Der cash Insider berichtet im Insider Briefing börsentäglich von brandaktuellen Beobachtungen rund um den Schweizer Aktienmarkt und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Um im September Schneeflocken fallen zu sehen, muss man aufs Jungfraujoch oder sich gemeinsam mit den Töchtern Disney's "Die Eiskönigin" anschauen. Seit Mittwochnacht unserer Zeit kann man aber auch an die New Yorker Börse. Dort feierte der Softwarehersteller Snowflake ein rauschendes Debüt.

Bei 120 Dollar das Stück ausgegeben, eröffneten die Aktien bei 245 Dollar - stieg in der Folge bis auf 319 Dollar - nur um dann bei 256 Dollar aus dem Handel zu gehen. Auf Basis der Schlusskurse wird Snowflake mit gut 70 Milliarden Dollar bewertet. Das ist eine ganze Menge für ein Unternehmen, welches in der ersten Jahreshälfte einen Umsatz von 242 Millionen Dollar erwirtschaftete und noch immer tiefrote Zahlen schreibt.

Zur Erinnerung: Ursprünglich sollten die Aktien zwischen 75 und 85 Dollar bei Investoren platziert werden. Noch im Februar wurde der Softwarehersteller im Zuge der damaligen Finanzierungsrunde "bloss" mit 12,5 Milliarden Dollar bewertet.

Sowieso sind Exzesse an der New Yorker Börse mittlerweile an der Tagesordnung. So reicht der gewöhnliche "Triple-Q" auf den Nasdaq-100-Index dortigen Anlegern nicht länger. Stattdessen ziehen sie ihre Gelder aus dem börsengehandelten Fonds ab und setzen stattdessen lieber über einen ähnlich gelagerten Fonds mit dreifachem Hebel auf das Technologiebarometer.

Und auch kurzlaufende Call-Optionen auf beliebte Tech-Giganten wie Microsoft, Apple und Co. erfreuen sich einer regen Nachfrage wie noch nie. Alleine in den letzten zwei Wochen flossen am Prämienvolumen gerechnet unter dem Strich 23 Milliarden Dollar in besagte Call-Optionen.  Als ob die Aktien nicht schon selber starken Kursschwankungen unterlegen würden. Allem Anschein nach haben amerikanische Kleinstinvestoren nichts aus dem schmerzhaften Rücksetzer von Ende August gelernt. Bleibt zu hoffen, dass der besagte Rücksetzer nicht bloss ein erster Vorgeschmack auf das war, was noch kommen könnte.

Zumindest wenn es nach den Strategen von J.P. Morgan geht, steht uns ein heisses Schlussquartal bevor. Sie rechnen nämlich vor, dass sich Pensionskassen und Staatsfonds in New York unter dem Strich von Aktien im Gegenwert von bis zu 200 Milliarden Dollar trennen müssen, wollen sie ihre Wertschriftenportfolios wieder in Einklang mit der Strategie bringen. Ein solcher Betrag liesse sich nicht einfach eben mal schnell so absorbieren...

Ein Problem hätten dann auch viele Fondsmanager. Wie die neuste Umfrage von Merrill Lynch zeigt, waren Fondsmanager und Vermögensverwalter noch nie so heiss auf amerikanische Technologieaktien. Dieses Umfrageergebnis fällt derart klar aus, dass es in der Geschichte dieser Umfrage bisweilen einmalig ist. Man muss kein eingefleischter Börsenexperte sein, um zu erahnen, dass das auf Dauer nicht gut kommt.

Auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt häufen sich die Anhaltspunkte für eine Überhitzung. Genauso wie in New York fliesst das Geld auch hierzulande fast ausschliesslich in eine Handvoll Einzelaktien wie etwa jene von Lonza, Bachem oder Sika.

Wie kreativ man als Aktienanalyst in diesen Tagen sein muss, stellte gestern Donnerstag Patrick Creuset von Goldman Sachs unter Beweis. Er preist neuerdings die Aktien von Sika zum Kauf an. Dass die Papiere des Bauchemieherstellers keinen Franken mehr vom Rekordhoch trennen, scheint ihn nicht davon abzuhalten. Ganz im Gegenteil: Er veranschlagt gar ein 12-Monats-Kursziel von 287 Franken.

Interessant ist vor allem die Begründung des Analysten. Er sieht im Erfolgsunternehmen aus Baar einen Profiteur des Kampfes gegen den Klimawandel und in dessen Aktien folglich eine spannende Wette.

