"Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen" - dieses Bonmot soll vom 1855 verstorbenen deutschen Bankier Carl Mayer von Rothschild stammen. Und es beschreibt sehr gut den Ansatz der sogenannten "Contrarians".
Diese schwimmen nämlich an der Börse gegen den Strom, setzen auf Aktien, die vom Markt geächtet werden. Sie investieren antizyklisch. Doch ein guter Contrarian setzt nicht wahllos auf alle gefallenen Aktien. Er wählt diejenigen aus, in denen Potenzial schlummert und die von den Anlegern zu stark abgestraft wurden.
Soweit zur Theorie. In der Praxis ist es natürlich nicht so leicht, wahre Contrarian-Titel ausfindig zu machen. cash hat sich in den Tiefen des Swiss Performance Index (SPI) auf die schwierige Suche nach solchen Aktien gemacht – und ist auf fünf potenzielle Contrarian-Aktien gestossen:
Orior – mehr Bio und mehr Ausland
Die Orior-Aktie hat in diesem Jahr 5 Prozent eingebüsst, auf 52-Wochen-Sicht beträgt das Minus sogar 12 Prozent. Beim Nahrungsmittelspezialisten leidet die Marge unter höheren Rohstoffpreisen, etwa bei Fleisch und Geflügel, und unter dem starken Wettbewerb in der Branche. Aber Orior schlägt sich in einem schwierigen Umfeld relativ gut und positioniert sich Dank strategischen Zukäufen derzeit neu. 2016 hat die Firma mit dem Kauf der belgischen Culinor, eine Herstellerin von Fertigmenüs, den Schritt nach Europa gewagt.
Und mit dem 2018 übernommenen Getränkehersteller Biotta wurde der Einstieg in die hochmargige Nische mit Bio-Getränken vollzogen. Im Herbst 2018 setzte man zudem mit dem Aufbau einer 35-Prozent-Beteiligung an Casualfood - die vor allem an deutschen Flughäfen präsent ist - auch ein Bein in den Bereich der Unterwegs-Verpflegung. Orior ist mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 eher günstig bewertet, zudem setzt das Management auf eine lukrative Dividendenpolitik. Bereits jetzt beträgt die Rendite 3 Prozent - künftig könnte diese weiter ansteigen.
Dufry - «Schon fast zollfrei bewertet»
Der Kurs von Dufry geht nun schon seit fast genau zwei Jahren nach unten und hat sich in dieser Zeit halbiert. Dies hat unter anderem zur Folge, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis, auf 12 Monate gesehen, noch bei 12 liegt. Dufry sei praktisch «zollfrei» zu haben, schreibt die Zürcher Kantonalbank vor kurzem in einem Marktkommentar über den Duty-Free-Konzerns.
Obwohl die Shoppinglust von Passagieren analog zum wachsenden Flugaufkommen auf der Welt steigt, steht Dufry vor Herausforderungen. Es dürfte Geduld brauchten, wenn man auf Steigerung von Margen und Cash-Flows setzt. Mit einem globalen Marktanteil von 20 Prozent und Initiativen für eine effizientere Strategie stehen die Zeichen für Dufry letztlich aber gut. Und: Mit einer Rendite von 5 Prozent ist Dufry ein guter Dividendenzahler. Dies ist kein klassisches Contrarian-Argument, aber trotzdem gut zu wissen.
Bobst - Optimisten sehen bessere Ergebnisse kommen
Der Investment-Case für die Waadtländer Industriegruppe, deren Maschinen Verpackungen bedrucken, ist nicht einfach zu begründen. Das Unternehmen verfügt zwar über einen sehr guten Namen, hat aber zuletzt mit Qualitätsproblemen, Gewinnwarnungen und Dividendenkürzungen negative Schlagzeilen gemacht.
Bobst gehört zu den Aktien, die seit Anfang Jahr wenig aufgeholt haben. Auf zwölf Monate zurückblickend ist der Kurs um 48 Prozent eingebrochen. Der Eindruck entsteht aber, dass Bobst überverkauft wurde. Optimisten sehen erfreuliche Auftragseingänge und erwarten eine sich langsam verbessernde Gewinnsituation. Der Aufbau von mehr Geschäft in Asien und der Onlinehandel, der ohne Verpackungen nicht auskommt, sollen helfen. Gute Halbjahreszahlen - sie kommen am 27. Juli - würden Bobst definitiv wieder in die Gunst der Anleger rücken.
Implenia - die Internationalisierung harzt noch
Die Kursentwicklung von Implenia ist ein einziges Trauerspiel: Minus 63 Prozent in den letzten 52 Wochen, minus 13 Prozent seit Jahresbeginn. Der Baukonzern sprach im Dezember 2018 eine Gewinnwarnung aus, die im Februar 2019 präsentierten Jahreszahlen setzten dem Aktienkurs dann erneut zu, da sie noch etwas schlimmer als befürchtet ausfielen. Mit Werten von 28 bis 30 Franken ist die Aktie derzeit so günstig zu haben wie zuletzt im Jahr 2012. Die Bank Vontobel schätzt das KGV 2019 auf tiefe 8,8.
Kursentwicklung der Implenia-Aktie in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch
Der führende Schweizer Baukonzern ist in einer Umbauphase, will international an Stärke gewinnen. Doch in Norwegen verzögert sich der Turnaround, zudem gab es auch Probleme bei anderen internationalen Projekten. Auch der Ausblick ist nicht überragend, zumal sich die europäische Bauwirtschaft nach einer Erholungsphase bald wieder eintrüben könnte. Die Hoffnung ruhen derzeit auf dem seit Oktober 2018 amtierenden CEO André Wyss – ein Quereinsteiger, der über 30 Jahre bei Novartis tätig gewesen war. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Der Auftragsbestand liegt auf einem Rekordniveau von 6,2 Milliarden Franken. Die Talsohle könnte durchschritten sein. Es genügen bereits kleinste Erfolge, um die inzwischen tiefen Erwartungen zu übertreffen.
Burkhalter – Konsolidierung der Branche erwartet
Seit dem Allzeithoch im April 2017 bei 158 Franken geht es mit der Aktie von Burkhalter praktisch nur noch bergab. Inzwischen hat sich der Wert mehr als halbiert, 76 Franken kostet der Titel noch. Der grösste Elektroinstallateur der Schweiz bekommt den harten Wettbewerb der Branche zu spüren. Konkurrenten nehmen teilweise gar defizitäre Aufträge an, was den Preis und somit die Marge nach unten drückt. 2018 ging der Gewinn bei Burkhalter um rund ein Fünftel zurück, deshalb musste auch die Dividende von 5 Franken auf 3.90 Franken gestutzt werden.
Vergangenen Monat sagte CEO Marco Syfrig im cash-Video-Interview, dass sich die Branchensituation in zwei, drei Jahren wieder verbessern werde. Er erwartet eine Konsolidierung in der sehr fragmentierten Branche, was schlussendlich wieder zu höheren Preisen führen dürfte. Wer dem erfahrenen Syfrig - er ist bereits seit 11 Jahren Burkhalter-Chef - Glauben schenkt, kann bei Burkhalter nun langsam eine Position aufbauen. Und kann sich, bis sich der Preiskampf etwas legt, immerhin an der attraktiven Dividendenrendite von derzeit 5,1 Prozent laben.