Die Meinungen über das "Short Selling", also Leerverkäufe von Aktien, sind gespalten. Die einen sehen darin ein wichtiges Instrument, um die Funktionsfähigkeit der Börse zu verbessern, da sie quasi als Korrektiv Kursexzesse abfedern können. Andere wiederum halten es für reinen Kasinokapitalismus ohne wirtschaftlichen Zweck.
Definitiv zur zweiten Kategorie gehört Tesla-CEO Elon Musk. Er ärgert sich immer wieder über Leerverkäufer, die seine Tesla-Aktie "shorten". Er nannte diese in Tweets auch schon "Wertezerstörer" und forderte, dass solche Praktiken verboten werden.
Exactly. Short-sellers are value destroyers. Should definitely be illegal.
— Elon Musk (@elonmusk) 4. Oktober 2018
Short Selling funktioniert so: Der Leerverkäufer leiht sich eine Aktie aus (zum Beispiel bei einer Bank), verkauft diese aber sogleich mit der Hoffnung, diese zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu einem tieferen Preis zurückkaufen zu können (die genau Funktionsweise von Leerverkäufen ist im Erklärvideo am Artikelende verständlich aufgezeigt). Verwendet wird diese Strategie entweder zu Absicherungszwecken, um sich vor einer möglichen Korrektur zu schützen, oder eben zum Spekulieren.
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Für Anleger ist es spannend zu beobachten, welche Aktien besonders hohe Short-Positionen aufweisen. Das bedeutet nämlich, dass Investoren dem Unternehmen wenig zutrauen und fallende Kurse erwarten. Doch Vorsicht: Short-Positionen müssen irgendwann auch wieder gedeckt werden, was wiederum die Nachfrage nach den Aktien erhöht und sogar in einer Kurshausse enden kann. Das wird dann "Short Squeeze" genannt.
Informationen zu laufenden Short-Positionen zu erhalten, ist gar nicht so einfach. Während die New Yorker Börse dazu eine Statistik führt, stellt die Schweizer Börse SIX dazu keine offiziellen Zahlen zur Verfügung. Laut Händlern sind bei folgenden Schweizer Aktien in den letzten Wochen die Short-Positionen massiv erhöht worden:
Autoneum - Das Schlimmste noch nicht vorbei?
Leerverkäufer scheinen ein neues Lieblingsziel auserkoren zu haben: Wie die Bank Mirabaud schreibt, sind die Short-Positionen bei der Autoneum-Aktie im Mai um über 28 Prozent angestiegen. Insgesamt sind nun bei Autoneum 12,5 Prozent aller ausstehenden Aktien leerverkauft. Der Autozulieferer durchlebt eine schwierige Phase, hat an der Börse in den letzten 12 Monaten fast 50 Prozent eingebüsst. 2018 musste Autoneum wegen Problemen in US-Werken und hohen Restrukturierungskosten gleich zwei Gewinnwarnungen aussprechen.
Die im März präsentierten Jahreszahlen enttäuschten erneut. Neben einer Kürzung der Dividende von 6,50 auf 3,60 Franken wurden auch die Ziele für 2020 zurückgezogen. Das Schlimmste sei noch nicht vorbei, warnten gleichzeitig die Analysten der UBS. Diese Meinung teilen zumindest die vielen Leerverkäufer.
Meyer Burger - Vielbeschäftigter VR-Präsident
Der Solarzulieferer aus Thun ist seit Jahren einer der Lieblinge der Leerverkäufer. Das hängt auch damit zusammen, dass die Aktie - derzeit nur 63 Rappen wert - immer wieder stärkere Kursausschläge aufweist. Für Short-Seller gibt es mit einem guten Timing also viel zu holen. Die Aktie hat in den letzten 52 Wochen 53 Prozent eingebüsst, in diesem Jahr aber 5 Prozent zugelegt:
Kursentwicklung der Meyer-Burger-Aktie in den letzten 52 Wochen, Quelle: cash.ch
Jüngst gab es einige Aufreger bei Meyer Burger: Als neuer Partner im Bereich der Entwicklung der Solarzellen wurde im März die britische Oxford PV bekannt gegeben, die gleichzeitig auch Meyer-Burger-Anteile zugesprochen bekam. Doch Oxford stiess diese Aktien sogleich wieder ab - nicht gerade ein Vertrauensbeweis. Hinzu kam Anfang Mai die Wahl von Remo Lütolf als neuer VR-Präsident. Kritisiert wird hier die Mehrfachbelastung: Er ist gleichzeitig auch Präsident bei Ruag und diversen kleineren Firmen. Lütolf konnte bei seiner Neuwahl an der Meyer-Burger-GV nicht einmal persönlich anwesend sein. Da gleichentags auch die Ruag-GV stattfand.
Zur Rose - Wachstumschancen intakt, aber...
Die Versandapotheke Zur Rose hat bei Leerverkäufern ebenfalls an Beliebtheit gewonnen. Fast 18 Prozent mehr Leerverkäufe gab es im Mai. Beim Börsengang im Sommer 2017 betrug der Emissionspreis 140 Franken, heute ist die Zur-Rose-Aktie nur noch 98 Franken wert - das sind 30 Prozent weniger. Zwar sind die Wachstumsfantasien weiter intakt: Aktionäre erhoffen sich durch die baldige Eroberung der Märkte in Frankreich und Italien sowie durch die mögliche Einführung des E-Rezepts in Deutschland ab 2020 einen weiteren Schub.
Doch gibt es auch Probleme: 2018 fiel der Jahresverlust höher aus als von Analysten erwartet, und im März traten zwei Verwaltungsräte zurück, dies wegen unterschiedlichen Auffassungen über Art und Geschwindigkeit der Umsetzung der Wachstumsstrategie. Am Mittwoch nun weitere "Bad News": Die Zur-Rose-Tochter Doc Morris darf in einer kleinen Gemeinde in Deutschland gemäss Gerichtsbeschluss weiterhin keine Apothekenautomaten aufstellen (cash berichtete).
Basilea – Liebling der Leerverkäufer
Keine Firma in der Schweiz ist bei Short-Sellern so beliebt wie Basilea. Kein Wunder: Ursprünglich wollte der Pharmahersteller aus Basel schon 2011/12 die Gewinnschwelle erreichen. Daraus ist bis heute nichts geworden. Der Trend des Titels zeigt schon seit einigen Jahren talwärts: Vor vier Jahren kletterte Basilea noch kurzzeitig auf 134 Franken, inzwischen gibt es den Titel für 41 Franken. Dank gestiegener Lizenzeinnahmen konnte Basilea 2018 den Umsatz zwar über der firmeneigenen Prognose steigern, doch kommt die Firma nicht aus den roten Zahlen heraus.
2019 soll nun der Absatz der bestehenden Medikamente Cresemba und Zevtera angekurbelt werden, ausserdem stehen für die nächsten Jahren weitere Mittel in der Pipeline. Gewinne liegen vorerst nicht drin, was die weitere Zukunft der Firma - die Ende 2018 noch über 223 Millionen Franken an Bargeld verfügte - weiterhin ungewiss macht. Top oder Flop, beides liegt in den kommenden Jahren drin. Ein Ideales Tummelfeld für spekulative Leerverkäufer.
Quelle: Youtube