Zykliker und Wachstumsaktien sind etwas "ins Gerede" gekommen. Nachdem sie jahrelang mit an der Spitze der Performancetabellen standen, sind sie 2021 stärker verkauft worden. Höhere Bondrenditen, eine nicht mehr so lockere US-Notenbank Fed und zuletzt Inflations- respektive Stagflationssorgen haben der Attraktivität solcher Aktien zugesetzt.
Doch gerade Wachstumstitel und Aktien von Technologie- und hoch spezialisierten Industriefirmen finden sich typischerweise in Schweizer Fonds, die in kleine und mittelgross kapitalisierte Firmen investieren. Eine Umfrage von cash.ch bei einer Fondsmanagerin und vier Fondmanagern zeigt aber: Die Anlageprofis halten ihren Kurs.
Verkauft wurden nur wenige Positionen. Oft handelt es sich auch um begrenzte Gewinnmitnahmen oder Verkäufe im Sinne einer Ausbalancierung der Positionen Aufgestockt haben die Fondsleitungen dafür bei Reise- und Dienstleister-Aktien genauso wie bei Technologie- oder Industrietiteln. Lediglich bei einer Aktie, Temenos, gibt es zwei diametral verschiedene Standpunkte: Ein Fondsmanager hat nach den umstrittenen Drittquartalszahlen dazugekauft, ein anderer alles verkauft.
Birgitte Olsen, BB Entrepreneur Switzerland Fund, Bellevue Asset Management
Die Konjunktur schwächelt und die Inflation steigt. Trotzdem sieht Brigitte Olsen, Fondsmanagerin bei Bellevue Asset Management, kein Stagflationsszenario am Horizont aufziehen. Die Inflation werde sich normalisieren. Sie rechne vielmehr mit einer Wachstumskontinuität begünstigt durch den starken Nachholbedarf und der Beseitigung von Engpässen. 2022 werde daher ein gutes Wirtschaftswachstum aufweisen.
Die Fondsmanagerin hat erst kürzlich eine Position in der LM Group (Lastminute.com) eröffnet. Der Umsatz werde bereits 2022 das Vorkrisenniveau erreichen, während die Rentabilität dank tieferen Kosten ansteige. "Auf dem aktuellen Niveau gefällt uns auch Gurit", sagt Olsen gegenüber cash.ch. Mit Blick auf die nächsten Jahre sollte Windinfrastruktur wieder verstärkt nachgefragt werden. Gurit bleibe ein Player, der top positioniert sei.
Doch auch bei einem Schweizer "Börsenneuling" ist Olsen mit dabei: "Wir haben auch dem Team des Sulzer-Spin-offs Medmix das Vertrauen ausgesprochen und an der Kapitalerhöhung partizipiert." Das Unternehmen habe Wachstumspotenzial, vor allem im Bereich Gesundheitswesen mit den relativ hohen Markteintrittsbarrieren.
Urs von Arx, UvA Swiss Dividend Fund, Valex Capital AG
Urs von Arx investiert in Dividenden-Aktien, aber auch langfristig in Wachstumswerte. "Core-Positionen wie Sika oder Lonza haben derzeit keine hohe Dividendenrendite, weil der Markt - zu Recht - den Kurs nach oben getrieben hat." Die Turbulenzen vom September haben an der Marktstellung der Unternehmen im Fonds wenig geändert. Die relative Qualität vieler Wachstumstitel sei intakt, sagt von Arx. "Verbessert hat sich die Marktstellung durch die veränderte Zinssituation insofern für die Banken, aber da sehe ich noch keinen Grund, einzusteigen."
Verkauft hat von Arx im September die gesamte Position von Vifor Pharma: "Die veränderte Zielsetzung der Diamond-Phase-III-Studie beim Mittel Veltassa hat die Marktstellung des Unternehmens geschwächt." Nach den Drittquartalszahlen habe er auch die Position beim Bankensoftwareunternehmen Temenos vollständig liquidiert, sagt von Arx. Die Visibilität bei diesem Unternehmen sei bereits seit längerem schlecht und habe sich auch mit den neuesten Zahlen nicht verbessert.
