Technologieaktien und die «Magnificent 7» aus den USA dominieren seit Jahren die Börsen: Acht der zehn weltweit wertvollsten Unternehmen sind Technologiekonzerne. Ihre raketenhaften Kursgewinne gehören zu den eindrücklichsten an den Finanzmärkten und treiben die Indizes an. Scheinbar führt kein Weg an ihnen vorbei. 

Das stimmt nicht ganz. Denn es gibt Unternehmen, mit denen sich an der Börse ebenso gut, wenn nicht sogar besser Geld verdienen lässt. Und zwar mit weniger Risiko. Und das will doch jeder: Mit möglichst wenigen Risiken so viel Geld verdienen wie nur möglich.

Im Schatten der Überflieger

Im europäischen Markt lassen sich drei solcher Aktien finden. Sie unterscheiden sich punkto Risiko, gemessen an den Kursschwankungen, nur wenig von jener des Marktes, während der Gesamtertrag aus Kursgewinnen und Dividenden sehr hoch ist. Die Rede ist von der italienischen Post (Poste Italiane), dem französischen Einkaufszentrumsbetreiber Klépierre und dem Schweizer Versicherer Swiss Life.

Die Aktien von Poste Italiane erzielten in den letzten fünf Jahren eine Gesamtrendite von 223 Prozent. Klépierre und Swiss Life erreichten jeweils 198 beziehungsweise 235 Prozent. Diese Werte sind selbstverständlich deutlich tiefer als jene von Nvidia (1700 Prozent), Tesla (810 Prozent) oder der europäischen Überflieger-Aktie Rheinmetall (2630 Prozent). Doch ist eben auch das Risiko um ein Vielfaches geringer.

Poste Italiane und Klépierre zählen zu den sechs volatilitätsärmsten Aktien im europäischen Leitindex Stoxx 600. Dieser umfasst die 600 grössten börsennotierten Unternehmen Europas. Im US-Leitindex S&P 500 gibt es sogar nur zwei Titel mit geringeren Schwankungen.

Mit einer Volatilität von 16 Prozent liegen sie nur unwesentlich über jener des europäischen Marktes (15 Prozent). Zum Vergleich: Nvidia oder Tesla weisen jährliche Schwankungsbreiten von 56 respektive 75 Prozent auf. Rheinmetall liegt bei 47 Prozent. Die Swiss Life-Papiere gehören mit 19 Prozent ebenfalls zu den eher schwankungsärmeren Werten. 

Nicht nur für risikoscheue Anleger

Solche Aktien bieten Vorteile, die über die eines «sicheren Hafens» hinausgehen. Auch risikofreudige Anleger können daran Gefallen finden: Durch den gezielten Einsatz eines Hebels oder «Leverage» lassen sich mit diesen Titeln höhere absolute Gewinne erzielen - beispielsweise bei einem vergleichbaren Risiko von Technologiewerten.

Ermöglicht wird dies durch das günstige Verhältnis von Ertrag zu Risiko: Dabei wird der Jahresgewinn durch die jährliche Volatilität geteilt. Je höher dieser Wert, umso besser. Poste Italiane kommt auf 1,6 und zählt damit zu den besten neun Aktien Europas. Klépierre und Swiss Life erreichen 1,5 respektive 1,43. Bei den «Magnificent 7» liegen die Werte zwischen 0,41 (Amazon) und 1,38 (Nvidia).

Zwar existieren Aktien mit noch besserem Rendite-Risiko-Profil als Poste Italiane, Klépierre oder Swiss Life - etwa Rheinmetall (2) -, doch eignen sich solche riskanteren Titel nicht für eine Hebelstrategie. Hier würde ein ohnehin hohes Risiko nur weiter erhöht und kann schwere Schäden im Portfolio anrichten.

Wird ein Hebel hingegen auf Anlagen im untersten Risikosegment eingesetzt, können Investoren diese tiefen Risiken auf ein Niveau anheben, das den individuellen Bedürfnissen entspricht. Mit einem entsprechenden Anstieg der Rendite.

Investiert ein Anleger zum Beispiel 100 Prozent seines Portfolios in Nvidia, erzielt er seit 2020 eine Gesamtrendite von 1700 Prozent beziehungsweise 78 Prozent pro Jahr - bei einer jährlichen Volatilität von 57 Prozent.

