Ausländische Aktien? Fehlanzeige. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht: Speziell bei Direktanlagen haben Schweizer Anleger einen starken Fokus auf Schweizer Aktien. Mit andern Worten hegen sie einen mehr oder weniger ausgeprägten "home bias", also eine einseitige Ausrichtung auf den Schweizer Markt.

Studien und Schätzungen beziffern den Anteil an Schweizer Aktien, die Privatanleger hierzulande halten, auf rund vier Fünftel. Auch beim Tradingangebot von cash zweiplus betrifft die Mehrheit der Trades Aktien und andere Anlageinstrumente, die an der Schweizer Börse kotiert sind. Die Nähe zum Heimmarkt ist also sehr ausgeprägt.

Aber was verleitet Anleger zu diesem Verhalten? Und schränken Sie sich damit unnötig ein? Böte die grosse, weite Welt mehr Anlegerzufriedenheit und Rendite? Betrachtet man die Leitindizes, dann bietet die Schweiz ein ernüchterndes Bild ab: Die seit Monaten anhaltende Schwäche des SMI führt dazu, dass der Grosskonzerne-Index innert dreier Jahre nur um 2,6 Prozent gestiegen ist.

Zum Vergleich: Der Zuwachs des deutschen Dax in den vergangenen 36 Monaten beträgt 21,2 Prozent, beim Dow Jones ist es etwa gleich viel. Bei dieser Gegenüberstellung ist allerdings zu beachten, dass bei der Berechnung von SMI und Dow Jones die Ausschüttung der Dividenden nicht berücksichtigt wird, beim Dax allerdings schon. Die Schweizer Variante des Dax ist der SMIC (SMI mit Dividenden).

Inländische vs. ausländische Aktien ist eine Frage der Risiko-Abwägung. Folgende Punkte beschreiben das Anlegerverhalten in der Schweiz:

Verfügbarkeit von Informationen

Man soll in nichts investieren, was man nicht versteht. Anleger wollen über Firmen Bescheid wissen, deren Aktien sie kaufen. Im Internet finden Anleger zwar bei gründlicher Recherche genügend Informationen über das Ausland, aber im Heimmarkt fühlen sich viele dennoch wohler.

Informationen  sind im eigenen Land zumindest "näher": Eine sprachliche Barriere besteht nicht, was je nach ausländischem Markt ein beträchtliches Problem darstellen kann. Die Medien im eigenen Land berichten schwerpunktmässig und detailliert über die heimische Unternehmenslandschaft, was bei ausländischen Unternehmen weniger ausgeprägt der Fall ist. Dazu kommt: Das Netz von Analysten und Experten ist dort am grössten, wo eine Firma ihren Sitz hat.

Auch Schweizer Aktien sind global

Eine Investition in die Aktie einer Schweizer Gesellschaft heisst allerdings nicht zwingend, dass jemand in die Schweizer Wirtschaft investiert. Der Umsatzanteil, den die SMI-Konzerne zusammen in der Schweiz erwirtschaften, liegt unter 20 Prozent. In der Tendenz lässt sich sagen: Je kleiner eine Volkswirtschaft, desto grösser ist der Umsatzanteil seiner grosskapitalisierten Unternehmen im Ausland. Japanische oder US-Konzerne setzen weit mehr im eigenen Markt um.

Der SMI-Konzern Adecco holt gerade einmal zwei Prozent seiner Einnahmen in der Schweiz.  Auch der Multi mit der grössten Aktie der Schweiz, Nestlé, ist zwar am Genfersee beheimatet, macht seine Geschäfte aber zu einem grossen Teil anderswo. Roche und Novartis setzen Medikamente in der Schweiz ab, aber es ist der Weltmarkt, wo die Musik spielt.

