In den ersten vier Handelstagen an der Schweizer Börse hat der Grosskonzerne-Index SMI den Kurs um 3,87 Prozent gesteigert. Der positive Lauf hielt bis zum Freitagabend an. Ein zwingender Indikator für das restliche Jahr sind die ersten Handelstage an der Aktienbörse trotzdem nicht. Jetzt schon alle Wetten für 2023 zu platzieren, wäre also verwegen. Das Risiko eines neuerlichen Downturns ist immer noch reell.
Die ersten vier Handelstage am Schweizer Aktienmarkt scheinen aber Entwicklungen zu illustrieren, die der Markt für die nächsten Wochen oder Monate erwartet. In der starken Vier-Tage-Performance von Richemont (+11,09 Prozent) sind die Rezessionserwartungen und die momentanen China-Prognosen enthalten. Ob der Abschwung nun sanft, unstet oder heftig wird, und in welchem Land die Rezession am tiefsten ausfallen wird, wird vom Markt puncto Luxusgüterbranche als zweitrangig gesehen. In einer Branchenstudie schreibt Barclays, dass Luxus resilient bleiben werde und dass Richemont von Europas Edelmarken-Konglomeraten besonders gut positioniert sei.
Richemont, so schreiben die Barclays-Analystinnen Carole Madjo und Wendy Lui, sei in der Branche am stärksten auf China ausgerichtet. Die schnelle Verbreitung von Corona im Land seit Mitte Dezember verstärkt die Erwartung, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt noch im ersten Halbjahr die Wirtschaft wieder öffnen wird. Die überdurchschnittlichen Kursgewinne der vergangenen Handelstage bei Swatch und den europäischen Luxushäusern LVMH, Kering oder Burberry lassen sich ebenfalls mit solchen Prognosen begründen.
Die Kurse in den ersten vier Handelstagen im SMI 2023
Schwächste Schweizer Blue-Chip-Aktie, mit einem Wochen-Kursgewinn von nur 0,45 Prozent, ist Zurich. Der Versicherer war die am besten performende SMI-Aktie 2022 mit einem Plus von über 10 Prozent. Zurich zeigte 2022 die typischen, defensiven und vertrauenseinflössenden Merkmale eines Versicherungstitels: Stabiles Geschäft, solide Einnahmen, eine bis jetzt nicht dramatische Anfälligkeit auf Zinsschwankungen.
Dafür hat der zweite globale Versicherungsnamen im SMI, Swiss Re, in den ersten Handelstagen 2023 einen Kurszuwachs von 9,74 Prozent verzeichnet - knapp weniger als Jahresauftakt-Siegerin Richemont. 2022 liess der Börsenwert von Swiss Re um 4 Prozent nach. Das Geschäft bremsten unter anderem hohe Kosten für Schadenereignisse. Die Januar-Preiserneuerungen der Rückversicherer mit Aufschlägen von im Schnitt 37 Prozent zeigte, dass der Druck immer noch hoch ist. Aufgrund schwieriger Konjunktur- und Marktaussichten bleiben Versicherungstitel am Schweizer Markt auch 2023 interessant.
Ob Swiss Re im neuen Jahr die Versicherungs-Aktie der Wahl ist und nicht mehr Zurich, ist wegen vieler Ungewissheiten beim Rückversicherer noch eine gewagte Prognose. Bei der Dividendenrendite, die mit der Dividendensaison im Frühling noch etwas stärker ins Bewusstsein rückt, hat Swiss Re immer noch die Nase vorn: 6,3 Prozent versus knapp 5 Prozent bei der Zurich.
