"Der Aktienpreis wird steigen, wenn wir unsere Resultate liefern." So äusserte sich Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam Ende Juli gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Das erstaunte ein wenig. Denn CEO kommentieren eher selten den Aktienkurs des eigenen Unternehmens. Doch angesprochen auf die sehr schwache Börsenperformance der CS in den letzten 12 Monaten fühlte sich Thiam offenbar gezwungen, "seine" Aktie zu verteidigen.

Ähnliches tat Jean-Paul Clozel. Der Gründer und CEO des Biopharma-Unternehmens Actelion sagte als Kommentar zu den Halbjahreszahlen: "Wir erwarten Wachstum für die nächsten zehn Jahre und haben eine fantastische Pipeline: Unsere Aktie wird weiter steigen."

Einer muss, der andere darf: Thiam und Clozel sind zwei Unternehmensführer, die aus ganz unterschiedlichen Positionen auf die Börse blicken. Hier Thiam, der mitansehen musste, wie die CS-Aktie seit August 2015 um 60 Prozent auf den tiefsten Stand der Firmengeschichte sank. Dort Clozel, dessen Actelion heute fast 600 Prozent mehr wert ist als beim Börsengang vor 16 Jahren.

Der CEO als Gesicht des Unternehmens

Wenn man den Chefs ihre Aktienperformance gegenüberstellt, stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Wechselwirkung dahinter. Thiam und Clozel sind fraglos die Gesichter ihres Unternehmens. Doch inwiefern sind sie auch verantwortlich für die Performance an der Börse?

Eine Studie von 2014 kam diesbezüglich zum Schluss, dass schlecht laufende Aktien von europäischen Unternehmen von Wechseln im Management in der Regel profitieren. Die Untersuchung von Morgan Stanley kam noch zu weiteren Schlüssen: Aktien kleiner Unternehmen profitieren stärker von einer Veränderung auf Stufe CEO oder CFO. Und zuvor überdurchschnittlich gut gelaufene Titel reagieren mehrheitlich negativ auf solche Sesselwechsel.

Klar ist: Die obersten Kapitäne tragen die Verantwortung für die Firmenstrategie. Auch wenn sie von ihrer Kommandobrücke aus nichts gegen Marktverwerfungen tun können, sollten sich ihre Entscheidungen langfristig doch in der Erfolgsbilanz und somit auch im Aktienkurs widerspiegeln. Es leuchtet deshalb ein, einem Neuling ein bis zwei Jahre Zeit zu geben, bis sich sein Wirken am Börsenkurs ablesen lässt.

Auch ABB tut sich schwer

Beim Blick auf die 20 Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) zeigen sich in dieser Hinsicht grosse Unterschiede, wie die Auswertung von cash zeigt (Tabelle am Ende des Artikels). Neben Tidjane Thiam, der nun etwas mehr als ein Jahr im Amt ist, fallen noch weitere Chefs auf, die ihr Unternehmen den Börsianern nicht so recht schmackhaft machen können.

So zum Beispiel der Deutsche Ulrich Spiesshofer, unter dessen Ägide (fast drei Jahre) der Industriekonzern ABB bloss um 5 Prozent wertvoller geworden ist. Schon länger als Spiesshofers Amtszeit kreist die ABB-Aktie um den Wert von 20 Franken. Seit einem Jahr hat ABB mit der schwedischen Investmentgesellschaft Cevian Capital einen aktiven Aktionär, der ABB Beine machen will.

Oder auch Boris Collardi, der seit Mai 2009 die Geschicke der Privatbank Julius Bär verantwortet. Trotz – oder gerade wegen? – verschiedenen Übernahmeaktionen und Rochaden in der Führungsetage ist die Bär-Aktie seit Collardis Start nur gerade 11 Prozent in die Höhe geklettert. Zum Vergleich: Der SMI hat im selben Zeitraum um 60 Prozent zugelegt. Dennoch war Collardi von Aktionärsseite nie wirklich umstritten. 

Givaudan: Konstanz zahlt sich aus

Jemand, der den Gesamtmarkt deutlich hinter sich lässt, ist Givaudan-Chef Gilles Andrier. Seit seinem Amtsbeginn hat die Aktie 184 Prozent zugelegt. Andrier ist nach Jean-Paul Clozel und Swatch-Patron Nick Hayek nicht nur der dienstälteste SMI-CEO. Auch hat er den Genfer Konzern als weltweit führenden Hersteller von Aromen- und Riechstoffen etabliert: Die Ebit-Marge ist in den letzten Jahren von 13,1 auf 21,4 Prozent geklettert und mit hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt.

Ebenfalls respektabel ist die Kursentwicklung der Nestlé-Aktie unter Paul Bulcke. Während der SMI seit Anfang April 2008 um 15 Prozent vorgerückt ist, hat das Nestlé unter Bulcke 58 Prozent an Wert zugelegt. 

Bulcke wird in Bälde von Ulf Schneider abgelöst, der erste Nestlé-externe Chef seit 1922. Schneider war in den letzten 13 Jahren beim deutschen Gesundheitskonzern Fresenius und erreichte dort eine Performance von 130 Prozent. Die Anleger beklatschten diese Rochade. Nach Ankündigung sprang die Nestlé-Aktie um mehr als 3 Prozent in die Höhe.

Neue Besen kehren gut?

Auffallend viele Chefs im SMI sind noch nicht einmal zwei Jahre im Amt. Von diesen acht ist Christian Mumenthaler (Swiss Re) der frischeste. Christian Buhl (Geberit) und Mario Greco (Zurich) sind an der Börse die Erfolgreichsten. Greco übernahm den Versicherungskonzern in einer Umbauphase. In den rund drei Monaten seiner Amtszeit hat sich die Aktie fast nur positiv entwickelt. 

Auf frische Kräfte setzt auch Syngenta. Mitten in der Übernahme durch ChemChina wechselte der Saatguthersteller den CEO aus. Der 57-jährige Amerikaner Erik Fyrwald soll der richtige Mann sein, um die Fusion in trockene Tücher zu bringen. Eine Führung, um das Vertrauen der Investoren zu wecken? Vielleicht hat Tidjane Thiam recht, wenn er sagt: "Es wird viel über die CS-Aktie gesprochen, weil ich neu bin."
 

Amtsdauer und Aktienperformance der SMI-Kapitäne

UnternehmenCEOIm Amt seitAktienperformance in %
ABBUlrich Spiesshofer15.09.2013+5
ActelionJean-Paul Clozel06.04.2000+583
AdeccoAlain Dehaze01.09.2015-27
Credit SuisseTidjane Thiam01.07.2015-55
GeberitChristian Buhl01.01.2015+17
GivaudanGilles Andrier28.04.2005+184
Julius BärBoris Collardi01.05.2009+11*
LafargeHolcimEric Olsen10.07.2015-23
NestléPaul Bulcke01.04.2008+58
NovartisJoseph Jimenez01.02.2010+41
RichemontRichard Lepeu01.04.2010+43
RocheSeverin Schwan05.03.2008+22
SGSFrankie Ng13.03.2015+15
Swiss LifePatrick Frost01.07.2014+13
Swiss ReChristian Mumenthaler01.07.2016+1
SwisscomUrs Schaeppi07.11.2013+6
SyngentaErik Fyrwald01.06.2016-2
SwatchNick Hayek01.01.2003+126
UBSSergio Ermotti15.11.2011+23
ZurichMario Greco01.05.2016+16

Stand: 11.08.2016 (Quelle: cash.ch)

* Performance seit 01.10.2009 und der Aufteilung in zwei Gesellschaften