Kürzlich hat eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) festgestellt, dass 95 Prozent der befragten Unternehmen keinerlei Rendite aus ihren Investitionen in die künstliche Intelligenz (KI) sehen. Derweil dürften laut den Analysten von Morgan Stanley die KI-Investitionen unaufhaltsam von 750 Milliarden Dollar auf über 3 Billionen Dollar in zwei Jahren steigen. Getrieben von der Hoffnung auf ein goldenes KI-Zeitalter steigen die Aktienkurse der Techkonzerne im Tandem.

Solange die Erträge aus diesem Geschäftsfeld ausbleiben, bleibt diese Entwicklung fragwürdig - und die globalen Anlagerisiken steigen. Abseits der Besessenheit der Finanzmärkte nach KI und den damit einhergehenden Bewertungsanstiegen vergrössern sich die Abschläge von risikoarmen Anlagen zusehends. In der letzten Gruppe sind beachtenswerte Finanzwerte zu finden.

Der Wert von Sicherheit

Es gibt «langweilige» und «nicht langweilige» Banken. Letztere erlebten besonders seit der Pandemie vor sechs Jahren ihre Blütezeit. Anlagerisiken konnten weitgehend ignoriert werden, politische Entwicklungen wirkten immer kurzlebiger, und die ausufernden staatlichen Unterstützungsprogramme für Wirtschaft und Privathaushalte förderten ein beispielloses Risikoverhalten.

Sogenannt langweilige Banken hatten dagegen eine deutlich anspruchsvollere Zeit, zumindest was die Aktienkursentwicklung betrifft. Besonders die Basler Kantonalbank (BKB) und die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) stechen hervor. Sie konnten vom jüngsten Risikoverhalten der Anleger nicht profitieren.

Während der Aktienkurs einer «nicht langweiligen» Bank (beispielsweise Swissquote) seit dem Pandemietief zeitweise über 900 Prozent angestiegen ist, dümpeln die Partizipationsscheine der BKB mit einem Kursplus von gerade mal 6 Prozent und jener der BLKB gar mit einem Kursminus von 1,7 Prozent vor sich hin.

Diese Entwicklung täuscht jedoch über einen sehr wichtigen Umstand hinweg: Die Finanzinstitute aus der Nordwestschweiz bieten etwas, was viele hochrentierende Anlagemöglichkeiten nicht haben und was von Anlegern derzeit nicht gesucht wird: Sicherheit. 

Wie günstig oder unterbewertet Sicherheit im Moment ist, lässt aufhorchen. Basierend auf den letztjährigen Ausschüttungen von 4,50 Franken erzielen die Papiere der Basler KB die höchste Rendite seit über 20 Jahren. Anleger erhalten knapp 6 Prozent. Bei der BLKB beträgt die Dividendenrendite 4,6 Prozent.

  Börsenwert Div.-Rendite
Basellandschaftliche KB 510 Mio. Franken 4,60%
Basler KB 454 Mio. Franken 5,90%
UBS 106 Mia. Franken 2,50%
Swissquote 8 Mia. Franken 1,20%

Quelle: LSEG, Unternehmen

Doch der Wert von Sicherheit schwankt. Während der Finanzkrise im Jahr 2009 bis nach der Eurokrise drei Jahre später handelten die Partizipationsscheine der Basler KB bei einer Dividendenrendite von rund 2 Prozent. Bei der Basellandschaftlichen KB sieht es ähnlich aus. 

Ein vergleichbares Beispiel ist Nestlé: Vor sechs Jahren gab der Nahrungsmittelmulti eine langfristige Anleihe zu Negativzinsen aus. Anleger bezahlten Nestlé quasi, um bei ihnen investiert sein zu dürfen. Aus heutiger Sicht scheint wenig von der damals wahrgenommenen Sicherheit des Konzerns übrig zu sein - oder wird zumindest nicht mehr als Vorteil gewertet. 

Eine Parallele kann nun zum KI-Sektor und den damit einhergehenden extremen Aktienbewertungen gezogen werden: Wer die Bewertungshöhe normalisiert und die diesbezügliche Sorglosigkeit an den Finanzmärkten als nicht endlich betrachtet, dürfte ein böses Erwachen erleben. 

Stabilität anstatt Kursgewinne

Sicherheit und der kantonale Leistungsauftrag stehen an erster Stelle bei der BKB und der BLKB - letztere hat in dieser Beziehung etwas Schlagseite erhalten, davon wird später noch die Rede sein. Das Hauptgeschäft liegt in der Hypothekarvergabe. Rund 70 Prozent machen sie an den Gesamterträgen aus. Mit der Tochtergesellschaft Bank Cler ist die Basler KB zudem gesamtschweizerisch positioniert.

Hypotheken sind in der Schweiz ein äusserst stabiles Geschäftsfeld. Gewinne erzielen die Finanzinstitute einerseits durch die Menge an ausgegebenen Krediten und andererseits durch deren Margen. Aufgrund regulatorischer Verschärfungen haben diese Margen jüngst zugelegt. Das sind gute Nachrichten für die Profitabilität der Kantonalbanken (mehr dazu hier).

Eine Frage des Eigenkapitals

Ein weiterer Vorteil ist die Kapitalisierung. Je höher die Kapitalisierung einer Bank, desto sicherer das Institut, aber umso kleiner die Eigenkapitalrendite. Für Investoren ist eine tiefe Kennzahl tendenziell zwar eher unattraktiv - ausser sie sind auf der Suche nach Sicherheit. 

