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Nach einer verlustreichen ersten August-Hälfte konnte der Swiss Performance Index (SPI) zuletzt wieder Boden gutmachen. Mittlerweile errechnet sich beim breit gefassten Börsenbarometer seit Jahresbeginn wieder ein Plus von gut fünf Prozent.

Das ändert allerdings nichts daran, dass schon seit Wochen eine immer grössere Anzahl an Einzelaktien neue Jahrestiefs schreibt. An den Schlusskursen gemessen waren es zuletzt jene von Aluflexpack, Asmallworld, Calida, Evolva, Kudelski, Metall Zug, Novavest, SHL Telemedicine, Warteck und Wisekey, wie in einem Kommentar von Mirabaud Securities emsig aufgezählt wird. Selbst vor den Genussscheinen von Roche und den dividendenstarken Valoren der Cembra Money Bank scheint der Kurszerfall keinen Halt zu machen.

Zieht man zu den Schlusskursen auch die im Tagesverlauf bezahlten Kurse hinzu, gibt es noch viele weitere Aktien mit neuen Jahrestiefs – beispielsweise jene von Barry Callebaut, Idorsia oder der Swatch Group. Man könnte schon fast von einem schleichenden Bärenmarkt sprechen, zumal auch immer mehr Aktien eine negative Jahresbilanz aufweisen.

Die Gründe, weshalb Anleger diese Titel regelrecht aus ihren Wertschriftenportefeuilles kippen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch finden sich einige der genannten Unternehmen in einer recht ähnlichen Situation wieder.

Nehmen wir Idorsia. Dass sich das Pharmaunternehmen aus Allschwil mit dem Verkauf von Teilen des Asien-Geschäfts bloss Zeit erkauft hat und schon Anfang nächstes Jahr wieder auf zusätzliche Gelder angewiesen ist, gilt als ein offenes Geheimnis. Kürzlich musste gar Ankeraktionär Jean-Paul Clozel mit einem Überbrückungskredit einspringen, weil die Tinte auf dem Verkaufsvertrag für das Asien-Geschäft noch nicht trocken war.

Kursentwicklung der Idorsia-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: www.cash.ch)

Die Frage lautet nicht ob, sondern vielmehr wann die Baselbieter die Aktionärinnen und Aktionäre um zusätzliches Geld bitten müssen. Für die Leerverkäufer ist die Rechnung deshalb denkbar einfach: Je tiefer sie den Aktienkurs im Hinblick darauf drücken können, desto tiefer muss das Unternehmen im Zuge einer Kapitalerhöhung den Ausgabepreis für die neuen Aktien ansetzen. Wie Erhebungen der Beratungsfirma S&P Global Market Intelligence zeigen, wurde vor wenigen Wochen mit jeder fünften ausstehenden Aktie gegen Idorsia spekuliert. Bei einem knappen Drittel der leerverkauften Titel dürfte es sich indes um Absicherungstransaktionen seitens von Wandelanleihe-Gläubigern – sogenanntes "Delta-Hedging" - handeln.

Die Baselbieter stehen stellvertretend für andere Verluste schreibende Unternehmen und/oder solche mit Appetit nach neuem Kapital. Ich denke da etwa an Aluflexpack, Evolva oder Kudelski.

Bei der Swatch Group ist hingegen weder das eine, noch das andere der Fall. Dass die Schweizer Uhrenexporte im Juli erstmals seit 27 langen Monaten im Jahresvergleich rückläufig waren, liess die Aktienkurse beim Uhrenhersteller aus Biel am Dienstag auf den tiefsten Stand seit November zurückfallen. Insbesondere der prozentual zweistellige Rückgang bei den Uhren im tiefen (bis 200 Franken) und mittleren (200 bis 500 Franken) Preissegment sorgte für enttäuschte Gesichter.

Nur eine Heraufstufung der Inhaberaktien von "Untergewichten" auf "Marktgewichten" bei einem Kursziel von 240 (zuvor 260) Franken durch die Basler Kantonalbank wusste gestern Mittwoch dann noch Schlimmeres zu verhindern. Allerdings schliesst Analyst Elmar Sieber nochmals tiefere Kurse nicht kategorisch aus, sollte sich die chinesische Wirtschaft schlechter als gedacht entwickeln.

Nicht nur am Hauptsitz in Biel gilt China als der wichtigste Absatzmarkt der Swatch Group. Da überrascht es nicht, wenn die zuletzt schwachen Nachrichten aus der dortigen Wirtschaft an der Börse alles andere als goutiert werden. Und auch von der Kauflaune bei den chinesischen Reisenden scheint man sich mehr erhofft zu haben.

Kurzfristig helfen könnten da Aussagen von Firmenchef Nick Hayek, wonach der Uhrenabsatz im Juli erfreulich verlaufen sei. Gar von hohen Wachstumsraten ist die Rede, wie ich einem Kommentar aus der Feder des für Kepler Cheuvreux tätigen Analysten Jon Cox entnehme. Er preist die Inhaberaktien denn auch mit einem Kursziel von 420 Franken zum Kauf an.

In einem hartnäckigen Stimmungstief befinden sich auch die Valoren von Barry Callebaut. Ein Fall von Salmonellen in Wieze sowie ein schwächer als erwartet ausgefallener Zahlenkranz für die ersten neun Monate haben Spuren in der Kursentwicklung hinterlassen.

Kursrückgang bei den Aktien von Barry Callebaut seit Januar (Quelle: www.cash.ch)

Selbst verteidigende Kommentare von Research Partners, UBS und Credit Suisse oder der Deutschen Bank konnten den Kurszerfall nicht aufhalten. Analystin Jasmine Vogt von Research Partners hat sogar ein Kursziel von 2800 Franken für die Aktien des Schokoladeherstellers ausstehend, was aus heutiger Sicht fast einer Kursverdoppelung gleichkäme.

Eine alte Börsenweisheit besagt, dass man nicht ins fallende Messer greifen sollte. Eine andere wiederum rät zum Kauf von Aktien, wenn die Kanonen donnern. An der Börse sind gerade die Schnäppchen-Jäger für ihre hohe Selektivität bekannt, wenn es darum geht, ins fallende Messer zu greifen. Wer auf eine Flut hofft, die sämtliche Boote hebt, könnte enttäuscht werden.

Zumindest gibt aber das Kursfeuerwerk von gestern Mittwoch bei den Genussscheinen von Roche auch bei anderen Unternehmen etwas Hoffnung. Denn obwohl die durchgesickerte Zwischenanalyse zur Tiragolumab-Studie in Analystenkreisen heruntergespielt wurde, ging das diesjährige SMI-Schlusslicht um gut vier Prozent höher aus dem Handel. Das zeigt, wie schnell es gehen kann, wenn die Kursentwicklung die Talsohle erst einmal durchschritten hat...

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