Seit acht Jahren kennt der Schweizer Wohneigentumsmarkt nur eine Richtung: nach oben. Laut Daten des Immobiliendienstleisters Wüest Partner sind die Transaktionspreise in dieser Zeit um 40 Prozent gestiegen. Besonders Einfamilienhäuser verteuerten sich mit plus 42 Prozent stärker als Eigentumswohnungen (plus 38 Prozent).

Auch die Mieten legten zu. Der vom Immobiliendienstleister berechnete hedonische Angebotsmietpreisindex notiert zu Beginn dieses Jahres rund 16 Prozent höher als noch vor vier Jahren.

Diese Entwicklung könnte nun - zumindest kurzfristig - vorbei sein. In einer Branchenstudie reduziert der für Immobiliengesellschaften zuständige Aktienanalyst bei der UBS die Ratings von PSP Swiss Property und Swiss Prime Site (SPS) auf «Neutral» und «Verkaufen». Seine Begründung: Wichtige Preistreiber verlieren an Kraft.

Zinsen und Frankenstärke fallen als Wachstumstreiber aus

Das Bevölkerungswachstum, das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) und die Inflation haben laut Wüest Partner einen positiven Effekt auf die Preisentwicklung. Auf der anderen Seite würden sich eine höhere Arbeitslosigkeit, steigende Leerstandsquoten oder steigende Hypothekarzinsen negativ auswirken. Letztere Gruppe an Faktoren hat dabei den grösseren Einfluss auf die Preisentwicklung.

Die Hypothekarzinsen werden wiederum von Angebot und Nachfrage sowie dem allgemeinen Zinsniveau in der Schweiz - festgelegt durch die Schweizer Nationalbank (SNB) - beeinflusst. Im Juni dieses Jahres senkte die SNB die Leitzinsen auf 0 Prozent.  

Zwar hat SNB-Präsident Martin Schlegel Negativzinsen nicht explizit ausgeschlossen, doch dürften die Hürden für eine erneute Einführung nach dem Experiment mit der Negativzinsphase von 2015 bis 2022 gestiegen sein. Die eingeschränkte Wirkung, verbunden mit hohen Kosten, dürfte dabei eine zentrale Rolle spielen. 

Vor diesem Hintergrund rechnet UBS-Analyst Tommaso Operto mit einem Nachlassen des Rückenwinds für den Immobilienmarkt. Die Zinsen hätten ihren Tiefpunkt erreicht und der Schweizer Franken dürfte sich abschwächen. Was die Nullzinspolitik für den Hypothekarmarkt bedeutet und welche Finanzierungsoptionen derzeit attraktiv sind, berichtete cash.ch hier.

Überbewertete Immobiliengesellschaften

Da der jahrelange Preisanstieg ebenfalls zu einem Bewertungsaufbau bei Objekten und Immobiliengesellschaften geführt hat, fürchtet der UBS-Experte Operto, dass sich dies nun negativ auswirken könnte.

Unter- oder Überbewertungen bei Immobilien festzustellen, ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Die Wahl der Bewertungsmethode, Lage und Ausbau des Objekts sowie eine Reihe von quantitativen und qualitativen Faktoren sind für das Ergebnis entscheidend.

Die Unter- und Überbewertung von Immobiliengesellschaften festzustellen ist dagegen relativ einfach. Eine Marktkapitalisierung über dem «NAV» (Net Asset Value für Nettovermögenswert) bedeutet so viel wie: Der Börsenwert ist höher als alle sich im Unternehmen befindlichen Immobilienobjekte zum aktuellen Wert. Ferner sei angemerkt, dass in diesem Wert die zukünftigen Mieteinnahmen berücksichtigt sind. 

Der Investor zahlt also mehr für das Unternehmenskonstrukt als für die Summe der einzelnen Immobilien. Je nach Höhe der zusätzlichen Aktiven in der Bilanz ist das gerechtfertigt, oder nicht. Dieses sogenannte «Agio» ist besonders seit dem Negativzinsumfeld bei den Immobiliengesellschaften vorzufinden. Während der 1990er-Jahre handelten viele dieser Unternehmen stattdessen mit einem «Disagio» - sie waren also günstiger bewertet. Ersteres kommt einer Überbewertung, letzteres einer Unterbewertung gleich.

Aktuell befindet sich das Agio auf einem historisch hohen Niveau. Beispielsweise notiert die SPS-Aktie laut dem UBS-Analysten rund 17 Prozent über dem erwarteten NAV. Bei PSP liegt der Aktienkurs gut 14 Prozent über dem NAV pro Aktie. Der gesamte Schweizer Immobiliensektor handelt etwa 15 Prozent über dem NAV. 

Laut UBS liegt die Bewertung der Schweizer Titel rund 40 Prozent über jener der europäischen Mitstreiter. Historisch gesehen hatten Schweizer Immobilientitel hingegen nur einen geringen Aufschlag. Diese Ausgangslage könnte eine negative Kursentwicklung mit sich ziehen, so der Analyst.

Immobilienaktien als Vorlaufindikator?

Der Immobilienmarkt entwickelt sich nur langsam, Wendepunkte werden oft erst Monate später erkannt. Der Aktienmarkt preist zukünftige Entwicklungen dagegen deutlich schneller ein.

Die Pandemie war ein solches Beispiel dafür. Die Aktien beider Immobiliengesellschaften verloren innerhalb weniger Wochen mehr als ein Drittel ihres Werts. Die Kurse erholten sich jedoch erst vor rund zwei Jahren. Die Erholung hing mit den Markterwartungen zukünftiger Zinssenkungen in der Schweiz zusammen.

Der Aktienmarkt hat alle drei Phasen im Voraus korrekt eingepreist. Erstens die Flaute bei den Geschäftsimmobilien nach der Pandemie (Kurssturz im März 2020), zweitens den Zinsanstieg infolge des Inflationsschubs (ausbleibende Kursgewinne bis Ende 2023) und schliesslich die Zinssenkungen der SNB ab September 2024 (Kursanstieg ab Ende 2023).

Seit den Höchstständen Ende Juni haben die SPS- und PSP-Titel 7 respektive 6 Prozent verloren. Entsprechend stellt sich die Frage, ob dies ein Hinweis auf eine Verlangsamung im Immobiliensektor ist. Aufgrund der Unterschiede in den Immobilienportfolios sind die Unternehmen unterschiedlich von einer solchen Entwicklung betroffen. Besonders das schwächste Glied des Immobilienmarktes dürfte betroffen sein: Geschäftsobjekte. 

Die Preise für gewerbliche Immobilien konnten mit der positiven Entwicklung bei Wohnliegenschaften in den letzten Jahren nicht Schritt halten. Die Angebotsmieten im Bürosegment liegen zum Beispiel heute bis zu 6,7 Prozent unter dem Niveau von 2017. Deshalb gilt: Je höher der Geschäftsimmobilienanteil im Portfolio, umso empfindlicher dürfte die Aktie reagieren. 

Interessant wird aber auch die Entwicklung bei den Einfamilienhäusern sein: Seit vielen Jahren haben sich die Preise in diesem Segment weitgehend von der Entwicklung bei den Eigentumswohnungen sowie Geschäftsliegenschaften entkoppelt - und ohne grosse Einbussen verteuert. 

Die Nachfrage ist hoch, das Angebot knapp und der Wohlstand der oberen Einkommensklassen hat zugenommen. Es dürfte daher nicht überraschen, wenn auch dieses Mal die Marktschwäche keinen Einfluss auf die Preisentwicklung bei den Einfamilienhäusern hat.

Luca_Niederkofler
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