Geradezu beeindruckender Höhenflug der Sika-Aktien in den letzten fünf Jahren (Quelle: www.cash.ch)

Ich habe schon so manches Kaufargument für die Papiere von Sika gehört. Dieses Argument ist jedoch auch mir völlig neu. Eigentlich würde man einen Bauchemiehersteller zuletzt als Profiteur des Kampfes gegen den Klimawandel vermuten. Das zeigt, wie kreativ Analysten sein müssen, wollen sie gut gelaufene Aktien selbst jetzt noch zum Kauf empfehlen. Ob das wirklich eine gesunde Entwicklung ist? Ich weiss es nicht.

Für den "Scoop der Woche" sorgte das Onlineportal Inside Paradeplatz, als es von Hochzeitsplänen zwischen der UBS und der Credit Suisse berichtete. Diese Spekulationen gingen – über die Landesgrenzen hinaus - wie ein Lauffeuer rund um den Globus und liessen die Aktienkurse der beiden Schweizer Grossbanken zu Wochenbeginn kräftig steigen.

Für mich war von Beginn weg klar: Politisch (Too-big-to-fail-Problematik) und wettbewerbsrechtlich (kombinierter Marktanteil von bis zu 60 Prozent im Heimmarkt Schweiz) hätte dieses Unterfangen nie wirklich eine Chance.

Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die beiden ewigen Erzrivalen in Geschäftsfeldern wie etwa der Vermögensverwaltung oder dem Investment Banking mögliche Anknüpfungspunkte prüfen. Gerade im Investment Banking graben die übermächtigen amerikanischen und asiatischen Rivalen den beiden Schweizer Grossbanken seit Jahren das Wasser ab. Gemeinsam liesse sich diesen wenigstens Paroli bieten. Die Spekulationen dürften deshalb wohl doch mehr als bloss ein "Sturm im Wasserglas" sein. Dennoch werden bei den Valoren von UBS und Credit Suisse zuvor spekulativ aufgebaute Positionen wieder auf den Markt geworfen. Wie gewonnen, so zerronnen.

Als Gewinner gehen Meyer Burger und AMS aus der Woche hervor. Bei den Aktien von Meyer Burger ist einmal mehr von grösseren Käufen aus dem süddeutschen Raum zu hören. Die dortige Medienpräsenz des Solarzulieferers fällt wohl nicht nur mir, sondern auch deutschen Mittelständlern auf. Spekulationen zufolge kaufen sich diese nämlich ein.

Käufe aus dem deutschen Raum verleihen den Aktien von Meyer Burger Flügel (Quelle: www.cash.ch)

Bei AMS zündeten hingegen erfreuliche Zahlenfakten seitens von Osram Licht ein kleineres Kursfeuerwerk. Seit August läuft das Tagesgeschäft besser als erwartet, was ewige Pessimisten wie etwa Analyst Frédéric Yoboué von Bryan Garnier zusehends in Erklärungsnot bringt. Der Analyst erhöht zwar sein Kursziel leicht auf 15 (zuvor 14) Franken, hält gleichzeitig jedoch an seiner Verkaufsempfehlung für die Aktien von AMS fest.

Wer letzten Freitag meine Kolumne bis zu Ende las, für den kommt das solide Tagesgeschäft bei Osram Licht nicht überraschend. An diesem Tag schrieb ich:

Wie seit dem frühen Freitagmorgen bekannt ist, trennt sich der Berner Pharmahersteller Vifor für 435 Millionen Franken plus zukünftiger Gewinnbeteiligung vom Sorgenkind OM Pharma. Käufer ist die Optimus Holding, an welcher auch der ehemalige "Mr. Galenica" Etienne Jornod substanziell beteiligt ist.

Transaktionen, bei denen frühere Führungskräfte involviert sind, sind oft nicht unproblematisch – Stichwort Interessenkonflikte. Analysten versichern mir gegenüber allerdings, dass der Verkaufserlös aus Sicht der Vifor-Aktionäre attraktiv sei. Das ist doch gut zu wissen. Ich wäre nicht überrascht, kämen auch letztere im Zuge einer Sonderdividende oder eines Aktienrückkaufprogramms zum Handkuss.

Bereits im Vorfeld des grossen Derivatverfalls zeichneten sich auch am Schweizer Aktienmarkt erste Branchenrotationen ab. Es macht ganz den Anschein, als ob mächtige ausländische Grossinvestoren vermehrt wieder Gefallen an den hiesigen Indexschwergewichten Roche und Novartis finden. Das wiederum sollte auch dem SMI helfen.

Ich verabschiede mich an dieser Stelle für zwei Wochen in die Ferien. Das Insider-Briefing um 8.30 Uhr erscheint auch während meiner Abwesenheit. Ich wünsche allen meinen Leserinnen und Lesern eine gute Zeit, steigende Kurse – und bleiben Sie gesund!

 

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