Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version der cash-Story vom vergangenen 19. Dezember. Diese erschien in einer Reihe mit anderen Jahresrückblick-Themen.

Ganz klar ist: 2019 haben sich sehr viele Schweizer Aktienkurse aus dem tiefen Tal hochentwickelt, in das der Markt in der zweiten Hälfte 2018 gefallen war. Eine Superperformance gerade bei den Blue Chips erklärt sich durchaus auch damit, dass viele Titel im Januar vor einer tiefen Basis gestartet sind. 

Während die Jahresperformance vielen geduldigen Anlegerinnen und Anlegern satte Gewinne gebacht hat, erklärt diese Kursentwicklung seit 1. Januar noch nicht allein, ob sich eine Aktie weiter als Investment eignet.

cash.ch geht der Frage nach, wie viel Potential diese Tops und Flops im SMI (siehe Tabelle) und am breiten Markt (siehe Tabelle) haben. Wir befassen uns aber auch mit den Überraschungen: Denn diese sagen häufig am meisten darüber aus, was ein Aktienjahr geprägt hat. 

SMI – die Tops

Sika (+47 Prozent): An die Spitze des SMI-Rankings schafft es eine absolute Lieblingsaktie. Sika, Bauchemiespezialist auf allen sieben Kontinenten, ist in Sachen Innovation, erfolgreiche Geschäftsführung und Effizienz wenig vorzumachen. Für die mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 36 (Bloomberg) anspruchsvoll bewertete Aktie wird die Luft etwas dünner werden. Es empfiehlt sich deswegen, Sika nächstes Jahr erst einmal zu beobachten. Stimmen die Gewinne weiter, sollte man aber kaufen.

Lonza (+39,7 Prozent): Auch aus der Pharma- und Gesundheitsbrache läuft Lonza meist noch besser als Roche und Novartis. So auch 2019. Der Life-Science-Konzern ist allerdings etwas durchgeschüttelt worden: Mit Richard Ridinger und Marc Funk sind im Lauf des Jahres zwei CEOs zurückgetreten. Der Aktienpreis stagniert seit September. Im Falle der sehr erfolgreichen Lonza heisst dies: Der Kurs wird seine Fahrt nach oben mit der Zeit wiederaufnehmen.

SMI – die Überraschungen

Geberit (+42,8 Prozent): Der Zykliker findet sich selten ganz oben in der Rangliste. Diesmal erreicht Geberit im SMI Platz 2. 2019 sollte an sich kein gutes Jahr für Bauzulieferer wie den Sanitärtechniker werden. Doch diese Aktien sind europaweit top. Geberit ist zu etwa 90 Prozent von europäischen Märkten abhängig und profitierte von der weiter starken Bautätigkeit und der besser als erwartet gelaufenen Konjunkturentwicklung. 2020 dürfte die Bauindustrie weiter moderat zulegen, womit Geberit einem Sektor zugehört, der gegenüber anderen zyklischen Bereichen im Vorteil ist.

ABB (+25,7 Prozent): Es tut sich etwas beim Elektrotechnik- und Automationsgiganten schweizerisch-schwedischer Herkunft. Die Märkte begrüssten den Verkauf der Stromsparte sowie den abrupten Abgang von CEO Ulrich Spiesshofer im April. Mit dem neuen CEO Björn Rosengren, der im Marz 2020 antreten wird, wird das 146'000 Mitarbeiter umfassende Unternehmen gestrafft. Dass die ABB-Aktie seit Oktober deutlich über 20 Franken tendiert, ist ein gutes Zeichen. Wie das Beispiel LafargeHolcim unter Jan Jenisch gezeigt hat, kann ein Aktienkurs durchaus profitieren, wenn ein Chef entschieden durchgreift.