Swissquote erzielt beispielsweise eine Eigenkapitalrendite (ohne immaterielle Vermögenswerte) von rund 31 Prozent. Die Basler KB erreicht im Vergleich dazu eine von 12 Prozent, die Basellandschaftliche KB 8,8 Prozent. Eine niedrige Eigenkapitalrendite belastet auch andere Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).

  KGV

Eigenkapitalrendite*

Basellandschaftliche KB 12,75 9%
Basler KB 16,7 12%
UBS 16,15 7%
Swissquote 27,32 31%

Quelle: LSEG, Unternehmen; *ohne immaterielle Vermögenswerte wie Goodwill

Die Kehrseite einer tiefen Eigenkapitalrendite ist der geringere Einfluss von Verlusten. Je höher die Hebelwirkung bei Finanzgesellschaften, umso schneller sind die Eigenmittel weg und eine Kapitalerhöhung oder staatliche Rettung muss durchgeführt werden. Die Kombination aus konservativem Hypothekengeschäft und hoher Kapitalisierung machen die beiden Kantonalbanken resistent gegen solche Szenarien.

Die beiden Arten einer Staatsgarantie

Kapitalerhöhung und staatliche Rettung führen zum letzten Vorteil: die Staatsgarantie. Ob explizit oder implizit: Banken oder Versicherer werden im Notfall vom Staat beziehungsweise vom Kanton gerettet. Der zentrale Unterschied hängt nicht davon ab, ob gerettet werden will, sondern ob die finanziellen Mittel vorhanden sind. Und das sind letztlich Steuergelder.

Im Wissen um diese Staatsgarantie, die geringe Grösse und das defensive Geschäftsmodell werden Finanzmarktakteure nur langsam auf eine Verschlechterung der Finanzlage bei den beiden Kantonalbanken reagieren - falls überhaupt. Ein Vertrauensverlust oder sogenannter «Bank Run», wie zuletzt bei der Credit Suisse, dürften bei der Basler und Basellandschaftlichen KB auch während schlechten Zeiten ausbleiben. 

Zinsen, Beteiligungen und Liquidität

Der Immobilienmarkt ist das grösste Risiko für die beiden Unternehmen. Eine Abkühlung des Immobiliensektors dürfte sich negativ auf die Margen und das Volumen des Hypothekarportfolios auswirken.

Laut Wüest Partner haben das Bevölkerungswachstum, das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) und die Inflation einen positiven Effekt auf die Preisentwicklung von Liegenschaften. Auf der anderen Seite wirken sich eine höhere Arbeitslosigkeit oder steigende Hypothekarzinsen negativ aus. 

Das sind sehr langsame Einflussfaktoren. Werden sich die US-Importzölle von 39 Prozent - die höchsten unter den Industrienationen - negativ auf das BIP-Wachstum und die Einwanderung in die Schweiz auswirken? Vielleicht. Das wird man erst in einigen Jahren wissen. Zwar ist das Risiko für Immobilien nicht zu unterschätzen, zeigt sich jedoch erst über einen sehr langen Zeitraum (mehr hier). 

Auch die Entwicklung der Leitzinsen ist für die Banken eine Gefahr. Zwar erhöhen steigende Leitzinsen die Zinseinnahmen. Gleichzeitig nimmt aber die Tragbarkeit der Schuldner ab, das Kreditportfolio verliert an Qualität. Bleiben Zinsen lange auf einem hohen Niveau, dürfte dies zu einem wirklichen Problem werden.

Auch auf die Beteiligungen der beiden KB ist hinzuweisen. Jüngst sorgte der Abschreiber der Basellandschaftlichen KB auf der Radicant-Beteiligung für Schlagzeilen (mehr hier). Er sorgte für den Abtritt des CEO und des Verwaltungsratspräsidenten. Zwar reagierte der Aktienkurs nicht spürbar auf die Entwicklungen, doch bei sehr hohen Abschreibern könnte der makellose Dividenden-Track-Record in Mitleidenschaft gezogen werden.

Im Fall von Radicant hat der Wegfall eines möglichen Wachstumsfeldes einen Einfluss auf die Bewertung der Titel, vorläufig aber nicht auf die langfristige Cash-Erwirtschaftung und Dividendenkapazität der Basellandschaftlichen KB. Intensiv wird im Kanton Basel-Landschaft nach dem Radicant-Debakel nun die Abschaffung der Staatsgarantie diskutiert - nach dem Vorbild der Berner Kantonalbank (BEKB). 

Bei der BEKB wurde die Staatsgarantie abgeschafft, nachdem die Bank in den frühen 1990er-Jahren wegen ihrer Hypothekenvergaben in eine schwere Krise geschlittert war. Der Staat musste mit 1,5 Milliarden Franken aushelfen. Die Abschaffung der Staatsgarantie ist jedoch ein langjähriger Prozess.

Investoren sollten bei der BLKB und der BKB die Liquidität der Partizipationsscheine beim Anlageentscheid berücksichtigen. Bloss durchschnittlich 350 Papiere der Basellandschaftlichen KB und 4460 Titel der Basler KB wechseln täglich die Besitzer. Die eingeschränkte Liquidität kann sich in gewissen Marktsituationen und beim Kauf oder Verkauf grösserer Positionen negativ auf den Kurs auswirken. Umschichtungen sind nur langsam über einen längeren Zeitraum möglich.

Die Summe der Vorteile gibt den Ausschüttungen enormen Stabilitätscharakter. Wer mit den dargelegten Risiken und einer Rendite von 4 bis 6 Prozent leben kann und dabei auf die unbescholtene Dividendenhistorie seit mindestens 36 Jahren vertraut, könnte an den Partizipationsscheinen Gefallen finden.
 

Luca_Niederkofler
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