Der Schweizer Aktienmarkt hat auf Optimismus geschaltet. Der Swiss Market Index (SMI) befindet sich bei knapp 9300 Punkten auf einem Zwei-Jahres-Hoch, und Experten halten es für denkbar, dass der Leitindex die 9500er Grenze im Zuge einer Jahresendrally noch berühren wird. Der breite Swiss Performance Index (SPI) seinerseits befand sich mit 10'643 Punkten vor wenigen Tagen auf einem Allzeithoch.
Anleger haben schon bemerkt, dass viele Aktien in letzter Zeit stark gestiegen sind und dadurch zum Teil noch höhere Bewertungen erfahren haben. Bei einigen Titeln wird die Luft dünn, beziehungsweise ist das Potential, nochmal kräftig zuzulegen, einigermassen gering. Aber es gibt auch Aktien, bei denen sich noch erfreuliche Zugewinne beim Kurs erwarten lassen. Folgende stechen dabei besonders heraus:
Leonteq (Aktienperformance 52 Wochen: +30 Prozent, Kurs-Gewinn-Verhältnis 2017: 34,4)
Der Abgang von CEO Jan Schoch vorletzte Woche ist der letzte Knall, für den der krisengeschüttelte Derivatespezialist gesorgt hat. Der Schritt erlaubt aber auch einen personellen Neustart (ein neuer CEO muss noch bestimmt werden) und lässt es zu, dass Investoren wieder mehr Vertrauen in die zwischenzeitlich gestrauchelte Finanzgruppe setzen können. Mit der Aktie geht es wieder aufwärts: Die Acht-Monate-Performance beträgt 150 Prozent. Das mag auch damit zu tun haben, dass der Grossinvestor Rainer-Marc Frey Mitte März überraschend einstieg.
Mit 70,85 Franken ist der Titel aber noch weit von den 232,90 Franken entfernt, die Mitte 2105 den Aktienkurs-Höhepunkt einer damals stark gehypten Firma darstellten. Aber dorthin könnte Leonteq durchaus zurückfinden: "Neue Konzepte wie systematische Ansätze, Faktormodelle oder Smart-Beta-Strategien könnten für Leonteq ein höchst spannendes und attraktives Tummelfeld werden", schreibt die Neue Helvetische Bank, die in Leonteq eine der spannendsten Schweizer Finanzaktien sieht.
Adecco (Aktie 52W: +36,6 Prozent, KGV 2017: 14)
Innerhalb der vergangenen zwölf Monate hat die Adecco-Aktie über ein Drittel an Wert gewonnen. Der Kursanstieg fand hauptsächlich bis Mitte Mai satt; Seitdem bewegt sich die Aktie des Temporärkräftevermittlers im Zickzack-Kurs, ohne dabei noch gross an Wert zu gewinnen. Allerdings ist der SMI-Titel derzeit in einer guten Position, die Kursfahrt weiter nach oben wieder aufzunehmen.
Etwa die Hälfte des Umsatzes des Konzerns kommt aus Nordamerika und Frankreich. In den USA und in Kanada ist der Arbeitsmarkt in einer guten Verfassung, in Frankreich dürfte er im Zuge der Macron-Reformen anziehen. Auch die Verankerung in den Schwellenländern ist bei Adecco gut. Operativ ist Adecco dank rigoroser Kostenkontrolle in einer Position, sehr schnell von einem Aufschwung profitieren zu können. Zwei weiterere Anreize sind die relativ moderate Bewertung sowie 3,6 Prozent Dividendenrendite und das Versprechen einer zumindest gleichbleibenden Dividendenpolitik.
Geberit (Aktie 52W: +10,9 Prozent, KGV 2017: 30,6)
Mitte August verfehlte der Sanitärtechnikkonzern Geberit mit den Zahlen zum zweiten Quartal die Erwartungen: Die Kosten waren höher und das Wachstum schwächer als angenommen, dazu kam ein vorsichtiger Ausblick. Der Verkauf des Aktienkurses erlebte einen Knick und ging innerhalb von drei Wochen um 8 Prozent zurück. Seitdem steigt der Kurs aber wieder.
