Kurz nach dem Militärputsch in Myanmar am 1. Februar äusserten 55 ausländische Firmen ihre tiefe Besorgnis über die Entwicklung. Von Coca Cola bis Facebook erklärten sie, sie sähen sich dem Land und den Beschäftigten verpflichtet. Einen Monat später wird dieses Versprechen auf die Probe gestellt. Die Wirtschaft des südostasiatischen Landes ist gelähmt durch Massenproteste und Streiks. Das immer härtere Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen diejenigen, die gegen die Militärmachthaber und für die Rückkehr zur Demokratie demonstrieren, lässt die Rufe nach Sanktionen und Boykotts lauter werden. Manch ein Unternehmen, das die Erklärung unterzeichnet hat, vollzog bereits eine Kehrtwende, wie das Beispiel Woodside Petroleum zeigt.

Am 27. Februar erklärte der australische Ölkonzern, er werde wegen der Gewalt seine Präsenz in Myanmar verringern und sein Explorationsteam vor der Küste abziehen. Nur eine Woche zuvor hatte er noch versichert, die Bohrungen seien nicht betroffen.

H&M, die zweitgrösste Modekette der Welt, zeigte sich schockiert über die Gewalt gegen Demonstranten. Weitere Aufträge an Firmen in Myanmar würden zunächst nicht mehr erteilt, teilte der schwedische Modehändler mit, der die Erklärung ebenfalls unterzeichnet hat. H&M führt auf seiner Website rund 45 Lieferanten in Myanmar auf und ist dort seit sieben Jahren tätig. "Obwohl wir keine sofortigen Massnahmen in Bezug auf unsere langfristige Präsenz im Land ergreifen, haben wir zu diesem Zeitpunkt die Auftragserteilung an unsere Lieferanten ausgesetzt", erklärt Serkan Tanka, H&M-Manager für Myanmar. Zudem gebe es Herausforderungen in Bezug auf Herstellung, Infrastruktur, Rohstoffimporte und Transport von Fertigwaren.

Ausgestiegen aus dem Geschäft in Myanmar ist die Kirin Holdings - ein global agierender Getränkehersteller aus Japan. Auf Druck von Aktivistengruppen beendete der Konzern eine Bier-Allianz mit einem Unternehmen in Myanmar, das mit dem Militär verquickt ist. Die eskalierende Gewalt erhöht nicht nur die allgemeine Unsicherheit, auch der Ruf ausländischer Firmen könnte Schaden nehmen - vor allem wenn sie Geschäfte mit Unternehmen machen, bei denen das Militär involviert ist. "Wenn das noch Monate so weitergeht, werden wohl weitere Firmen auf Dauer verschwinden", sagt Murray Hiebert vom Center for Stategic and International Studies.

Hohes Risiko und hohe Profite

Wer als ausländischer Investor in Myanmar tätig ist, sieht sich seit langem einem hohem Risiko ausgesetzt, während gleichzeitig immense Profite winken. Als sich das Militär 2011 nach fast 50 Jahren Diktatur weitgehend aus der direkten Herrschaft zurückzog, lockte das in Scharen ausländische Direktinvestoren an. 2017 erreichten die Nettozuflüsse laut Weltbank einen Rekord von 4,7 Milliarden Dollar. 2010, im Jahr vor dem Rückzug des Militärs, waren es 900 Millionen Dollar.

Doch nicht nur die Unruhen und die Ungewissheit nach dem Putsch belasten die ausländischen Firmen. Sie haben schon seit Jahren mit ständigen Stromausfällen, einer verfallenden Infrastruktur, Rechtsunsicherheit und einer Wirtschaft zu kämpfen, die grösstenteils vom Militär kontrolliert wird.

Energiekonzerne unter Druck

Alle werden sie nun ihre nächsten Schritte prüfen. Doch unter besonders grossem Druck dürften die Energiekonzerne stehen - sie waren auch die ersten ausländischen Investoren in Myanmar. So fordert der UN-Menschenrechtsbeauftragte für Myanmar, Tom Andrews, internationale Sanktionen gegen das myanmarische Öl- und Gasunternehmen MOGE, das vom Militär kontrolliert wird und dessen grösste Einnahmequelle darstellt. Das würde den französischen Konzern Total treffen, der seit 1992 in Myanmar engagiert ist, und den US-Konzern Chevron - beide betreiben zusammen mit MOGE ein grosses Offshore-Gasprojekt.

Auch Telekommunikations- und Internetfirmen sind in einer schwierigen Lage, wenn ihre Dienste unterbrochen werden oder sie mit neuen Cyber-Gesetzen umgehen müssen, die die Menschenrechte beschränken. So berichtet die norwegische Telenor, die eine Mobilfunk-Lizenz für Myanmar hat, dass durch die Novellen die Macht des Militärs ausgeweitet und bürgerliche Freiheiten beschränkt würden. Facebook blockierte am 2. Februar alle Militär-Accounts auf den Plattformen Facebook und Instagram.

Wie ausländische Firmen in Myanmar sich verhalten sollen, wird derzeit heftig debattiert. Der Myanmar-Experte Chris Sidoti fordert, dass sie ihre Tätigkeit einstellen, da das Militär bis in die kleinste Facette die Macht übernommen habe. Dagegen warnt die Menschenrechtsgruppe Burma Campaign UK davor, die Beschäftigten im Stich zu lassen. Fast eine halbe Million Menschen arbeiten etwa in der Textilindustrie, die Einzelhändler wie H&M, Adidas, Gap und Zara beliefert. John Bray vom Unternehmensberater Control Risks ist überzeugt, dass der Druck auf Unternehmen entsprechend der "Komplizenschaft" ausfallen müsse. "Wenn Sie Menschen in Myanmar einen Dienst zur Verfügung stellen, für den sie bezahlt werden und der die Entwicklung der Wirtschaft fördert, dann sind Sie meiner Meinung nach nicht mitschuldig an dem, was auf den Strassen vor sich geht."

(Reuters)