Es gibt börsenkotierte Konzerne, deren Umsatzanteil in der Schweiz fast Null ist: Holcim, DKSH oder Temenos sind Beispiele, aber auch Sika oder OC Oerlikon. Bei den Grossbanken UBS und Credit Suisse, wo sich das Auslandsgeschäft in der Finanz- und Steuersünderkrise als Risiko und das Schweizer Geschäft als Stabilisator erweis, zeichnet sich eine Trennung ab: Zumindest die CS bringt das Schweizer Geschäft demnächst separat an die Börse.

Warum dann die Schweizer Namen?

Ein Grund für eine schwerpunktmässige Wahl von Schweizer Aktien ist teilweile psychologisch: Es herrscht das Gefühl von Sicherheit vor, aber auch ein Herdentrieb. Jedoch gibt es auch handfestere Aspekte: Hierzulande kotierte Unternehmen unterliegen dem Schweizer Aktienrecht und – speziell Finanzunternehmen – der heimischen Bankenaufsicht. Auch Generalversammlungen werden nach der Schweizer Gesetzesordnung durchgeführt. Für Kleinanleger bietet dies eine gewisse Sicherheit.

Dazu kommt das Währungsrisiko: Wer im Ausland anlegt, ist Wechselkursschwankungen ausgesetzt. Nach dem Ende der Kursuntergrenze im Wechselkurs Euro-Franken vom Januar 2015 haben dies im Ausland investierte Anleger gespürt. Dieses lässt sich mittels Hedging eingrenzen, allerdings erhöhen diese Absicherungsgeschäfte die Gebühren.

Was entgeht dem Anleger?

Die beliebtesten ausländischen Handelsplätze für Schweizer Privatanleger sind die New York Stock Exchange, die US-Technologiebörse Nasdaq und die Börse in Frankfurt. Anleger finden dort unter anderem, was der Heimmarkt nicht bereithält. In der Schweiz sind auch keine Autohersteller, Flugzeugbauer oder Airlines kotiert. Die grossen Technologiekonzerne wie Apple, Samsung, Google oder Amazon sind an anderen Börsen zuhause. Wer wirklich breit diversifizieren will, kommt um ausländische Aktien eigentlich nicht herum.

"Über den Tellerrand schauen" - ist dies nun der zentrale Erfolgsfaktor einer Anlagestrategie? Die Meinungen gehen auseinander. Dank der weltweiten Vernetzung von Schweizer Firmen sieht Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank (SGKB), kein spezielles Risiko für Anleger, die vor allem Schweizer Aktien kaufen: "Schliesslich muss man die Firmen auch kennen und verstehen."

Für René Stiefelmeyer von Hinder Asset Management birgt die starke Ausrichtung der Schweizer Privatanleger auf den eigenen Markt Risiken: "Ein gewisser home bias ist gerechtfertigt, allerdings nicht in dem Ausmass wie wir ihn beobachten", sagt der Anlageexperte. Er kritisiert, dass viele Anleger grundsätzliche keine ausländischen Anlagen kaufen: "Die vergleichsweise schwache Performance des SMI dieses Jahr zeigt die Nachteile dabei."

In den Portfolios von Hinder Asset Management betrage der Schweizer Aktienanteil 20 Prozent aller Aktien, was immerhin einem siebenfachen des Gewichtes des hiesigen Aktienmarktes im globalen Kontext entspreche. Für Stiefelmeyer fehlen in den Anlagen von Privatanlegern die aufstrebenden Märkte: "Diese sind in vielen Depots völlig untervertreten.

Wechselkursrisiken seien als Gegenargument der internationalen Diversifikation nur noch bedingt gültig, sagt Stiefelmeyer: "Es sind keine komplexen Devisentermin- oder Optionsgeschäfte mehr nötig, wie das früher noch der Fall war". Wer das Wechselkursrisiko ausschalten wolle, könne dies relativ kostengünstig tun mittels währungsgesicherten ETF oder Indexfonds.

Anlageprodukte können dazu beitragen, dass der Schritt in ausländische Aktien leichter fällt. Auch Thomas Stucki von der SGKB sagt: "Für Anleger mit kleineren oder mittelgrossen Vermögen bieten sich etwa Fonds an, wenn sie auch im Ausland investieren wollen."