Marc Hänni, Swiss Mid And Small Cap Equity Fund
Marc Hänni, Leiter Aktien Schweiz von Vontobel Asset Management, sieht für die nächsten Monate trotz Inflationsängsten und steigenden Anleiherenditen noch immer grösseres Kurspotential bei den Schweizer Mid & Small Caps - insbesondere bei Unternehmen mit besonders hoher Qualität und Preissetzungsmacht. Aufgestockt hat Hänni in den vergangenen Wochen beim Verpackungsglashersteller Vetropack. Das Unternehmen habe auf den Wachstumspfad zurückgefunden und ein starkes erstes Halbjahres-Ergebnis ausgewiesen. Dabei konnten Marktanteile hinzugewonnen werden.
Ebenfalls zugekauft wurde beim Vertriebsspezialisten DKSH: "Das Unternehmen ist aus unserer Sicht optimal positioniert, um von einer post-Covid Erholung in Asien zu profitieren." Zudem plane das Unternehmen mit gezielten Akquisitionen margenstärkere Unternehmensteile zu vergrössern. Trotzdem: "In den letzten Wochen haben wir bei Aktientiteln, die sich gut entwickelt haben, einige Gewinnmitnahmen realisiert," sagt Hänni gegenüber cash.ch. Dazu gehören Alcon, Straumann, Sonova und Bachem. Diese Titel blieben jedoch nach wie vor im Portfolio.
Benno Arnold, Equity Fund Small & Mid Caps von Swisscanto Invest
Benno Arnold hat für Swisscanto die "High Quality" Strategie entwickelt und ist für alle Schweizer Small & Mid Cap Produkte verantwortlich. Der Fondsmanager glaubt an einen positiven Jahresausklang an der Börse. Zwar werde der Weg bis Jahresende eher wellenförmig sein. Dennoch täten sich in den nächsten Wochen Opportunitäten auf.
"Wir sind weiterhin von dem sehr guten Geschäftsgang von Logitech überzeugt", sagt Arnold gegenüber cash.ch. Der Computerzubehörhersteller werde ein weiteres starkes Quartal abliefern. Bei den Titeln aus dem Swiss Market Index (SMI) setzt Arnold auch stark auf Nestlé. Der Nahrungsmittelkonzern habe mit starken Quartalszahlen überzeugt und das starke Engagement bestätigt.
Doch auch bei den Schweizer Mid & Small Caps sieht Arnold Chancen. Das Energie- und Infrastrukturunternehmen BKW sei ungerechtfertigterweise zurückgeblieben: "Wir engagieren uns da in Erwartung von höheren Strompreisen und aufgrund der attraktiven Bewertung." Und der Verpackungsglashersteller Vetropack sei eine "unentdeckte Perle". "Das Geschäft brummt, die Werke sind gut ausgelastet und die Bewertung ist günstig", sagt Arnold.
Martin Lehmann, 3V Invest Swiss Small + Mid Cap Fonds
Auch wenn steigende Zinsen für strukturelle Wachstumstitel ein gewisses Risiko darstellen, ändert Martin Lehmann die Strategie in seinem Fonds nach den letzten Marktturbulenzen nicht. Er sieht vielmehr Gelegenheiten: "Beim jetzigen Level muss man bei Logitech zukaufen." Er selbst wird bei diesem Titel wegen der SMI-Aufnahme von Logitech reduzieren müssen, weil er schwergewichtig in Small und Mid Cap investiert. Logitech werde aber weiterhin vom Homeoffice profitieren und der Kurs könnte nach den Zweitquartalszahlen nächsten Dienstag wieder steigen.
Lehmann hat seit April eine Position bei Softwareone aufgebaut und diese auch Ende August weiter aufgestockt: "Softwareone hat zwar Profitabilität geopfert, verfügt aber über eine gute Guidance." Zudem steht er positiv zu Temenos: "Strukturell hat die Finanzindustrie immer noch sehr viel Bedarf nach Digitalisierung." Deswegen habe er nach den Drittquartalszahlen vergangene Woche zugekauft.