Etwas wird sich in Bezug auf die Blockchain-Technologie auch 2019 nicht ändern: Die Lager der Skeptiker einerseits und der Optimisten andererseits werden sich weiterhin mit Spott, Häme und Kritik eindecken. So wie zuletzt der bekannte Ökonom Nouriel Roubini. Er bezeichnete die Blockchain als die "nutzloseste und am meisten überbewertete Technologie aller Zeiten".

Auf die Twitter-Nachricht von Roubini am letzten Donnerstag folgte zwar eine animierte Diskussion über die Vor- und Nachteile der Blockchain, über Kryptowährungen und über konkrete Projekte in der Digitalwelt. Aber das Beispiel zeigt, wie unterschiedlich die Perspektiven für die Blockchain-Technologie derzeit immer noch beurteilt werden.

Durch ihre Struktur soll die Blockchain zahlreiche Dienstleistungen vereinfachen, sicherer und günstiger machen. Der dezentrale Aufbau ermöglicht es zwei Parteien zum Beispiel den Austausch von Geldeinheiten ohne Drittpartei wie einer Bank. Auch die Transaktion und die Aufbewahrung von Eigentum gilt als grosse Vision – um etwa herkömmliche Grundbucheinträge obsolet zu machen.

Technische Probleme lösen

Kühne Visionen bestehen schon seit längerer Zeit. Doch es fehlen immer noch Anwendungen, welche das grosse Potenzial der Blockchain-Idee beweisen. Hinzu kommt der Absturz zahlreicher Kryptowährungen wie Bitcoin, was ebenfalls am Image von Blockchain gekratzt hat. Ganz zu schweigen von der schlechten Medienberichterstattung durch die zahlreichen dubiosen Initial Coin Offerings (cash berichtete).

Insofern wird 2019 ein wichtiges Jahr für die Blockchain. Denn in der Vergangenheit klafften Ankündigung und Lieferung vieler Firmen teils weit auseinander. Alexander Denzler, Blockchain-Experte an der Hochschule Luzern, gibt zu bedenken, dass die Technologie in ihrer Entwicklung noch am Anfang stehe und es noch viel Zeit brauche, um die grossen Hoffnungen erfüllen zu können. "Im Fokus steht dabei die Lösung technischer Probleme. Nur so lassen sich Blockchain-Projekte realisieren, die auch praxistauglich sind", so Denzler.

Es mangelt vielerorts an der Skalierbarkeit: Prototypen funktionieren, aber eine Ausdehnung auf grössere Kapazitäten ist noch nicht möglich. Auch regulatorische Hürden können den Durchbruch verhindern. Ein Grund, wieso die Schweiz und Liechtenstein als Standorte für Blockchain-Firmen so beliebt sind, ist denn auch die vergleichsweise fortgeschrittene Regulierung.

Etabliert und bewährt habe sich die Blockchain "so gut wie nirgends", sagt auch Philipp Sandner, der das Frankfurt School Blockchain Center leitet, auf Anfrage von cash. "Ich sehe kleine Projekte, aber nichts, was man nennen müsste. Alles ist weiterhin im Experimentierumfeld."  

Milliarden an Schlagzeilen

Die Unternehmensberater von McKinsey schrieben unlängst in einer Studie, die Blockchain-Technologie sei ein möglicher "game changer". In Anbetracht der immensen Summen von Geld und Zeit, die zur Forschung eingesetzt würden, sei das bisher Erreichte jedoch gering. Alleine die Finanzindustrie experimentiere im Umfang von rund 1,7 Milliarden Dollar jährlich mit der Blockchain. "Trotz Milliarden an Investments und fast so vielen Schlagzeilen, gibt es den Beweis einer skalierbaren Nutzung der Blockchain noch nicht", so McKinsey.

Und doch gibt es einige konkrete Anwendungen, die bereits erfolgreich laufen. Dazu gehört die von IBM entwickelte Lieferketten-Lösung, die im Agrarhandel Verwendung findet. Auch die Nachverfolgung von Diamanten ist möglich oder der Handel von Energie in sogenannten Peer-to-Peer Energienetzwerken. Der Detailhändler Carrefour nutzt eine Blockchain zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit.

Auch für die Startup-Finanzierung spielt die Blockchain mittlerweile eine wichtige Rolle. Zwar tummelten sich viele Betrüger im Markt für Initial Coin Offerings (ICO), so Professor Philipp Sandner. Aber auch hier dürfte 2019 eine neue Welle an Projekten bringen, die rechtlich korrekt ablaufen. Sandner nennt ein Beispiel: "Indem man traditionelle Kapitalmarktkonstrukte, zum Beispiel Genussscheine, auf Ethereum-Basis technisch notiert - und somit Fundraising für Startups macht".

Andere Projekte stehen laut Alexander Denzler ebenfalls kurz vor dem Durchbruch: "Zum Beispiel E-Voting oder verschiedene Lösungen in der Fintech- und Insurtech-Branche". Dazu gehört auch die digitale Börse SIX Digital Exchange, die im kommenden Sommer starten soll. Die Schweizer Börse SIX will mit Hilfe der Blockchain-Technologie den Handel von Aktien und Obligationen komplett neu aufstellen. Das bestehende System könnte in etwa zehn Jahren vollständig von der digitalen Börse abgelöst werden, sagte SIX-Manager Thomas Zeeb kürzlich in einem Interview.

Vielleicht liegt die Zukunft der Blockchain aber auch einfach darin, weniger revolutionäre Ankündigungen zu machen. Die Zeitschrift "Technology Review" des Massachusetts Institute of Technology (MIT) schrieb dazu, die Blockchain-Technologie werde 2019 nicht mehr so viel Lärm verbreiten wie 2018. Aber sie werde nützlicher. Kurz: Die Blockchains werden langweilig.