Einige der Ausschüttungen, die nach dem Ausbruch der Pandemie im Spätwinter gestoppt wurden, werden wieder fliessen. Aber im Falle von gewissen Sektoren, darunter Banken und Energieversorger, fallen strukturelle Probleme ins Gewicht. Dies könnte die Anlagewelt grundlegend umpflügen, denn speziell in Europa werden Aktionäre eher mit guten Dividenden als mit Aktienrückkäufen, wie sie in den USA beliebt sind, bedacht.

Der viel beachtete Index Stoxx Europe 600 hat sich im Sinne von "total return" in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt, sich aber kaum bewegt, wenn man die Ausschüttungen abzählt. In Grossbritannien dürfte der Effekt am grössten sein, wo man stark auf dividendenstarke Industrien setzt.

Sam Witherow, Portofoliomanager bei JPMorgan Asset Management, erkärt den Grund so: "Für die meisten Unternehmen ist dies nur eine weitere Zyklizität, allerdings eine mit einer bisher nicht gekannten Unterbrechung von Geschäftsaktivitäten - für andere aber hat die Krise strukturellen Druck erhöht und zu schmerzlichen Erkenntnissen geführt: Gute Beispiele dafür sind Banken und grosse Ölgesellschaften." Und speziell die Londoner Börse ist stark von diesen Branchen geprägt.

City of London ist beunruhigt

In der City of London ist man beunruhigt. Fast ein Viertel der Dividendenzahlungen im Index FTSE 350 kamen von Öl- und Gasfirmen, doppelt so viel wie im Stoxx 600, wie Daten von Bloomberg verdeutlichen. Banken wiederum stehen für 12 Prozent der Dividendenleistungen im Vereinigten Königreich, verglichen mit 6 Prozent in Europa. Und die Dividenden dürften bei britischen Firmen stärker zurückgehen als im übrigen Europa.

Bei Dividendeneinkommen aus Öl-Aktien sei es zu einer grundlegenden Veränderung gekommen, sagt Witherow, der bei JPMorgan den Global Equity Income Fund leitet. Die Dividenenaristokraten der Londoner Börse trügen allerdings auch Mitschuld an der Situation. Diese hätten ihre Anteilseigner "auf Kosten der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen übermässig belohnt." Die Krise verdeutliche nur, wie langfristiges Denken wichtig sei, für Firmen genauso wie für deren Aktionäre.

Nachdem die Ölgiganten Shell und BP wie auch das Bankenimperium HSBC ihre Dividenden gekürzt oder gar gestrichen haben, wird für dieses Jahr der Tabakkonzern British American Tobacco als bester Dividendenzahler im Leitindex FTSE100 gehandelt. Bei Tabak aber wiederum werden Aktionäre, die nach ESG-Regeln anlegen (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) anlegen wollen, ein Problem haben.

Gezügelte Banken in Europa

In Europa sieht es allerdings nicht viel besser aus, vor allem bei den Banken. Es dürfte vier Jahre gehen, bis das alte Dividendenniveau wieder erreicht ist, wie Schätzungen von Bloomberg nahelegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Banken ein Dividenenverbot auferlegt. Die Ausschüttugsquoten dürften tiefer ausfallen, selbst wenn die EZB das Verbot wieder aufhebt: Dies denkt die Mehrheit von Investoren, die JPMorgan zu diesem Punkt befragt hat. Und dies, obwohl Cash-Reserven vorhanden sind, Übernahmemanöver warten und es wenig Probleme mit der Kapitalausstattung der Banken gibt.

Zu den heftigsten Kritikern des EZB-Dividenenverbots gehören französische Banken, die ihren Aktionären davor die fettesten Ausschüttungen versprochen hatten. Société-Générale-Chairman Lorenzo Bini Smaghi ist erbost: Die Branche werde "uninvestierbar", sagte er diese Woche.

Der Stoxx-600-Bankenindex hat dieses Jahr 42 Prozent an Wert verloren, das ist etwas mehr als drei Mal soviel wie im Benchmark. Die Société Générale ist die am schlechtesten performende Bank mit einem Kursrückgang on 64 Prozent. Derivathändler sind bei europäischen Banken noch pessimistischer als Analysten. Dividenden-Termingeschäfte mit Laufzeit bis 2021 oder 2022 handeln mit Abschlägen von 35 respektive 42 Prozent gegenüber den Voraussagen von Brokern.

Es gibt auch «payout winners»

Anderswo haben Firmen die Wiederaufnahme ihrer Ausschüttungen angekündigt. Dazu gehört das britische Baustoffunternehmen Ferguson oder die schwedischen Unternehmen Husqvarna und Holmen. Die Pandemie hat aber auch Dividenden-Gewinner hervorgebracht. Der Tech-Sektor habe "sich aufgrund der Natur der Krise dem klassischen defensiven Sektor angeschlossen, wenn es um widerstandsfähige Dividendenpolitik gehe", sagt Sam Witherow. Dies beispielsweise, weil jetzt viel mehr von Zuhause aus gearbeitet wird.

In der Schweiz haben etwa 10 Prozent der kotierten Firmen im Zuge der Krise ihre Dividenden gestrichen, vor allem industrielle Exporteure, die stark unter dem zeitweisen Beinahe-Stopp des Welthandels gelitten hatten. Die Grossbanken UBS und Credit Suisse zahlten auf Druck von Politik und Aufsicht im Frühling nur die Hälfte ihrer Dividenden aus. Es wird aber erwartet, dass sie diesen Herbst die zweite Hälfte entrichten. Bei grossen Dividenenzahlern wie den Versicherern wird erwartet, dass sie ihre Dividenden 2021 in ähnlich hohem Masse ausbezahlen werden wie 2020 oder 2019.

 

 

(Bloomberg/cash)