Credit Suisse (+22 Prozent): Nein, die Affaire um die Beschattung von Ex-Vermögensverwaltungschef Iqbal Khan hat der Aktie nicht nachhaltig zugesetzt. Die CS legte an der Börse dieses Jahr um knapp 25 Prozent zu (und lässt Konkurrentin UBS im Schatten stehen). Die CS ist immer noch ein Turnaround-Fall, und schrittweise Erfolge auf diesem Weg honoriert der Aktienmarkt. Ob dies nun endlich für einen Kursaufschwung 2020 ausreicht, ist fraglich. Immer noch sind die Kosten hoch und die Investmentbank ein Risiko. Zum "zocken" eignet sich die CS-Aktie aber weiterhin.

SMI – die Flops

Swatch (-5,6 Prozent): Von wirklichen Flops kann man nicht reden, wenn nur eine SMI-Aktie unter Null performt hat: Der Uhrenkonzern kommt auf ein Jahresminus von 4,5 Prozent. Gerade weil der Handelskrieg und die Hongkong-Unruhen – beides politische Krisen, die eines Tages abebben sollten – die Aktie so unter Druck setzen, ist Swatch an sich das ideale Contrarian-Investment. Nur, die Polit-Lage ist noch sehr unsicher. Zudem plagen auch einige hausgemachte Probleme das Unternehmen. Gerade jetzt zugreifen ist zu früh.

UBS (+0,2 Prozent): Die UBS-Aktie kostet Ende 2019 nicht mehr als Ende 2018, aber auch nicht mehr als 2008. Das sagt schon fast alles aus über das fehlende Börsenglück der Nummer Eins der Schweizer Banken. In allen Ansätzen ist das UBS-Geschäftsmodell als grösster Vermögensverwalter der Welt eigentlich gut. Nur sind die internen Kosten zu hoch und die Rechtsrisiken bedeutend. Fürs Day-Trading derweil ist die UBS-Aktie immer gut, ausserdem figuriert die UBS unter den besten Dividendenzahlern im Land (5,7 Prozent Rendite).

SMI 2019: Die Rangliste 

AktiePerformance
seit 1.1.2019
AktiePerformance
seit 1.1.2019
Sika+47 ProzentABB+25,7 Prozent
Geberit+42,8 ProzentNovartis+24,8 Prozent
Lonza+39,7 ProzentCredit Suisse+22 Prozent
Zurich+36,4 ProzentSwiss Re+21,3 Prozent
Adecco+34,1 ProzentRichemont+21,3 Prozent
Givaudan+33,6 ProzentSGS+20,4 Prozent
LafargeHolcim+33 ProzentSwisscom+9,7 Prozent
Nestlé+32,5 ProzentUBS+0,2 Prozent
Roche+29,5 ProzentSwatch -5,6 Prozent
Swiss Life+28,8 ProzentAlcon-

Daten: cash.ch/Stand: Montag 30. Dezember, 14.35 Uhr /*Kotiert seit 9.4.2019

SPI – die Tops

LM Group (+167,4 Prozent): Mit gut 45 Franken kostet die Aktie des Online-Reiseanbieters etwa wieder so viel wie beim Börsengang, den das Unternehmen 2014 noch unter dem  Namen Bravofly Rumbo durchführte. 2019 profitierte die Aktie davon, dass das Unternehmen wieder schwarze Zahlen schreibt. Auch die Pleite von Thomas Cook zeigte sich eher als Vorteil. Die LM Group, die auch noch unter ihrem zwischenzeitlichen Namen Lastminute.com bekannt ist, scheint nun gut zu wachsen. Auf weitere starke Kursgewinne des wenig bekannten Unternehmens zu hoffen, ist dennoch mutig.

Perrot Duval (+154,7 Prozent): Über das ganze Jahr hat sich dieses kleinkapitalisierte Genfer Industrieunternehmen an der Spitze der Kurstabellen gehalten. Aber warum steigt ein Kurs um mehr als 150 Prozent? Antwort: Ein dünner Handel, geringer Free Float (unter 50 Prozent) und eine Erfolgsmeldung. Der Verkauf des Firmenteils Infranor für Industrieautomatisierung nach China liess den Kurs im Mai innert weniger Tage um fast die Hälfte nach oben schiessen. Zum Anlegen empfohlen wird Perrot Duval nicht.

