Die Wall Street setzte ungehindert ihre Rekordjagd fort, aber die europäischen Börsen konnten damit nicht wirklich mithalten. Die grosse News war, dass die US-Notenbank ihre Strategie ändert: Die entscheidende Änderung sei der Übergang zu einer Form des flexiblen Inflationsziels und eine jetzt grössere Toleranz für einen heiss laufenden Arbeitsmarkt, kommentierte ein Börsianer. Damit bewege sich das Fed langfristig auf eine lockerere Geldpolitik zu.

Kurzfristig habe die Änderung aber keine unmittelbaren Konsequenzen, hiess es. Die wegen der Corona-Pandemie schwer gebeutelte US-Wirtschaft werde noch längere Zeit unter einer hohen Arbeitslosigkeit leiden und die Nullzinspolitik ohnehin weiter fortgeführt werden. Das zeigten auch die wiederum rund 1 Millionen Menschen die in der vergangenen Woche laut US-Arbeitsministerium erstmals einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellten. Der Arbeitsmarkt in den USA gilt als wichtiger Indikator für eine sich erholende US-Konjunktur.

Der SMI verlor 0,67 Prozent auf 10'240,46 Punkte. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, gab ebenfalls 0,67 Prozent auf 1'563,79 Punkte ab und der breite SPI 0,64 Prozent auf 12'771,95 Punkte. Bei den 30 Blue Chips kamen 24 Gewinner auf 5 Verlierer, Swisscom schlossen unverändert.

Die schwergewichtigen Genussscheine von Roche (-1,6%) belasteten den Markt am stärksten, aber auch Nestlé (-0,3%) gaben zum Schluss etwas ab. Novartis (+0,2%) hingegen konnten etwas zulegen.

Givaudan (-1,4%) gehörten zu den grösseren Verlierern des Tages, nachdem ein Strategie-Update vom Donnerstag laut Analysten keine Überasschungen enthielt. Der Aromen- und Duftstoffhersteller setzte sich für die kommenden fünf Jahre praktisch die gleichen Ziele wie in den vergangen fünf. Für Givaudan spreche allerdings, dass diese in der Vergangenheit meistens auch erreicht wurden, hiess es am Markt.

Auch Swiss Re (-1,1%) gaben mehr als 1 Prozent nach. Am Markt wurde dies mit dem Hurrikan "Laura" begründet, der als Wirbelsturm der Kategorie 4 von 5 auf US-Festland traf. Mit einem Minus von rund einem Drittel sind Swiss Re auch die grössten Verlierer im Schweizer Leitindex im laufenden Jahr.

Aber auch insgesamt sprachen Händler am Donnerstag von einer Schwäche bei europäischen Versicherungsaktien. Zurich (-0,9%) und Swiss Life (-0,3%) waren da nicht ausgeschlossen.

Weitere Verlierer waren unter anderem Sika (-1,5%), ABB und LafargeHolcim (je -1,4%).

Neben Novartis gehörten zu den wenigen Gewinnern unter den Blue Chips auch Richemont (+0,5%), Temenos (+0,4%), Kühne+Nagel (+0,3%) und Sonova (+0,2%). Für letztere verwiesen Händler auf eine Aufstufung aus dem Hause Redburn auf "Buy" von "Neutral". Das Unternehmen verfüge nicht nur im Gross-, sondern auch im Detailhandel über eine führende Marktstellung, hiess es unter anderem zur Begründung.

Am breiten Markt fielen Cassiopea (+15%) mit einem Kurssprung auf. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das Mittel Winlevi zur Behandlung von Akne zugelassen. In der Folge zogen auch die Aktien des Hauptaktionärs Cosmo (+0,7%) etwas an.

Tecan (-6,6% auf 408,60 Fr.) wurden dagegen nach einer Abstufung aus Bewertungsgründen durch Berenberg deutlich zurückgebunden. Die "Covid-19-Investment-Furore" habe die Bewertung des Laborausrüsters auf ein optimistisches Niveau getrieben, weshalb seines Erachtens nach nur wenig Spielraum für Aufwärtspotenzial bestehe, kommentierte der zuständige Analyst. Die Titel - als grosse Gewinner in der Krise - hatte zuvor im laufenden Jahr immerhin fast um zwei Drittel zugelegt. Berenberg erhöhte denn auch mit der Senkung auf "Hold" von "Buy" das Kurziel auf 415 Franken nach 275 Franken.

ys/mk

(AWP)