Vor einer überraschend anberaumten Sondersitzung der Notenbank in Frankfurt am Mittwochvormittag legten Dax und EuroStoxx50 je 1,3 Prozent auf 13.471 und 3523 Punkte zu. Der Euro stieg um 0,8 Prozent auf 1,0494 Dollar. "Angesichts der Tatsache, dass letzte Woche ein geplantes Treffen stattfand, riecht es nach Panik und mangelnder Kontrolle, aber der Markt ist froh, dass es passiert", sagte Marktanalyst Neil Wilson vom Broker IG Markets.

Der Ausblick der EZB bei ihrer Zinssitzung vergangenen Donnerstag auf eine Reihe von Zinserhöhungen hatte die Renditeabstände (Spread) zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und denen höher verschuldeter südlicher Euro-Länder, insbesondere Italien, weiter auseinander laufen lassen. Nun könnte Ratschefin Christine Lagarde Gegenmittel ausloten, damit die höheren Risikoaufschläge den stärker verschuldeten Euro-Ländern nicht die Luft abwürgen. "Die EZB könnte dem Markt wahrscheinlich zunächst versichern, dass sie 'alles Erforderliche' tun wird, um eine Fragmentierung zu verhindern, aber da diese Sitzung abrupt einberufen wurde, könnte sie tatsächlich das Gefühl haben, dass sie mit einem neuen Instrument eingreifen muss – vielleicht mit einer Begrenzung der Renditespreads in irgendeiner Form", sagte Wilson. EZB-Direktorin Isabel Schnabel brachte dazu bereits die flexible Wiederanlage der Gelder aus abgelaufenen Anleihen im Rahmen des billionenschweren Bond-Kaufprogramms PEPP ins Gespräch.

Italienische Bonds und Finanzwerte gefragt

Anleger griffen am Mittwoch entsprechend bei südeuropäischen Anleihen zu. Die Rendite der italienischen zehnjährigen Papiere fiel im Gegenzug um mehr als 20 Basispunkte auf 3,967 Prozent - der grösste Rutsch seit Anfang März. Auch die Verzinsungen spanischer, portugiesischer und griechischer Titel fielen deutlich. Am Aktienmarkt zogen italienische Bankentitel um mehr als sechs Prozent an. Die Geldhäuser waren wegen ihrer grossen Bestände an Staatsanleihen zuletzt mit unter die Räder geraten.

Anleger fieberten auch der Zinsentscheidung der US-Notenbank am Abend entgegen. Weil die US-Inflation im Mai überraschend noch einmal stieg, rechnen Investoren inzwischen mit einer Zinserhöhung der US-Notenbank Fed am Abend (MESZ) um 0,75 statt der signalisierten 0,5 Prozentpunkte. "Die US-Wirtschaft brummt, ganz im Gegensatz zur Euro-Zone", sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets. "Daher wird die US-Notenbank vielmehr versucht sein, die Wirtschaft abzukühlen, um sich danach nicht vorwerfen lassen zu müssen, zu wenig getan zu haben."

Kryp-Crash setzt sich fort - M&A-Fieber bei Gerresheimer

Bei den Kryptowährungen ging der Ausverkauf weiter. Bitcoin verbilligte sich um mehr als sechs Prozent auf 20'480 Dollar, Ethereum verlor mehr als zehn Prozent auf 1062 Dollar. Liquiditätsprobleme beim Verleiher von Kryptowährungen Celsius Network hatten die Unsicherheit der Anleger zum Wochenstart verstärkt. "Es ist gut möglich, das Celsius gerade im grossen Stil Kryptowährungen verkaufen muss, um Margin Calls zu decken", sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst von CMC Markets. "Die Situation scheint sich nicht zu beruhigen." Zudem fürchten Investoren, dass die US-Notenbank mit drastischen Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgt.

Am deutschen Aktienmarkt steuerten die Titel von Gerresheimer auf ihren höchsten Tagesgewinn seit knapp drei Jahren zu. Händler verwiesen auf wiederbelebte Übernahmefantasien, nachdem die Agentur Bloomberg von einer von dem Verpackungshersteller jüngst abgelehnten Offerte des Finanzinvestors Bain berichtet habe. Die Aktien legten bis zu 13,7 Prozent auf 72,20 Euro zu. Gerresheimer lehnte eine Stellungnahme ab.

Papiere von H&M fielen in Stockholm um mehr als vier Prozent, obwohl die Modekette im Quartal mit umgerechnet rund 5,1 Milliarden Euro mehr umsetzte als erwartet. Der grösste Rivale Inditex, Eigentümer des Modekonzerns Zara, hatte in der vergangenen Woche einen Gewinnsprung von 80 Prozent vermeldet.

(Reuters)