Der Kursabfall von Swisscom vom Donnerstag nach den Drittquartalszahlen (mehr dazu hier) reiht sich fast schon symbolisch ein in eine jahrelange Underperformance von Aktien aus dem Telekommunikationsbereich. Doch der Branche wird künftig überdurchschnittlich grosses Potenzial zugesprochen, meint eine Reihe von Analysten. Die zuletzt positiv ausgefallene Gewinnentwicklung sowie die Vorzüge des Sektors als Inflationsschutz veranlasst sie dazu, die Kursziele in dieser Branche reihenweise anzuheben. Das ist in diesem Sektor seit vielen Jahren nicht passiert. 

Dies geht sogar so weit, dass Telekommunikationswerte mit einer prognostizierten Rendite von 28 Prozent über die nächsten zwölf Monate nun das grösste implizite Aufwärtspotenzial aller Sektoren in Europa aufweisen. Die Analysten haben ihre Ziele in den letzten zwei Monaten weiter angehoben, obwohl der Sektor gefallen ist.

"Eine stärkere Ertragsdynamik und eine vernünftige Bewertung lassen vermuten, dass die Underperformance der Kommunikationsdienste an der Börse zu Ende geht", sagen die Bloomberg Intelligence-Strategen Laurent Douillet und Tim Craighead.

EU-Konjunkturprogramm als Kurstreiber 

Die Bewertungen sind in einer Talsohle. Das relative Kurs-Buchwert-Verhältnis von Telekommunikationsunternehmen ist auf einem historischen Tiefstand, während der Sektor mit einem relativen Kurs-Gewinn-Verhältnis-Abschlag von 13 Prozent gehandelt wird und eine um 50 Prozent höhere Dividendenrendite als der europäische Stoxx 600 bietet. 

In den letzten Jahren bestand immer das Problem von fehlenden Kurstreibern für die Aktien. Aber das könnte sich laut Analysten jetzt ändern. Die Gewinntrends zeigten klare Anzeichen einer Verbesserung, auch weil die Telekommunikationsunternehmen von mindestens 20 Prozent des europäischen NextGenerationEU-Konjunkturprogramms profitieren würden. 

Die Analysten von Bloomberg Intelligence (BI) machen folgende Aktien als günstige Einstiegsgelegenheiten aus: OTE, Telecom Italia, Iliad, Telefonica und Vodafone. Diese Unternehmen haben laut BI einen Umsatzanteil von über 25 Prozent in den Ländern, die am meisten von den NGEU-Mitteln profitieren werden. 

Telecom-Aktien als Inflationsschutz 

Die Strategen von Goldman Sachs glauben zudem, dass Telekommunikationsunternehmen bei einer möglichen Verschlechterung des Wirtschaftswachstums Schutz böten. Der Sektor sei auch auch weitgehend immun gegen gegen Probleme in den Lieferketten und gegen steigende Strompreise, da der Strom nur 1-2 Prozent des Umsatzes ausmache. Die Einführung inflationsgekoppelter Preiserhöhungen in den Jahresverträgen sowie Kostensenkungsprogramme dürften den Druck auf die Margen begrenzen, so BI.

Während Analysten bei dem Sektor reihenweise die Bullenhörner aufsetzen, ist die Euphorie bei Investoren noch nicht übergeschwappt. Die in diesem Monat von der Bank of America durchgeführte Umfrage unter europäischen Fondsmanagerinnen und Fondsmanagern zeigt, dass der Telekommunikationssektor zu den am stärksten untergewichteten Sektoren gehört. Morgan Stanley zufolge ist dies auch der am stärksten überverkaufte Sektor in Europa.

"Inzwischen sind die Anleger mit den Problemen des Sektors bestens vertraut", sagt Mark Dobbie, Investmentmanager bei The Scottish Investment Trust. "Die Telekommunikationsbranche war nicht gerade die erste Adresse für Anleger, die auf der Suche nach Wachstum sind. Inmitten eines der größten Booms von Wachstumsaktien in der Geschichte haben viele Anleger Telecom-Aktien gemieden. Diese allgemeine Geringschätzung schafft interessante Möglichkeiten".

(Bloomberg/cash)