Weniger als 11 Euro - so viel fehlt der Aktie von Kering noch bis zum Jahreshoch auf 280 Euro, erreicht Mitte Februar. Bis zum einstigen Preis von 800 Euro vor vier Jahren sind die Titel allerdings weit entfernt. Nach dem anhaltenden Abwärtstrend, der seit Jahren anhält, weht nun jedoch endlich ein positiver Gegenwind und die Titel holen jeden Tag ein Stück auf. Alleine in den letzten 10 Tagen haben die Titel 30 Euro an Wert gewonnen.
Ausschlaggebend dafür ist unter anderem der neue CEO Luca de Meo, der das Amt vom Sohn des Kering-Gründers am 15. September übernommen hat. Vor den Aktionären sagte De Meo, er werde schnell und entschlossen handeln und im Frühjahr seinen Strategieplan vorstellen. Wie Bloomberg berichtet, hat er «den schwierigsten Job der Welt»: Er muss Schulden abbauen, aufgeblähte Führungsebenen straffen und vor allem Hauptumsatzbringer Gucci wieder auf Hochtouren bringen.
Die für das Unternehmen wichtigste Marke hat in den vergangenen drei Jahren neben Managementumbildungen bereits drei Designwechsel durchlaufen. Der Umsatz von Gucci fiel in der ersten Jahreshälfte um 25 Prozent, während eine wichtige Gewinnkennzahl um mehr als 50 Prozent einbrach. Dieses Problem ist er jedoch in seiner ersten Woche bereits angegangen: Gucci-CEO Stefano Cantino verlässt Kering nach weniger als einem Jahr, dafür übernimmt die ehemalige stellvertretende Kering-CEO Francesca Bellettini sein Amt.
«Gucci verdient als Aushängeschild unserer Gruppe höchste Aufmerksamkeit, und Francesca - eine der erfahrensten und angesehensten Fachleute unserer Branche - wird die Führungsqualitäten und die makellose Umsetzung mitbringen, die erforderlich sind, um die Marke wieder an ihren rechtmässigen Platz zu bringen», begründete De Meo seine Wahl. Der Wechsel und die getroffene Wahl wurde auch von Analysten gelobt. Die Ernennung von Francesca Bellettini zur Chefin der Marke Gucci sei ermutigend, hiess es seitens Royal Bank of Canda (RBC).
Von Autos zu Luxus
Der Ex-Renault-CEO bringt breite Erfahrung bei globalen Marken wie dem Luxusautobauer Lamborghini und dem Motorradhersteller Ducati mit und hat bereits erfolgreiche Turnarounds bei Unternehmen geleitet. Seine Erfahrung in der Automobilindustrie könnte ihm verhelfen, den Turnaround bei Kering zu schaffen.
Dennoch stellt sich für ihn eine besondere Herausforderung: Er muss finanzielle Ziele mit der Förderung von Kreativität und Investitionen in die Marken abwägen. Während bei einem Autobauer Kostensenkungen vergleichsweise einfach umzusetzen sind, lebt die Luxusbranche von der Vision der Designer und hohen Marketingausgaben, um sich in einem überfüllten Markt abzuheben.
Ausserdem erfordert die Wiederbelebung der Umsätze Investitionen, was im Widerspruch zu seinen Plänen für harte Kostenschnitte steht. Und: Der vorherige CEO François-Henri Pinault bleibt Verwaltungsratspräsident. Seine Familie ist mit rund 42 Prozent der Anteile und 59 Prozent der Stimmrechte grösster Aktionär von Kering und dürfte demnach noch einiges zu sagen haben.
CEO-Wahl und ihre Auswirkung
Die Reaktion der Börse verdeutlicht die Wichtigkeit der Führungspositionen und ihres Rufes bei Anlegern. So wie der Aktienkurs von Tesla reagierte, als Elon Musk den Zuspruch seiner einstigen «Fans» verlor, oder die Kursverluste bei Nestlé unter den vergangenen zwei CEOs, legt De Meo nun ein positives Beispiel an den Tag. So wie der Markt einst in Elon Musk investierte, investieren Anleger nun in Luca de Meo.
Seitdem sich die Gerüchte verschärften und seine Ernennung bestätigt wurde, hat die Kering-Aktie immerhin um 56 Prozent zugelegt. Und dies in einem hart umkämpften und strauchelnden Markt. Im selben Zeitraum gewann der Gesamtmarkt lediglich 10 Prozent, und Hauptrivalen wie LVMH lediglich auch 10 Prozent.
Analysten trauen dem Unternehmen - oder eher De Meo - zu, dank klarer Entscheidung im Management, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und sich nachhaltig zu stabilisieren. Er trete seine neue Position mit grosser Energie, Wettbewerbsgeist und einem starken Willen zum Turnaround an. Somit dürfte das aktuell vorherrschende Pessimismus-Szenario durch eine Reihe kleiner positiver Nachrichten nach und nach gemildert werden.
Das Hauptaugenmerk liegt vor allem darin, das Team neu aufzustellen, geht aus einer Analyse von HSBC hervor. So kann der erfahrene Industriemanager die Unternehmenskultur von Kering verändern. Der Analyst merkt an, dass die Strategie von Steve Jobs bei Apple erinnert, der dafür bekannt war, kluge Köpfe einzustellen, damit diese ihm sagen, was zu tun ist - und nicht umgekehrt.
Diese Strategie scheint der neue Nestlé-Chef Nestlé Philipp Navratil nicht ganz zu verfolgen. Er verkündete via LinkedIn zwar klar, dass das Unternehmen schneller, smarter und besser werden müsse. Die Aussage, die Mitarbeitenden sollen Verantwortung übernehmen und offen für neue Ideen sein, klingt eher weniger nach der Apple-Strategie.
So oder so: Ob De Meo wirklich langfristig überzeugt und die Rückkehr des «Mojo der Marken» schafft, wie er selbst angekündigt hat, muss sich erst noch beweisen. Gemäss Bernstein dürfte die Selbsthilfe-Erholungsstory bei Kering ähnlich schwankungsanfällig verlaufen wie bei anderen Luxusgüterkonzernen in den vergangenen zehn Jahren. Auch HSBC merkt an, dass das Unternehmen voraussichtlich seine Marken- und Asset-Strategie überdenken muss und allenfalls schlecht laufende Aktivitäten einstellen, sowie die Beteiligungen der Holding Artemis - darunter Puma, Weingüter oder Christie's - neu zu organisieren.
Mit Agenturmaterial von Bloomberg.
(cash)