23. März 2020, in der Börsenwelt ein Datum mit geschichtlicher Bedeutung: An diesem Tag dreht der Markt. Nachdem Aktienkurse wegen der Coronapanik einen Monat lang in die Tiefe gerauscht waren, fanden sie endlich einen Boden. Seither sind die Kurse kräftig nach oben gegangen.

Manche würden sagen: Zu schnell. Auf den ersten Blick verblüffend ist allerdings, dass an vorderster Front weitgehend als "Problemtitel" bekannte Aktien das Performance-Ranking seit dem 23. März anführen:

Nummer Eins im SMI ist Alcon mit einem Kursplus von 57 Prozent. Der im April 2019 mit einem Börsengang von Novartis abgespaltene Augenpflegehersteller hat vor allem durch die Vorlage der Q1-Zahlen Mitte Mai einen "Push" bekommen. 

Die Alcon-Aktie seit dem Börsengang am 9. April 2019: Deutlich sichtbar der Kursschub nach der Bilanzpräsentation Mitte Mai (Alle Charts und Grafiken: Bloomberg).

Doch Vorsicht: Im ersten Quartal war bei Alcon noch kaum etwas von der Coronviruskrise zu spüren. Diese dürfte jetzt, im zweiten und dann im dritten Quartal, über Alcon hinwegrollen.

In den wirtschaftlich schwer getroffenen USA, wo das Unternehmen eigentlich her kommt, erzielte Alcon letztes Jahr 41 Prozent des Umsatzes. Und dies trübt die Kursaussichten: Seit April besteht wegen der Krise eine Gewinnwarnung. Auch der Turnaround des Unternehmens, der mit dem Börsengang beschleunigt werden sollte, ist noch nicht richtig erreicht. 

Nach Aufholpotential Ausschau halten

Beim Temporärarbeitsvermittler Adecco ist der Kurs um fast die Hälfte gestiegen. Eine Hochglanz-Story ist Adecco dennoch nicht, denn der Kurs liegt bei 46 Franken noch immer ein Viertel tiefer als Anfang Jahr, wo über 60 Franken bezahlt wurden. Die Zürcher Kantonalbank vergleicht die Aktie mit einen "Call" auf die Konjunkturlage: Adecco ist eine Investition, wenn die Arbeitsmarktaussichten in den grossen Wirtschafträumen gut sind. Aber das sind sie im Moment definitiv (noch) nicht. 

Im Sortiment des SMI interessanter für die nächsten Monaten bleiben die Pharmatitel Novartis, Roche und - trotz hoher Bewertung - Lonza, aber durchaus auch LafargeHolcim, Sika oder ABB, wo noch Aufholpotential zu sehen ist.

Bei den Versicherern Swiss Life, Zurich und Swiss Re bleibt die Frage, wie stark der Konjunktureinbruch, steigende Schadenkosten und eventuell auch Probleme im Immoblienmarkt die Zahlen belasten. Falls diese Effekte schwächer sein werden als befürchtet, wäre bei den bisher moderat kurserholten Versicherern natürlich grosses Potential zu greifen. 

Die "hässlichen Entlein" schwimmen aber nicht nur im Large-Cap-Teich ganz vorne. Mit der Perfect Holding, einer Gesellschaft, die Geschäftsflugzeuge vermietet, hat ein "penny stock" 150 Prozent zugelegt, wie eine Übersicht über den breit gefassten Swiss Performance Index seit dem 23. März zeigt:

Der Kurssprung der klein kapitalisierten, relativ wenig gehandelten Aktie geht gemäss dem Chart offenbar allein auf die Nachricht von letzter Woche zurück, dass das seit Jahren Verluste schreibende Unternehmen in Verhandlungen mit einem potentiellen Käufer stehe

Am breiten Markt kann man auch auf die Frage kommen, wieso ausgerechnet GAM oder Autoneum ganz oben rangieren. Der Vermögensverwalter und der Autozulieferer steckten schon vor dem Corona-Schock tief in der Krise. Eine grobe Antwort ist: Es sind Kurserholungen von sehr tiefem Niveau aus. Die de-facto-Kursverdoppelung bei GAM sieht nur gut aus, wenn genau der Zeitraum 23. März bis heute betrachtet wird - also Applaus für alle jene, die exakt beim Tiefpunkt GAM-Aktien zukauften.

Die Coronakrise hatte den zuvor schon arg gebeutelten Titel von 3,65 auf 1,20 Franken fallen lassen. Jetzt kostet die GAM-Aktie wieder knapp 2,40 Franken. Um ein an der Börse begehrter Vermögensverwalter zu sein, muss die problembeladene GAM noch einiges bereinigen. Ein Sparprogramm wie im April vorgestellt reicht nicht. Man bedenke: Vor fünf Jahren war die Aktie 21 Franken wert. 

Autoneum kommt zu einem Kursplus von 76 Prozent, weil die Wiederöffnung der Wirtschaft in den vergangenen Wochen viele Zykliker an der Börse weitergebracht hat. So bedeutete die Wiederaufnahmen der Produktion beim Grosskunden VW für die Autoneum-Aktie in der letzten Aprilwoche einen Wochengewinn von 20 Prozent. Nach einem Rückschlag setzte dann Mitte Mai eine weitere Kurssteigerung ein. 

Der Kursverlauf bei Autoneum in den letzten zwölf Monaten: Gut zu erkennen sind die zwischenzeitlich heftigen Kurserholungen im April und Mai (Grafik: Bloomberg). 

Ob dies Autoneum-Aktionären Mut geben kann? Eher nicht. Der Hersteller von lärm- und hitzedämmenden Autoteilen hatte im März Verluste und Werkschliessungen bekanntgegeben und eine zweijährige Übergangszeit angekündigt. Der Kurs bleibt sehr anfällig auf Schwankungen.

Von Autoneum ist es aber kein grosser Schritt zu Stadler Rail, denn bei beiden ist der Industrielle Peter Spuhler Grossaktionär. Stadler, wo Spuhler klar bestimmt, gehört zu den Aktien, die seit dem Tiefpunkt im März nochmal im Kurs gesunken sind.

Beim Ostschweizer Unternehmen jagten sich in den letzten Wochen die News: Grossaktionäre verkauften Aktienpakete, andere kauften zu, ausserdem ging CEO Thomas Ahlburg, offenbar im Zwist mit Patron Spuhler. Und dann stöberten auch noch erpresserische Hacker in den Daten der Firma.

Stadler könnte aber gerade die Coronakrise noch nützen: Der Bahnbau lebt von staatlichen Aufträgen, und Staaten sind ja gerade mehr denn je bereit, massiv Geld auszugeben. Bahnbau ist eine Zukunftstechnologie. Auch der Auftragsbestand bei Stadler sah zuletzt einigermassen gut aus. Aus dem derzeitigen Tiefst - die Aktie ist etwa 8 Prozent weniger Wert als beim Börsengang im April 2019 - dürfte der Kurs in den nächsten Wochen wieder herausfinden. 

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