Die Krise in Nahost, Konjunktursorgen und der ungewisse Zinspfad der grossen Notenbanken deuten darauf hin, dass der Weg bis zum Jahresende für den Schweizer Aktienmärkte holprig bleiben könnte. Anleger und Geostrategen fürchten weiterhin, dass die blutigen Kämpfe zwischen radikal-islamischer Hamas und Israel einen Flächenbrand in der Region verursachen könnten. Ein weiterer Belastungsfaktor für die Börsen ist der im Zuge des Konflikts stark gestiegene Ölpreis, der die Inflations- und Rezessionsrisiken erhöht. Spekulationen auf ein verknapptes Angebot hatten den Preis für die Nordseesorte Brent auf Wochensicht um mehr als fünf Prozent in die Höhe getrieben.

Bisher hat der höhere Erdölpreis die Schweizer Börse nur begrenzt in Mitleidenschaft gezogen. Der Swiss Market Index kommt im Wochenvergleich auf ein Plus von 0,50 Prozent. Trotz aller negativer Einflüsse seien starke Kursrücksetzer an den internationalen Börsen zunächst unwahrscheinlich, solange sich die Unternehmensgewinne weiterhin überraschend robust entwickelten, sagt Commerzbank-Stratege Andreas Hürkamp. Mit Spannung dürfte deswegen die an Fahrt gewinnende Berichtssaison verfolgt werden. 

In der Schweiz stehen die Schwergewichte Nestlé und Roche ebenso wie die zyklischen Werte ABB, Schindler und Sika an. Bei den Small und Mid Caps präsentieren Cicor, Comet, DocMorris, GAM, Gurit, Inficon, Schindler, Rieter und Schindler die Zahlen.

Am Dienstag findet der mit Spannung erwartete Investorentag von Lonza statt. Das erfolgsverwöhnte Unternehmen war nach dem Corona-Boom in schwieriges Fahrwasser geraten. Mitte Juli hatte das Unternehmen zu seinen Halbjahreszahlen etwa die Prognose für das laufende Jahr gesenkt. Lonza konnte immerhin im Vorfeld des Kapitalmarkttages den Ausblick bestätigen. 

«Die Berichtssaison hat das Potenzial, über die Börsenrichtung der kommenden Wochen zu bestimmen», fasst Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners zusammen. «Im Extremfall kann diese Berichtssaison sogar darüber entscheiden, ob wir demnächst eine Weihnachtsrally an den Börsen sehen oder nicht.»

Anleger warten auf Signale zur Zinsentwicklung

Aus Sicht der Börsen bleibt die relativ hartnäckige US-Inflation ein Damoklesschwert, da die Zinsen dadurch für eine längere Zeit auf hohem Niveau bleiben könnten. Im Kampf gegen die Teuerung hat die US-Notenbank Fed die Leitzinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von inzwischen 5,25 bis 5,50 Prozent erhöht. Am Donnerstag wird Fed-Chef Jerome Powell im New Yorker Wirtschaftsclub einen Wirtschaftsausblick liefern, den die Anleger genau auf Zinssignale abklopfen werden. Einen Tag zuvor legt die Fed ihren Konjunkturbericht (Beige Book) vor.

Ein ernstzunehmendes Problem der US-Wirtschaft ist die weiter anschwellende Staatsverschuldung. «Mit jedem weiteren Krisenherd in der Welt scheinen die USA gefordert, gegebenenfalls militärisch - und das heisst eben auch finanziell - Hilfe zu leisten», sagen die Marktstrategen von Metzler. «Gleichzeitig ringen die USA um die Verabschiedung eines Haushalts für 2024 im Angesicht steigender Defizite und anschwellender Zinszahlungen.»

ZEW-Index aus Deutschland - Chinas Wachstum im Blick

Aus Deutschland steht am Dienstag der ZEW-Index auf der Agenda. Die Börsenprofis hatten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im September erneut etwas weniger pessimistisch gesehen. Auch im Oktober rechnen Experten mit verbesserten Erwartungen. «Die ZEW-Lageeinschätzung wird voraussichtlich stabil ausfallen. Sie hat aber in den vergangenen Umfragen bereits derart tiefe Werte erreicht, dass in den nächsten Monaten auch hier mit einer Trendwende gerechnet werden sollte», sagt Claudia Windt, Leiterin Research bei der Helaba.

Zur Wochenmitte stehen Daten zum Bruttoinlandsprodukt Chinas im dritten Quartal an. Von Reuters befragte Experten erwarten, dass die wirtschaftliche Dynamik des Schwellenlandes mit einem Wachstum von 4,4 Prozent schwächer ausfällt als im Frühjahr mit damals plus 6,3 Prozent. Die Anleger zittern angesichts zuletzt deutlicher Bremsspuren in der Wirtschaft, ob die Erholung im Reich der Mitte stark genug ist, um die Pandemie-Folgen abzufedern. Der Exportmotor stottert und der Immobilienmarkt steckt in einer anhaltenden Krise.

Grossbritannien legt am Mittwoch Inflationsdaten vor. Mit 6,7 Prozent war die Inflationsrate im August eine der höchsten in Westeuropa gewesen. «Da in der Realwirtschaft die Wirkungen der rasanten Zinserhöhungen langsam ankommen, macht das die Entscheidungsfindung für die Bank of England nicht gerade leichter», sagt Commerzbank-Experte Michael Pfister. «Fällt die Inflation nun weniger stark als erwartet, dürften sich diejenigen bestätigt sehen, die weitere Schritte der BoE als notwendig ansehen, um die Inflation in den Griff zu bekommen.»

(cash/AWP/Reuters)