Nestlé, Roche oder Novartis: Die Aktien der drei defensiven Schwergewichte des Swiss Market Index standen jahrelang auf Listen krisenerprobter Schweizer Aktien. Doch die US-Zollpolitik den USA und auch hausgemachte Probleme lassen auch diese drei «Bollwerke» unsicher erscheinen. Nach einer Beinahe-Kurshalbierung seit 2022 steht zum Beispiel der Aktienkurs von Nestlé heute auf dem tiefsten Stand seit neun Jahren.

Aber es sind nach wie vor Aktien aus dem defensiven Sektor, welche profitieren, wenn an den Finanzmärkten die Unsicherheit umgeht. Man muss nur genauer suchen. Man wird unter anderem etwa fündig bei Firmen, welche sich auf den Binnenmarkt konzentrieren. Bereits in der Vergangenheit haben Immobilien-, Versicherungs- oder Telekomtitel gezeigt, dass sie Krise können. Seit Anfang Jahr verzeichnen Titel aus diesen Sektoren eine Kursperformance zwischen 15 und 76 Prozent, während der Schweizer Aktienmarkt gemessen am SPI «lediglich» acht Prozent hinzugewonnen hat. Hier eine Auswahl

Galenica

Die Berner Gesundheits- und Logistikfirma vermag sich im aktuell unsicheren Umfeld behaupten und steigerte Umsatz und Gewinn im Ersthalbjahr. Laut Analysten profitieren die Titel von ihrer stark defensiven Natur, dem fast ausschliesslichen Fokus auf den Schweizer Markt und den gut kontrollierten operativen Risiken. Die Aktien haben sich in den letzten sieben Jahren im Wert verdoppelt, hatten nie einen grösseren Rückfall und stehen auf Rekordniveau.

Sandoz

Die ehemalige Novartis-Tochter entwickelt sich seit ihrer Abspaltung im Herbst 2023 an der Börse positiv. Der Kurs hat sich seither verdoppelt.  guten KostenkontrolleAuch im laufenden Geschäftsjahr ist der Generikahersteller aus Basel auf gutem Weg, die eigenen Ziele zu erreichen. Der Umsatz soll im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen. Derzeit rät kein Analyst zum Verkauf der Titel. Sie sind sich jedoch uneins, ob die Fundamentaldaten weiteres Aufwärtspotenzial bieten. Seit Jahresbeginn hat der Aktienkurs über 26 Prozent hinzugewonnen.

Holcim

Der Holcim-Aktie tut die Abspaltung seines Nordamerika-Geschäfts Amrize von Ende Juni sehr gut. Der drittgrösste Baustoffhersteller der Welt ist nun unabhängiger aufgestellt und kann seinen Firmenumbau weiter vorantreiben. Die Nachfrage nach CO2-reduzierten Zement- und Betonprodukten wächst weiterhin überdurchschnittlich, was besseres Pricing und Kostenvorteile ermöglicht und ein wichtiger Margentreiber für die Zukunft bedeutet. Der Konzern hat im ersten Semester Holcim trotz weniger Umsatz mehr verdient. Die Aktie überzeugt auch mit einer hohen Dividendenzahlung.

Vaudoise

Vaudoise ist der einzige Versicherer an der Schweizer Börse, der sich ausschliesslich auf den Heimmarkt konzentriert und damit gegen mögliche Fehlentwicklungen in Auslandsgeschäften gefeit ist. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren ein attraktives Wachstum erzielt und das Eigenkapital um über 60 Prozent erhöht - bei steigendem Reingewinn. Zudem lockt eine höhere Dividende. Die Aktien lagen im Jahr 2003 noch unter 60 Franken, heute wird mehr als das Zehnfache davon registriert.

Swiss Life

Wie andere grosse Schweizer Versicherer geriet auch Swiss Life um die Jahrtausendwende in eine Krise. Seither wurde das Geschäft resistenter gemacht und auf Langfristigkeit ausgerichtet. So auch bei Swiss Life, dem grössten Schweizer Lebensversicherer. Der Aktienkurs hat sich seit Ende 2020 verdreifacht. Seit einigen Jahren hat Swiss Life zudem das stärkste Dividendenwachstum am Schweizer Aktienmarkt. Sollte es zu einer Krise im Immobiliensektor weltweit kommen, dann könnte der riesige Immobilienbestand der Versicherungsgruppe ein gewisses Risiko darstellen.

Burkhalter

Die Elektroinstallateur-Gruppe operiert nur in der Schweiz, übernimmt seit Jahren kleinere Mitbewerber, hat eine robuste Bilanz und verfügt über kontinuierliche Cashflow-Generierung. Das Unternehmen dürfte auch zukünftig etwa 90 bis 95 Prozent des Nettogewinns als Dividende ausschütten, was für 2025 eine Rendite von mehr als 3 Prozent bedeutet. Burkhalter ist allerdings in einem wettbewerbsintensiven, gesättigten Markt mit begrenztem organischem Wachstum tätig. Die Aktie befindet sich dennoch bei einem Rekordhoch.

St. Galler Kantonalbank

Die Aktien der St. Galler Kantonalbank, wie auch die übrigen Kantonalbanken, gelten in unsicheren Zeiten traditionell als Rückzugsort für verunsicherte Investoren. Dies einerseits wegen der Staatsgarantie für die Unternehmen, andererseits haben sie kaum Aktivitäten im risikobehafteten Investmentbanking und setzen auf Retailaktivitäten wie dem lukrativen und einigermassen sicheren Hypothekargeschäft. Seit rund einem Jahr ist die Aktie der St. Galler Kantonalbank wieder stärker gefragt, ein «Kursheuler» war sie in den letzten 15 Jahren aber nicht. Zum Allzeithoch aus dem Jahr 2007 rund 25 Prozent.

Swiss Prime Site

In unsicheren Zeiten ist auch «Betongold» gefragt, sprich: Immmobilien. Doch schon mit der Einführung der Negativzinsen in der Schweiz im Jahr 2015 und der damit verbundenen tiefen Kreditkosten legten die Aktienkurse von Immobiliengesellschaften wie Swiss Prime Site deutlich zu. Das Portfolio von Swiss Prime Site, dem grössten börsenkotierten Schweizer Immobilienkonzern, umfasst 139 Objekte, die sich zu 55 Prozent in Zürich und der Zentralschweiz befinden. Eine deutliche Preiskorrektur am Schweizer Immobilienmarkt ist laut Experten der UBS «weiterhin unwahrscheinlich.»

Orell Füssli

Mit Blick auf die letzten 15 Jahre war der Aktienkursverlauf der Zürcher Traditionsfirma eher langweilig und ereignislos. Die Aktie befindet sich weit vom Rekord entfernt. Doch in letzter Zeit hat der Titel gut aufgeholt und befindet sich auf einem Vier-Jahreshoch. Die Firma ist strategisch breit abgestützt, profitiert von einer starken Nachfrage im Bereich Sicherheitsdruck sowie von der Digitalisierung staatlicher Dokumente. Das Buchgeschäft bleibt trotz Wandel stabil und die Dividende ist attraktiv. Die Aktie könnte weiter aufholen.

Swisscom

Die Aktien der grössten Schweizer Telekommunikationsanbieterin ist ein «Sicherheits-Klassiker» schlechthin. Dies einerseits wegen des Bundes als Mehrheitsaktionärin, andererseits wegen des defensiven Geschäftsmodells, das konstant hohe und stabile Dividenden generiert. Der Zukauf von Vodafone Italia könnte zur ersten Dividendenerhöhung seit 15 Jahren führen. Die Aktie befindet sich auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren.

Monique Misteli
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