Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf X/Twitter aktiv.
+++
In einem mir zugespielten Strategiepapier aus der Feder von Julius-Bär-Chefdenker Mathieu Racheter stuft dieser die Aktien aus der Gesundheitsindustrie von «Neutral» auf «Overweight» herauf. Er gibt den Pharma- gegenüber den Medizinaltechnikwerten unmissverständlich den Vorzug, habe die Angst vor Repressalien durch die amerikanische Regierung in Washington in den vergangenen Wochen und Monaten doch spürbar nachgelassen.
Dass die Zürcher Bank ihre Branchenpräferenzen zu Gunsten von Aktien aus der Gesundheitsindustrie überdacht hat, ist aus Schweizer Sicht sehr zu begrüssen. Denn schliesslich ist dieses Titelsegment beim Swiss Market Index (SMI) für nicht weniger als 40 Prozent der Gesamtkapitalisierung verantwortlich.
Ob Racheter und seine Mitautoren neuerdings auch dem Schweizer Aktienmarkt mehr Gewicht in den Wertschriftenportefeuilles ihrer Anlagekundschaft einräumen, ist mir nicht bekannt. Den letzten mir vorliegenden Informationen zufolge werden Aktien aus der Heimat wie bis anhin nur mit «Neutral» eingestuft. Auch die Namen auf der Liste der Branchenfavoriten dürfte für enttäuschte Gesichter sorgen. Mit Sandoz findet sich darauf neben AstraZeneca, Eli Lilly, Genmab, Merck, Novo Nordisk und Regeneron bloss eine einzige Aktie aus der Schweiz. Auf mich macht beides einen etwas inkonsequenten Eindruck.
Bleiben wir mit Roche noch bei den Pharmaunternehmen. Noch ist das letzte Wort zwar nicht gesprochen. Allerdings zeichnet sich ab, dass das Indexschwergewicht mit einem Kursplus von gut neun Prozent als SMI-Gewinner aus der Handelswoche hervorgehen wird. Dass dabei ausgerechnet dem für die Deutsche Bank tätigen Pharmaanalysten Emmanuel Papadakis unbewusst die Rolle des «Königsmachers» zuteil wird, entbehrt nicht einer gehörigen Portion Ironie.
Für die Bons von Roche ging es diese Woche steil nach oben (Quelle: www.cash.ch)
Nachdem Papadakis bei den Genussscheinen während 14 langen Monaten zum Ausstieg riet, stufte er diese am Dienstag von «Sell» auf «Hold» herauf. Und das, obschon das selbst überarbeitete Kursziel mit 265 (zuvor 235) Franken knapp acht Prozent unter den zuletzt bezahlten Kursen liegt. Nachdem die Pharma- und Diagnostikgruppe aus Basel tags zuvor positive Studienergebnisse zum MS-Wirkstoff Fenebrutinib vorgelegt hatte, hält der Pharmaanalyst eine Verkaufsempfehlung nicht länger für angebracht.
In der Medienmitteilung war nachzulesen, dass sich der Wirkstoff bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit primär progredienter Multipler Sklerose (PPMS) gegenüber dem bereits auf dem Markt erhältlichen Medikament Ocrevus «als nicht unterlegen» herausgestellt habe.
Meine ersten Gedanken waren: Ist das wirklich der Anspruch der Basler an ein Nachfolgemedikament für Ocrevus? Und lässt sich Fenebrutinib damit kommerziell überhaupt von Ocrevus differenzieren?
Beim Weiterlesen stiess ich dann aber ziemlich rasch auf Antworten. Denn während Ocrevus entweder über eine Infusion oder über eine subkutane Injektion verabreicht wird, kann Fenebrutinib in Pillenform eingenommen werden. Letzteres ist ein nicht unwesentlicher Vorteil. Ob dieser ausreicht, um sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern von MS-Präparaten durchsetzen zu können, wird sich zeigen müssen.