Die Einschätzung des Managements, dass dieses Jahr 3 bis 4 Prozent Wachstum (statt erhoffter 5 Prozent) drinliegen, gilt wegen des durchwachsenen ersten Halbjahres als realistisch. Darüber hinaus dürfte sich der Ausblick aber als übervorsichtig erweisen. Geberit ist mit 60 Prozent Umsatzanteil in Euro in einer guten Lage, nicht nur von einem stärkeren Euro, sondern vor allem auch von der verbesserten Konsumstimmung in den Euro-Ländern zu profitieren. 4 bis 6 Prozent Wachstum und eine Ebitda-Marge von 28 bis 30 Prozent sollten in Zukunft wieder machbar sein. Die Innovations- und Vertiebskraft von Geberit rechtfertigt die relativ hohe Bewertung. Da die operative Leistungsfähigkeit des Unternehmens bekannt ist, dürften sich gute Erwartungen aber beizeiten einpreisen. Bei aktuell 464 Franken ist Geberit noch ein Kauf.
Arbonia (Aktie 52W: +12 Prozent, KGV 2017: 27)
Die Aktie des Gebäudezulieferers Arbonia hat seit Bekanntgabe der Halbjahreszahlen am 10. August 5 Prozent eingebüsst. Ohne die Beiträge der zugekauften Gruppen Looser und Koralle wäre der Umsatz im ersten Halbjahr gar rückläufig gewesen. Ausserdem betrug die operative Marge enttäuschende 2 Prozent. Doch kurz darauf stockte Ankeraktionär Michael Pieper gemäss "Finanz und Wirtschaft" seine Beteiligung von 20,5 auf über 21 Prozent auf – ein Zeichen, dass zumindest Pieper den Kurseinbruch als nur vorübergehend einstuft.
Arbonia sieht sich in einem grossen Umbruch, hat aber womöglich die Weichen für die Zukunft sehr klug gestellt: Einerseits wurden aus Kostengründen drei Produktionswerke von der Schweiz nach Osteuropa verlagert, anderseits wurden gezielte Akquisitionen getätigt. Nun muss das Unternehmen nur noch die eigenen Ziele erreichen: Spätestens ab 2019 soll ein nachhaltig positiver Free Cashflow generiert und wieder eine Dividende ausgeschüttet werden. Ob dieses Ziel erreicht wird hängt stark davon ab, wie reibungslos die Umstellung auf die Produktionswerke in Osteuropa ablaufen wird.
Phoenix Mecano (Aktie 52W: +7 Prozent, KGV 2017: 26)
Phoenix Mecano mit Sitz in Stein am Rhein ist in den Bereichen Gehäusetechnik und industrielle Komponenten tätig. Die plus 20 Prozent der Aktie seit 1. Januar 2017 entsprechen mehr oder weniger der Entwicklung des Gesamtmarktes (SPI +18 Prozent). Womöglich bietet dieser nicht-übermässige Kursanstieg eine Einstiegschance: Die Bank Baader Helvea zumindest empfiehlt zum Kauf der Aktie - im Vergleich zum Schnitt der Schweizer Industriewerte sei sie um 20 bis 25 Prozent unterbewertet.
Für Phoenix Mecano spricht vor allem der konjunkturelle Rückenwind aus Europa: Über 60 Prozent des Umsatzes werden in der EU erzielt, ausserdem stammt der Grossteil der Kunden aus der Industrie, was den Titel äusserst zyklisch macht. Entscheidend wird sein, ob der Turnaround im Bereich ELCOM/EMS realisiert werden kann. Diese Sparte, die sich auf elektrische Systeme fokussiert, ist zurzeit defizitär und soll gemäss Baader Helvea 2018 die Gewinnschwelle erreichen.