in meiner Kolumne berichtet habe. Egal ob Vontobel, Zürcher Kantonalbank, UBS oder auch Kepler Cheuvreux – sie alle liegen mit ihren Schweizer Aktienfavoriten für 2022 durchschnittlich zwischen 10 und 16 Prozent im Minus. Dem steht ein um gut 9 Prozent tieferer Swiss Performance Index (SPI) gegenüber.

So schneiden die «heissen» Aktien-Tipps der Banken für 2022 nach fünf Monaten ab

Selten zuvor war das hiesige Börsengeschehen launischer, schien das Risiko bei der Titelauswahl kostspielige Fehler zu begehen grösser. Da weiss auch ich mit meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2022 ein Lied von singen. Mit einem Minus von 7,7 Prozent seit Ende Dezember schneiden die 10 Aktien nur unwesentlich besser als der SPI ab.

Unter uns gesagt: Eigentlich war es Vermögensverwaltern und Fondsmanagern in den vergangenen Jahren ein Leichtes, den breiten Schweizer Aktienmarkt zu schlagen – sofern sie denn frei in ihrer Titelwahl waren. Wenn es nämlich so etwas wie ein Erfolgsrezept gab, dann jenes, einen grossen Bogen um die Valoren von Nestlé, Roche und Novartis zu machen und stattdessen auf jene aufstrebender Wachstumsunternehmen wie etwa Straumann oder die Partners Group zu setzen.

Dieses Erfolgsrezept ging solange auf, wie Millionen und Abermillionen von Franken aus den als "träge" und "langweilig" verschrieenen Indexschwergewichten in die bis dahin frenetisch gefeierten Wachstumsaktien flossen. Schon seit vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine fliessen die Gelder internationaler Grossinvestoren wieder in die entgegengesetzte Richtung. Sprich: Während die Valoren von Straumann, Partners Group und Co in den letzten fünf Monaten Federn lassen mussten, schnitten jene von Nestlé, Roche und Novartis dank ihrer defensiven Qualitäten deutlich besser ab.

Bilanz der letzten Jahre

JahrAktienfavoritenSPI
2013+40,1 Prozent+23,9 Prozent
2014+11,4 Prozent+15,2 Prozent
2015+  4,1 Prozent+  2,4 Prozent
2016-   3,7 Prozent-   1,7 Prozent
2017+23,6 Prozent+20,1 Prozent
2018- 19,1 Prozent-   8,8 Prozent
2019+25,4 Prozent+30,6 Prozent
2020+  9,8 Prozent+  3,1 Prozent
2021+10,0 Prozent+23,4 Prozent
2022*-   7,7 Prozent-   9,1 Prozent

* Kurse vom 31. Mai 2022

Ziemlich genau vier Wochen ist es nun her, dass ich in diesem Zusammenhang folgendes festhielt:

...und...

Seither haben die Aktien von Nestlé gut 6 Prozent verloren, die Genussscheine von Roche gar 9 Prozent. Einzig die Valoren von Novartis wussten sich zu behaupten. Die Kursverluste bei zwei der drei Indexschwergewichte dürfte vielen Fondsmanager und Vermögensverwaltern zwar geholfen haben, etwas Boden gegenüber dem Gesamtmarkt gutzumachen. Mehr denn aber auch nicht.

In den Handelsräumen hiesiger Banken war jüngst vor allem der milliardenschwere Abfluss von Geldern aus Aktienfonds ein heiss diskutiertes Thema. Von einer Flucht aus Aktien war dabei die Rede, was, wie Erhebungen der Bank of America zeigen, völlig übertrieben ist. Der amerikanischen Investmentbank zufolge flossen für jede 100 Dollar, die zuvor ab Januar 2021 unter dem Strich in Aktienfonds investiert wurden, in den letzten Wochen keine 4 Dollar wieder ab. Eine "Flucht aus Aktien" sieht für mich jedenfalls anders aus...