Kommen wir an dieser Stelle auf den Börsenüberflieger Sandoz zu sprechen. Es ist eine Lizenzvereinbarung, die am Sitz von Roche in Basel für rote Köpfe sorgen dürfte: Mit dem Hersteller von Nachahmermedikamenten erwirbt ausgerechnet eine frühere Tochter der «ewigen Rivalin» Novartis die weltweiten Vertriebsrechte für ein Biosimilar des Brustkrebsmittels Perjeta.
Diese Vereinbarung mit der taiwanesischen EirGenix lässt man sich bis zu 152 Millionen Dollar kosten. Beinahe so etwas wie ein Klacks, setzte Roche mit dem Originalpräparat doch alleine in den ersten neun Monaten dieses Jahres umgerechnet 2,8 Milliarden Dollar um. Den weltweiten Markt für Referenzarzneimittel beziffert Sandoz sogar auf mehr als 4 Milliarden Dollar.
Gerade bei Analyst Nicolas Pauillac von Kepler Cheuvreux stösst die Lizenzvereinbarung auf positive Resonanz. Wie er schreibt, erhielt EirGenix erst kürzlich eine Ausnahmegenehmigung für die Phase-3-Studie. Pauillac glaubt deshalb, dass der Zulassungsantrag für das Perjeta-Biosimilar früher als gedacht bei den Arzneimittelbehörden eingehen könnte.
Beiläufig sei erwähnt, dass der besagte Analyst die Papiere von Sandoz nunmehr schon seit zwei Wochen mit einem Kursziel von 74 (zuvor 43) Franken zum Kauf anpreist. Es ist das höchste mir bekannte Kursziel überhaupt für die Papiere des Herstellers von Nachahmermedikamenten.
Die Aktienkursentwicklung seit der Abspaltung vom früheren Mutterhaus Novartis macht Freude und übertrifft rückblickend selbst meine kühnsten Erwartungen. Um die nächste Stufe der Kursrakete zu zünden, bedarf es allerdings zusätzlicher Impulse – wie etwa einer weiteren Belebung im als margenstark geltenden Geschäft mit Biosimilars.
Die Verkürzung des Zulassungsprozederes in den Vereinigten Staaten sollte helfen. Durch die Neuerungen könnte sich die Entwicklungszeit für Biosimilars nämlich von derzeit um die acht auf rund fünf Jahre verkürzen, wie ich einem Kommentar des UBS-Analysten Harry Sephton entnehme. Er stützt sich dabei übrigens auf Aussagen der Investors-Relations-Verantwortlichen von Sandoz ab.
Am Montag berichtete ich davon, dass mit Dodge & Cox ein bekannter Substanzinvestor und früherer UBS-Grossaktionär sein Julius-Bär-Paket von drei auf gut fünf Prozent ausgebaut habe. Ich begegnete diesem Schritt mit folgenden Worten:
Interessant erscheint mir, dass dem Beteiligungsausbau durch Dodge & Cox eine Beteiligungsreduktion eines langjährigen Grossaktionärs vorausging. Wie aus einer Offenlegungsmeldung hervorgeht, hält T. Rowe Price seit Ende Oktober weniger als drei Prozent an Julius Bär. Die Amerikaner mischten bei der Privatbank aus Zürich zuvor seit dem Frühsommer 2016 immer mal wieder im Grossaktionariat mit und hielten in der Spitze einst sogar etwas mehr als fünf Prozent der Stimmen.
| T. Rowe Price verliert mit zweitschlechtester SMI-Aktie die Geduld |
Da liegt es doch geradezu auf der Hand, dass die eine oder andere Aktie aus den Beständen von T. Rowe Price in den vergangenen Wochen beim Substanzinvestor Dodge & Cox landete. Welcher der beiden Vermögensverwalter aus weiser Vorahnung heraus handelte, dürfte sich wohl spätestens am 24. November zeigen.