Werden hingegen 346 Prozent des Portfolios in die Aktien von Poste Italiane investiert, entspricht die Portfoliovolatilität ebenfalls 57 Prozent. Durch den Einsatz des Hebels wird aus einer ungehebelten Jahresrendite von 26,5 Prozent eine gehebelte Rendite von 91,6 Prozent pro Jahr. Insgesamt beträgt der Gewinn des Anlegers damit 2582 Prozent über fünf Jahre.

Unabhängig vom Einsatz eines Hebels zeichnen sich jedoch alle drei Unternehmen durch starke fundamentale Merkmale aus: geringe Abhängigkeit von globalen Handelskonflikten, stabile Geschäftsmodelle, hohe Margen, attraktive Bewertungen und Dividendenpolitik.

Tiefe Bewertung und attraktive aber konservative Dividendenpolitik

Poste Italiane vereint klassische Post- und Logistikdienstleistungen mit Finanz- und Versicherungsgeschäft. Seit der Teilprivatisierung vom italienischen Staat - er besitzt noch gut 65 Prozent - und einer Ausgliederung im Jahr 2018 steigen Umsätze, Margen und Gewinne jedes Jahr an. Das Unternehmen erhöht zudem seit 2015 ausnahmslos die Dividenden. 

Analysten erwarten bis 2028 ein Umsatzwachstum von etwa 10 Prozent. Die Reingewinnmarge könnte von derzeit über 18 auf knapp unter 18 Prozent sinken. Das Gewinnwachstum wird deshalb auf gut 7 Prozent, das Dividendenwachstum auf 23 Prozent geschätzt.

Aufgrund der Geschäftstätigkeit verfügt Poste Italiane über einen enormen freien Cashflow. Nur etwa 44 Prozent davon werden ausgeschüttet. Die Ausschüttungsquote, also Dividenden im Verhältnis zum Gewinn, beträgt ebenfalls tiefe 40 Prozent. Damit übt der italienische Konzern die konservativste Ausschüttungsstrategie der drei Firmen. 

Poste Italiane wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11 gehandelt. Der Durchschnitt seit der Teilprivatisierung liegt bei 10. Die Dividendenrendite beträgt 5,7 Prozent.

Hohe Margen und Zinsabhängig

Klépierre ist mit einem Immobilienportfolio von rund 70 Einkaufszentren in West- und Nordeuropa mit einem Gesamtwert von etwa 20 Milliarden Euro das zweitgrösste Unternehmen in diesem Sektor. Die Firma ist abhängig von der Zinsentwicklung und dem Modemarkt - fast 40 Prozent der Mieteinnahmen stammen von Unternehmen wie Zara-Mutter Inditex, H&M oder NewYorker.

Wie auch bei Poste Italiane handelt es sich bei Klépierre um ein wachstumsarmes, aber margenstarkes Geschäft. Das erwartete Umsatzwachstum bis 2028 beträgt rund 6 Prozent. Die Reingewinnmarge liegt bei 61 Prozent und soll weiter steigen. Der Konzern nimmt hingegen grosszügige Ausschüttungen vor: Über 80 Prozent des freien Cashflows und 72 Prozent des Gewinns gehen an die Aktionäre zurück. Das KGV liegt mit 12,6 unter dem 20-Jahres-Durchschnitt von 15.

Frei werdendes Eigenkapital und Margenwachstum

Swiss Life wiederum befindet sich in einer mehrjährigen Strategieanpassung mit dem Ziel, die Einnahmen vom Versicherungsgeschäft zum Kommissionsgeschäft aus der Vermögensverwaltung zu diversifizieren. Neben dem Diversifikationseffekt profitiert der Versicherungskonzern von frei werdendem Kapital: Im Gegensatz zum Versicherungsgeschäft sind Eigenkapitalvorschriften auf die Vermögensverwaltung nicht anwendbar. Es soll deshalb ausgeschüttet werden.

Bis 2028 wird ein Umsatzwachstum von 10 Prozent erwartet, die Reingewinnmarge soll von 6 auf über 9 Prozent steigen. Zwar beträgt die Dividendenrendite trotz starkem Kursanstieg noch immer 4,2 Prozent, allerdings ist die Bewertung nun hoch: Ein KGV von 17,9 liegt deutlich über dem eigenen historischen Durchschnitt von 9,5, dem Branchenschnitt (14,5) und über jenem anderer Schweizer Versicherer. Wie Klepierre schüttet auch Swiss Life über 80 Prozent des freien Cashflows und des Gewinns aus.

Luca_Niederkofler
Luca NiederkoflerMehr erfahren