Aktuelle Positionen Aktienfavoriten

TitelAnzahlEinstandakt. Wert*ErfolgG/V
Barmittel        4'176,82  
Credit Suisse N  1'310     8,56      8'816,30-  2'392,47- 21,34 Prozent
Holcim N      327   46,57    15'525,96+     298,02+   1,96 Prozent
Logitech N      128   74,46      7'488,00-  2'043,16- 21,44 Prozent
Novartis N      113   80,50      9'815,18+     718,85+   7,90 Prozent
Zurich Insurance N        23402,34    10'074,00+     820,10+   8,86 Prozent
Cembra Money N      117  66,29      7'839,00+       82,98+   1,07 Prozent
Helvetia N        67107,82      7'912,70+     688,85+   9,54 Prozent
Oerlikon N  1'303     8,92      9'459,78-  2'157,43- 18,57 Prozent
Stadler Rail N      211  38,93      7'241,52-      971,94- 11,83 Prozent
Zur Rose N        47179,02      5'372,10-  3'041,69- 36,15 Prozent
      
Total      93'721,36 -  7,69 Prozent

* Schlusskurse vom 31. Mai 2022

Wenden wir uns nun aber noch etwas ausführlicher dem einen oder anderen meiner Schweizer Aktienfavoriten für 2022 zu.

Grösste Einzelposition bleibt Holcim mit einer Gewichtung von gut 16 Prozent. Zugegeben: Der weltgrösste Zementhersteller muss sich noch immer mit dem unrühmlichen Vermächtnis der französischen Lafarge herumschlagen. Erst kürzlich unterlag das Unternehmen vor einem Berufungsgericht in Paris. Dieses hielt ein vorheriges Urteil aufrecht, wonach sich Lafarge in der Syrien-Affäre der Beihilfe zu "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" schuldig gemacht habe. Finanziell könnte in diesem Zusammenhang vor allem aber in den USA ganz schön was auf das Unternehmen zukommen, läuft dort doch auch eine Untersuchung durch das US-Justizministerium. Einige Beobachter rechnen gar mit einer möglichen Milliardenstrafe gegen Holcim.

Was das Tagesgeschäft anbetrifft, kann sich der Weltmarktführer aus Zug hingegen nicht beklagen. So war es ihm bis in die jüngere Vergangenheit möglich, steigende Kosten erfolgreich über Preiserhöhungen an die Abnehmer weiterzugeben. Das ist erfreulich und spricht dafür, dass die Angst vor Margendruck übertrieben scheint.

Über den Verkauf des Indien-Geschäfts für zig Milliarden an einen dortigen Rivalen lässt sich streiten. Auf der einen Seite stehen Firmenchef Jan Jenisch nun neue Gelder für ergänzende Firmenübernahmen zur Verfügung. Auf der anderen Seite gilt der aufstrebende indische Markt seit je her als wachstumsstark. Doch der gebotene Preis dürfte zu verlockend gewesen sein, um dem Angebot widerstehen zu können.

Ich bleibe jedenfalls zuversichtlich für die Aktien, vereinen diese doch eine hohe Dividende und längerfristig gute Wachstumsaussichten. Der Vontobel-Analyst sprach kürzlich gar von einer dividendenstarken Wachstumsaktie.

Stadler Rail schrieb in den letzten Tagen Firmengeschichte. Der grösste Auftrag der Schweizer Bahngeschichte ist seit dem gestrigen Mittwoch unter Dach und Fach. In einem ersten Abruf liefert der Zugbauer aus dem thurgauischen Bussnang der SBB für rund 2 Milliarden Franken 286 Triebzüge des Typs Flirt. Weitere dürften folgen.

Dass sich ausländische Leerverkäufer an Stadler Rail festgebissen haben, lässt sich unter anderem mit der Produktionsstätte in Weissrussland erklären. Man muss keinen Abschluss in internationalem Recht oder in Betriebswirtschaft in der Tasche haben, um erahnen zu können, dass in diesem Zusammenhang Probleme vorprogrammiert sind.

Momentan spekulieren Leerverkäufer beim Zugbauer mit mehr als jeder zehnten Aktie auf rückläufige Kurse, wie Erhebungen der Beratungsfirma IHS Markit zeigen. Das wiederum bietet einem Short-Squeeze einen geradezu idealen Nährboden.