Mit Blick auf die Aktienkursentwicklung verkommt der Börsengang der Swiss Marketplace Group, kurz SMG, immer mehr zum Debakel. Wer im September Aktien aus Emission zu 46 Franken je Stück zugeteilt erhielt, ist keine zwei Monate später rein rechnerisch mehr als 30 Prozent «unter Wasser».
Es ist eine ziemliche Schmach – nicht nur für den Börsendebütanten selbst, sondern auch für die verantwortlichen Banken. Gerade für die UBS und J.P. Morgan müssten die Papiere bei diesen Kursen ja eigentlich ein «blinder Kauf» sein. Beide sprachen vor gut zwei Wochen im Zuge einer Erstabdeckung Kaufempfehlungen mit Kurszielen von 54 beziehungsweise sogar 57,50 Franken aus. Selbst Goldman Sachs – ebenfalls eine der hauptverantwortlichen Banken – trotz ihres nur «Neutral» lautenden Anlageurteils ein Zwölf-Monats-Kursziel von 55 Franken.
Die bisherige Kursbilanz beim Börsenneuling SMG enttäuscht (Quelle: www.cash.ch)
Dass die Kursentwicklung rund um den 28. Oktober herum nach unten abknickte, dürfte kein Zufall sein. Wie aus einer Offenlegungsmeldung hervorgeht, begann damals die Genfer Privatbank Pictet & Cie damit, ihr Aktienpaket zu reduzieren. Neugierig wie ich bin, habe ich kurz nachgezählt: Seit dem 28. Oktober wurden etwas mehr als 1,4 Millionen Titel oder knapp 1,5 Prozent aller Aktien gehandelt.
Da sich die grössten SMG-Anteilseigner zu einer Verkaufssperre von 180 Kalendertagen und die Verwaltungsräte sowie die Geschäftsleitung sogar zu einer Verkaufssperre von 360 Kalendertagen verpflichtet haben, kommen für mich eigentlich nur die Genfer als Verkäufer in Frage – vermutlich begleitet von Verleiderverkäufen. Es macht ganz den Anschein, als ob gewisse Kreise bloss in der Hoffnung auf das schnelle Geld am Börsengang teilgenommen hätten.
Auf den ersten Blick wartet Swiss Re heute Freitag mit einem erfreulich starken Zahlenkranz auf. Mit einem Reingewinn von etwas mehr als 4 Milliarden Dollar für die ersten neun Monate übertrifft der Rückversicherer aus Zürich selbst die kühnsten Erwartungen. Durchschnittlich waren Analysten von einem Überschuss in Höhe von 3,9 Milliarden Dollar ausgegangen. Beeindruckend ist insbesondere die tiefe Combined Ratio. Mit 71,3 Prozent liegt diese weit unter den erwarteten 78,8 Prozent.
Die Börse reagiert allerdings überraschend unterkühlt auf den Zahlenkranz. Ich kann mir das eigentlich nur mit dem enttäuschenden Gewinnbeitrag aus dem Lebens-Rückversicherungsgeschäft in Folge schmerzhafter Nachreservierungen erklären. Und beim Nichtleben-Rückversicherungsgeschäft fragt sich, ob sich das ungewöhnlich katastrophenarme dritte Quartal in dieser Weise wiederholen lässt.
Auch wer sich eine Erhöhung des diesjährigen Gewinnziels von mehr als 4,4 Milliarden Dollar erhofft hat, wird enttäuscht. Für mich lautet die Frage jedoch nicht ob, sondern vielmehr um wie viel der Rückversicherer dieses Gewinnziel übertreffen wird. Fast noch wichtiger erscheinen mir aber die Gewinnvorgaben fürs nächste Jahr. Angeblich will Swiss Re diese anlässlich des Investorentags vom 5. Dezember kommunizieren.
In Sachen Unternehmensergebnisse wird es kommende Woche deutlich ruhiger. Wir Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten können also endlich mal wieder etwas durchatmen. Mein persönliches Interesse gilt dem Zahlenkranz von Sorgenkind AMS Osram am Dienstag. Mehr zum Thema spätestens am Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
| Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar. |
