Die einen glauben an Verschwörung, für die anderen war es eine Frage der Zeit. Die beschleunigte Abwertung der türkischen Lira hat sich in den letzten Tagen zum Hauptthema an den Finanzmärkten entwickelt. Die Folgen: Flucht in sichere Devisen und Staatsanleihen sowie negative Börsenkurse bei erhöhter Volatilität. Kurz, die Verunsicherung ist deutlich gestiegen.

Während die türkische Regierung einen Komplott amerikanischer Investoren wittert, sehen die meisten Marktbeobachter die Lage nüchterner. Die türkische Lira ist schon seit geraumer Zeit unter Druck. Alleine in den letzten 52 Wochen hat sich ihr Wert gegenüber dem Dollar etwa halbiert. Hohe Inflation, steigendes Leistungsbilanzdefizit und eine Zentralbank, die von der Regierung gegängelt wird, haben sukzessive am Investorenvertrauen genagt. Politisches Hickhack zwischen Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan gipfelte Ende letzter Woche zudem in der Ankündigung von US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus der Türkei.

Wie so oft wenn Geopolitik das Geschehen dominiert, stehen aus Schweizer Sicht die Währungen im Fokus. Der Euro-Franken-Kurs stürzte am Montagmorgen kurz unter der Marke von 1,13. Das war zuletzt vor rund einem Jahr der Fall. Im Vergleich zu Mitte Mai hat der Franken gegenüber dem Euro somit fast 6 Prozent an Wert gewonnen.

Wird der Euro noch schwächer?

Das sind schlechte Neuigkeiten für die Schweizer Exportindustrie und andere Branchen wie der Tourismus, die von einem schwächeren Franken profitieren. Wer allerdings Ferien in der Euro-Zone plant und dort einkauft, kann sein Geld zu deutlich attraktiveren Kursen umtauschen. Oder ist es gar noch zu früh, um sich bereits mit Euro einzudecken? Wertet sich der Euro noch mehr ab?

Die Gemeinschaftswährung verliert derzeit an Wert, weil der Kursverfall der türkischen Lira Sorgen um einige europäische Banken mit viel Geschäft in der Türkei hervorruft. Konkret ist laut der Zürcher Kantonalbank (ZKB) auf Ebene der einzelnen Banken insbesondere die spanische BBVA stark exponiert. An zweiter bis fünfter Stelle folgen die italienische Unicredit, die niederländische ING, die britische HSBC und die französische Grossbank BNP Paribas.

Die Schweizer Banken sind vergleichsweise weniger stark exponiert. Und doch verloren die beiden Grossbanken CS und UBS am Montag mehr als 1 Prozent an Wert. Die Rückkehr der Euro-Schwäche ist aber auch ein Zeichen dafür, wie viele Probleme die Euro-Zone immer noch mit sich herumträgt. Dazu gehören hohe Schulden in vielen Ländern, wackelige Banken und schwache Institutionen.

Spekulanten lösen ihre Positionen auf

Nachdem der Euro im Frühling zu verschiedenen Währungen aufwertete, seien die spekulativen Investoren nun dabei, ihre Positionen für einen starken Euro aufzulösen, schreibt die St. Galler Kantonalbank in einem Kommentar. "Entsprechend wird der Euro immer wieder unter Druck geraten". Wie der folgende Chart zeigt, ist der Eurokurs seit seinem Jahreshoch Mitte Mai nach und nach auf dem Rückzug.

Aufstieg und Fall des Euro in den letzten zwölf Monaten (Quelle: cash.ch)

Chartanalysten der Zürcher Kantonalbank (ZKB) sehen den Euro-Franken-Kurs mittelfristig weiterhin in einem Abwärtstrend. Auf Sicht der nächsten ein bis zwei Wochen werde zwar mit einer Stabilisierung Richtung 1,145 gerechnet, im Anschluss daran aber mit wiederkehrenden Abgaben Richtung 1,12.

Am Montagvormittag konnte sich die türkische Lira etwas erholen, nachdem die dortige Notenbank mehrere Massnahmen ergriff, um die Liquidität der Banken zu erhöhen. Zudem wurden die Reserve-Anforderungen an bestimmte Währungsgeschäfte verringert, um dem Finanzmarkt mehr flüssige Mittel zuzuführen. Doch laut internationalen Experten wäre der wirksamste geldpolitische Schritt eine deutliche Zinserhöhung, in Kombination mit der Botschaft, dass die Zentralbank unabhängig von der Regierung sei.

Ein solcher Schritt ist momentan allerdings unwahrscheinlich. Bisher fiel Präsident Erdogan vor allem auf, indem er die wirtschaftlichen Probleme der Türkei abstritt. Finanzminister Berat Albayrak – ein Schwiegersohn von Präsident Erdogan – versuchte zwar mit der Ankündigung eines Wirtschaftsprogramms die Märkte zu beruhigen und den Kurssturz der Lira zu stoppen. Aber glaubhaft wirkten auch seine Äusserungen nicht. 

Der Euro könnte  in nächster Zeit also noch schwächer werder. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, kann aber jetzt schon Euros kaufen. Den "richtigen" Einstiegszeitpunkt erwischt man an den Märkten ja sowieso äusserst selten bis nie.