Steigende Zinsen in den USA, sinkende Inflation in Europa
Im Jahresbeginn der Märkte spürbar sind auch, dies ganz wesentlich, die Zins- und Inflationserwartungen. In den USA sind die Anleihenkurse insgesamt gestiegen respektive die Renditen gesunken. Dies wird für den im US-Markt zu schwächeren Kursen bei Aktien in Verbindung gebracht, weil die Investoren stärker auf Rezessionstendenzen sowie eine möglichweise wieder länger negative Korrelation Anleihen/Aktien zu schauen scheinen als auf die Zinspolitik. Die Federal Reserve bestätigte mit der Veröffentlichung der Dezember-Sitzungsprotokolle lediglich ihre Bereitschaft zur Inflationsbekämpfung und weiteren Zinserhöhungen, wenn nicht so stark wie 2022.
Am Freitag trieben aber die neuesten Arbeitsmarktdaten der USA dem Markt noch zusätzlich an. Daten über ein langsameres Lohnwachstum entschärften etwas die Inflationssorgen.
In Europa war die Aktienstimmung generell noch besser. Die milden Januar-Temperaturen lassen den Gaspreis weiter fallen und machen eine ausgewachsene Energiekrise im restlichen Winter noch unwahrscheinlicher. In Deutschland fiel die Inflation zuletzt von 10 auf 8,6 Prozent, auch wenn die Lebensmittelpreise extrem hoch geblieben sind.
Dieses Stimmungsbild hat bei einigen Schweizer Aktien Erholungsbewegungen mit beeinflusst. Nach dem negativen Dezember, in dem 18 von 20 SMI-Titeln Börsenwert verloren und der Index um 3,6 Prozent zurückgesetzt wurde, ist dies unter anderen bei Werten wie Logitech (+7,61 Prozent), Credit Suisse (+7,27 Prozent), oder Zur Rose (+16,98 Prozent) beobachtbar. Dies allerdings bei Werten, die 2022 deutlich verloren haben.
In der Tendenz lässt sich aus den ersten Handelstagen durchaus eine zurückgehende Zinsangst ablesen. Zinssensitivität ist aber nicht das einzige ausschlaggebende Merkmal bei den Kursen dieser Unternehmen. In den nächsten Wochen läuft die Berichtsaison an. Gewinne und vor allem Gewinnaussichten werden genau unter die Lupe genommen. Gerade bei Logitech, CS oder Zur Rose verzeihen die Märkte eine Zahlenenttäuschung nicht.
Auch Tech-Werten wie AMS (+16,21 Prozent) und Temenos (+9,78 Prozent) kann ein positiver Schub aus gegenüber 2022 weniger dramatischen erwarteten Zins-Szenarien angenommen werden. Die vom Zinsanstieg betroffenen Chip-Werte VAT (+6,41 Prozent), Inficon (+4,18 Prozent) und Comet (+4,44 Prozent) haben sich stärker als der Gesamtmarkt entwickelt. Die vorherrschende Meinung am Markt ist, dass solche Wachstumstitel eine gute Chance auf Kursgewinne in der zweiten Jahreshälfte haben. Solange die Rezession ein Hauptthema ist, bleiben solche Titel aber verwundbar.
Allzu viel lässt sich auch nicht aus der sehr starken Kursentwicklung der drei Titel Newron (+76,13 Prozent), Kinarus Therapeutics (+75,44 Prozent) und Addex (+33,20 Prozent) herauslesen, welche die Spitze des breiten Swiss Performance Index bilden. Diese Aktien profitieren zum Teil von positiven Nachrichten - als besonders volatile Titel aus dem Biotech-Segment schwanken ihre Kurse aber stark. Newron, wo am 3. Januar Behandlungsfortschritte mit einem Schizophrenie-Medikament publiziert wurden, hat den Kurs zwischenzeitlich in der Woche mehr als verdoppelt, aber bereits wieder deutlich Gewinne eingebüsst.
Die Tops und Flops im SPI in den ersten vier Handelstagen 2023.
2 Kommentare
Und wie sehen Sie die Entwicklung bei Roche? Alle reden von Untererwicklung der Geschäftstätigkeiten! Die Wall Street spekuliert mit Shortverkäufen von ADR's.....was soll man glauben?
Die ersten Handelstage sind oft positiv.