Laut Experten gibt es keinen Weg an den US-Börsen vorbei. Nach einem nur kurzen Taucher rund um den «Liberation Day» von Anfang April haben sich die US-Börsen nicht nur erholt. Sie sind in den Sommermonaten und September vielmehr von Rekord zu Rekord gestiegen.

Mit Kursgewinnen von inzwischen 17 Prozent im Nasdaq 100, 13 Prozent im S&P 500 und knapp 9 Prozent im Dow Jones Industrial scheinen sie die Einschätzung der Experten und den US-Exzeptionalismus bestätigt zu haben. Doch der Schein trügt.

Besonders für Anleger im Schweizer Franken sieht diese Rechnung anders aus. Hier zählen die US-Märkte nämlich zu den schlechtesten in diesem Jahr.

Devisen werden unterschätzt

Ursache ist der Verlauf des Dollars in diesem Jahr. Gegenüber dem Franken verlor der «Greenback» rund 12 Prozent, gegenüber einem Währungskorb der wichtigsten Handelswährungen (sogenannter Dollar-Index) rund 10 Prozent. Das komplette Gegenteil zeigte der Euro zum Franken. Nicht nur schwankte das Währungspaar deutlich weniger, auch die Wertverluste der Gemeinschaftswährung belaufen sich seit Jahresanfang lediglich auf 0,4 Prozent.

Werden internationale Anlagemärkte aus Sicht eines Franken-Investors betrachtet, liegen die sogenannten «High Flyer» hinten, während die zeitweise als uninteressant geltenden Märkte ganz vorne liegen. Je nach Devisenkursentwicklung wurde die Kursperformance abgeschwächt oder sogar verstärkt.

Land Leitindex Performance in Fr.

Performance in LW*

Südkorea Kospi 29% 41%
Hong Kong Hangseng 19% 36%
China Shanghai Composite 11% 24%
Europa Stoxx 600 10% 11%
Schweiz Swiss Performance Index 9% 9%
USA Nasdaq 100 1.20% 16%
USA S&P 500 -1.60% 13%
USA Dow Jones -5.10% 9%
Japan Nikkei 225 -1.40% 13%
Indien Nifty 50 -13% 3.50%

Quelle: TradingView; Performance seit Jahresbeginn;*LW: Landeswährung

Das auffälligste Beispiel betrifft chinesische Aktien. Vor nicht allzu langer Zeit bezeichnete die US-Grossbank JPMorgan sie als «uninvestierbar». Doch seit mehr als zwölf Monaten legen sie eine beeindruckende Rallye hin: Die Börse in Shanghai avancierte um rund 54 Prozent, Hongkong liegt über 43 Prozent im Plus.

Dasselbe gilt für südkoreanische Aktien. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Nachbarn China färbte die schwache Konjunktur im Reich der Mitte lange auf die Anlegerstimmung in Südkorea ab. Als Donald Trump schliesslich Strafzölle ankündigte, fiel der südkoreanische Leitindex Kospi auf ein Mehrjahrestief. Der eine Handelspartner (China mit etwa 25 Prozent der Exporte) schien in einer Rezession gefangen, während der andere (USA mit über 18 Prozent der Exporte) sich plötzlich feindlich verhielt.

Seither sind die koreanischen Aktien jedoch um mehr als 50 Prozent gestiegen. Vermutlich befindet sich China nicht in einer so schlechten Lage wie ursprünglich angenommen und die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das Reich der Mitte der wichtigere und verlässlichere «Partner» der beiden Grossmächte für Südkorea ist.

Auf dies deuten auch die Devisenmärkte hin. Auf Jahressicht haben sowohl der chinesische Renminbi als auch der koreanische Won deutlich weniger gegenüber dem Franken verloren als der Dollar. Seit dem «Liberation Day» hat sich diese Entwicklung noch verstärkt: Der Dollar verliert gegenüber dem Franken 7 Prozent, der Won notiert leicht im Plus, der Renminbi leicht im Minus. 

Verzerrtes Gewinnwachstum

Gegen europäische Unternehmen sprach wiederum lange Zeit das schwächere Gewinnwachstum. Während Experten zu Beginn dieses Jahres noch 3,6 Prozent für den Stoxx 600 prognostizierten (aktuell –0,4 Prozent), lagen die Schätzungen für den S&P 500 bei über 12 Prozent (aktuell unter 10 Prozent).