Noch extremer geht es bei Zur Rose zu und her. Bei der Versandapotheke setzen die Leerverkäufer sogar mit mehr als jeder vierten ausstehenden Aktie auf tiefere Kurse. Seit gestern Mittwoch liegt der neue Fahrplan für die Einführung elektronischer Medikamentenrezepte in Deutschland vor. Im Rahmen eines Kompromisses mit dem dortigen Ärztebund wird vorerst auf eine zwingende Einführung verzichtet. Ab Anfang September sollen zuerst zwei Bundesländer auf elektronische Rezepte umstellen. Weitere dürften danach folgen – und bei Versandapotheken wie bei Zur Rose für einen kräftigen Wachstumsschub sorgen. Ich möchte nicht ausschliessen, dass das Unternehmen auf dem Weg dorthin noch einmal eine Kapitalerhöhung durchführen muss. Eine solche scheint mir bei Kursen um 110 Franken jedoch bereits eingepreist.

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle noch Oerlikon. Allen Unkenrufen zum Trotz hält der Oberflächenbehandlungsspezialist an seinen diesjährigen Zielen fest. Besser noch: Anlässlich des diesjährigen Investorentages kommunizierte das Unternehmen auch gleich ambitionierte neue Mittelfristziele. Eigentlich gibt es momentan nur ein einziges Hemmnis für die Aktien: Die Aktionärsstruktur – oder besser gesagt das Engagement des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg. Gerade angelsächsischen Grossinvestoren ist letzterer ein ziemlicher Dorn im Auge. Ich wäre aber nicht überrascht, würde sich Vekselberg von einem weiteren Teilpaket trennen. Das Russland-Geschäft wurde jedenfalls schon mal an dortige Geschäftskreise verkauft.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das hiesige Handelsgeschehen in den nächsten Wochen und Monate launisch bleibt. Ab Mitte Juli läuft am Schweizer Aktienmarkt die Halbjahresberichterstattung an. Spätestens dann dürfte sich zeigen, welchen Unternehmen es möglich war, die steigenden Kosten über Preiserhöhungen weiterzureichen. Und wenn ja: Ob auch zeitnah oder bloss mit Verzögerung. Das Schwergewicht bei meinen Aktienfavoriten bleibt deshalb auf Aktien von Unternehmen mit einer starken Preisgestaltungsmacht wie Novartis, Holcim, Zurich Insurance, Logitech, Helvetia oder Oerlikon.

Transaktionen Aktienfavoriten 2022

DatumTitel AnzahlKurs Total
30.12.2021Oerlikon NKauf1'060    9,43Franken  9'995,80-
30.12.2021Zur Rose NKauf      22230,57Franken  5'072,54-
30.12.2021Cembra NKauf    113  66,14Franken  7'473,82-
30.12.2021Stadler Rail NKauf    188  39,94Franken  7'508,72-
30.12.2021Helvetia NKauf      70107,49Franken  7'524,30-
30.12.2021Logitech NKauf      97  77,32Franken  7'500,04-
30.12.2021Credit Suisse NKauf1'122  8,907Franken  9'993,65-
30.12.2021Zurich IG NKauf      25400,70Franken10'017,50-
30.12.2021Holcim NKauf    322  46,62Franken15'011,64-
30.12.2021Novartis NKauf    186  80,67Franken15'004,62-
07.03.2022Oerlikon NKauf    223    6,63Franken  1'478,49-
07.03.2022Zur Rose NKauf      29133,65Franken  3'875,85-
07.03.2022Stadler Rail NKauf      22  30,08Franken      661,76-
07.03.2022Helvetia NVerkauf        8  96,65Franken     773,20+
07.03.2022Logitech NKauf      34  65,52Franken  2'227,68-
07.03.2022Credit Suisse NKauf   190    6,46Franken  1'227,40-
07.03.2022Zurich IG NVerkauf        3380,80Franken  1'142,40+
07.03.2022Holcim NVerkauf      11  40,16Franken     441,76+
07.03.2022Novartis NVerkauf      86  75,92Franken  6'529,12+
08.03.2022Novartis NKauf        3  74,21Franken      222,63-
08.04.2022Zurich IG NKauf        1438,50Franken      438,50-
08.04.2022Oerlikon NKauf      42     6,78Franken      284,76-
24.04.2022Cembra NKauf        4   70,55Franken      282,20-
03.05.2022Helvetia NKauf        2118,50Franken      237,00-
09.05.2022Credit Suisse NKauf     16     6,50Franken      104,00-
09.05.2022Holcim NKauf     15   45,50Franken      682,50-
09.05.2022Stadler Rail NKauf       3   34,38Franken      103,14-

 

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