Auf den ersten Blick scheint die höhere Zahl in den USA besser zu sein. Für Investoren ausserhalb des Dollarraums gilt das jedoch nicht zwingend. Denn neben den Währungsverlusten verzerren auch Devisenkurse das Gewinnwachstum.

Beispiel: Unternehmen im S&P 500 erwirtschaften rund 40 Prozent ihrer Umsätze ausserhalb der USA. Entwertet sich der Greenback, steigt der Dollarwert dieser Auslandserlöse. Das Gewinnwachstum wird also nicht nur durch fundamentale Faktoren getrieben, sondern auch durch Währungseffekte. Letztere verzerren das Bild, wie gut es den Unternehmen tatsächlich geht.

Der umgekehrte Fall bei europäischen Unternehmen verdeutlicht das Beispiel: Auch sie erzielen rund 40 Prozent des Umsatzes ausserhalb Europas. Doch Euro, schwedische Krone, britisches Pfund oder Schweizer Franken haben sich gegenüber vielen Währungen wie Dollar, japanischen Yen oder Renminbi aufgewertet.

Umgekehrt zum US-Fall drückt dies das Gewinnwachstum der europäischen Konzerne ins Minus. Ist dieser niedrigere Wert nun Ausdruck einer derart schlechteren Qualität? Mit Blick auf die Renditen in Lokalwährungen (Stoxx 600 +11 Prozent versus S&P 500 +13 Prozent) und mit Ausnahme der KI-Konzerne müsste man diese Frage verneinen.

Bewertung mit vielen Einflussfaktoren

Zusätzlich erschwert wird die Lage durch die Bewertungen. Diese hängen zwar von den Wachstumsaussichten ab, spiegeln jedoch auch Währungseffekte wider. Wer die Devisen beim Investitionsentscheid vernachlässigt, ignoriert somit einen nicht unwichtigen Teil der Gleichung. 

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt laut Bloomberg bei 16 für europäische Aktien, bei 19 für Schweizer Aktien und bei 26 für US-Aktien (S&P 500) respektive 33 im Nasdaq. Chinesische und südkoreanische Börsen sind tiefer bewertet, während Japan oder Indien aufgrund starker Kursanstiege eher hoch bewertet erscheinen.

Land Leitindex KGV
Südkorea Kospi 15
Hong Kong Hangseng 12
China Shanghai Composite 18
Europa Stoxx 600 16
Schweiz Swiss Performance Index 19
USA Nasdaq 100 33
USA S&P 500 26
USA Dow Jones 23
Japan Nikkei 225 22
Indien Nifty 50 22

Quelle: Bloomberg; KGV = Kurs-Gewinn-Verhältnis

Damit Franken-Anleger in teuren Märkten oder einem Währungsraum mit schwacher Valuta wie dem US- oder japanischen Markt noch Kursgewinne verbuchen können, bedarf es drei Punkte: Die Devise stabilisiert sich oder gewinnt an Wert, die Gewinne steigen weiter an und die Bewertungen korrigieren nicht.

Die Kombination ist jedoch schwierig. Stabilisiert sich die Währung, sinkt womöglich das Gewinnwachstum - was die hohen Bewertungen unter Druck setzen würde. Bei einem Währungsverlust von 10 Prozent und einem Auslandsanteil der Umsätze von rund 40 Prozent macht dies schnell 3 bis 4 Prozentpunkte des 12-prozentigen Gewinnwachstums im S&P 500 aus. Fällt die Devise weiter, steigen zwar Gewinne und vielleicht auch Bewertungen, doch Franken-Anleger verlieren erneut über den Wechselkurs.

Einfacher für hiesige Anleger sind derzeit Anlagen in stabileren Währungspaaren - insbesondere in Europa oder Südkorea. Die tiefen Bewertungen deuten auf ein vormals geringes Interesse hin, womit positive Überraschungen einen grösseren Kurseinfluss als in Regionen mit hohen Bewertungen haben dürften. 

Sollte sich zudem das Gewinnwachstum verbessern - sei es durch Währungseffekte oder eine konjunkturelle Erholung -, dürfte auch die Bewertung mit anziehen. Die Stabilität des Währungspaares schmälert in diesem Fall die Anlageperformance nicht wesentlich.

Luca_Niederkofler
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