SPI – die Überraschungen

Landis+Gyr (+85,5 Prozent): Nach dem Börsengang 2017 für Anleger nur ein Ärgernis, hat sich der Kurs seit genau Anfang 2019 kontinuierlich nach oben bewegt und steht heute bei gut 100 Franken deutlich über dem Niveau zur Zeit des Börsengangs. Der Spezialist für Stromzähler und Automatisierung ist an der Börse von seiner starken Marktstellung und deutlich gesteigerten Gewinnen angeschoben worden. Es ist zwar mutig, von einen weiteren Anstieg über 100 Franken auszugehen. Landis+Gyr hat sich aber so gut geschlagen, dass man auf die neue Stärke des Unternehmens durchaus bauen kann. 

Gurit (+68,8 Prozent): Der Spezialist für hoch leistungsfähige Kunststoffe hat an der Börse derart zugelegt, dass der Kurs nur noch etwa 20 Prozent von seinem Rekordstand vor der Finanzkrise entfernt ist. Zwischenzeitlich galt Gurit als sehr schwieriges Investment. Gute Geschäfte mit Rotorblättern für die Windenergiegewinnung und sinnvolle Zukäufe haben der Aktie 2019 nun aber massiv Schub gegeben. Die Windenenergie dürfte auch 2020 gut laufen. Bei einem KGV von 22 ist mit weiteren Engagements aber eine gewisse Vorsicht geboten.

Klingelnberg (-36,2 Prozent): Dass es die vor erst eineinhalb Jahren kotierte Industriegruppe an der Börse nicht leicht haben würde, war bekannt. Aber ein fast kontinuierlicher Kursabstieg und eine Platzierung als siebtschlechteste Aktie überrascht doch etwas. Der Werkzeugmaschinenhersteller ist ein seinem Segment führend, solide finanziert und ausserdem ein guter Dividenenzahler (Rendite fast 4 Prozent). Die Abhängigkeit von der Autoindustrie, nach unten korrigierte Schätzungen und ein derzeit schwer vorhersagbares Geschäft haben die Klingelnberg-Aktie einbrechen lassen. Seit dem IPO sind es gut 50 Prozent Kursrückgang. Einsteigen ist erst ein Thema, wenn die Prognosen wieder konkreter sind.

SPI – die Flops

GAM (-27,9 Prozent): Vor allem die zweite Jahreshälfte war kursmässig für GAM gar nicht gut. Schon 2018 war der Kurs des Fondhauses um 75 Prozent eingebrochen. Verluste, Geldabflüsse, Nachwehen einer Affaire um einen suspendierten Fondsmanger, Aktionärstreit und Zwistigkeiten mit der Börsenaufsicht: GAM kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Nun sollen aus Kostengründen 40 Prozent der Stellen abgebaut werden. Doch die Lage bleibt unberechenbar. Der Aktie täte wohl eine Übernahme gut. Darüber wird viel spekuliert, aber konkrete Käufer zeichnen sich nicht ab.

Polyphor (-56,8 Prozent): An einem einzigen Tag im Mai halbierte sich der Kurs der Aktie auf 13 Franken. Das Pharmaforschungsunternehmen hat keine fertigen Produkte am Markt. Für Murapavadin, ein Mittel gegen im Krankenhaus erworbene Lungenentzündungen, musste die Patientenrekrutierung eingestellt werden.

So ein Schicksal kann jede Biotechfirma ereilen und hat oft katastrophale Auswirkungen auf den Kurs. Wegen solcher Ereignisse ist Biotech aber auch so ein faszinierendes wie auch spekulatives Investment: Mit Idorsia und Santhera sind zwei solcher Firmen unter den Top-Aktien, mit Relief Therapeutics, Obseva und Polyphor aber finden sich auch drei Beispiele unter den absoluten Minus-Performern.  

SPI: Beste und schlechteste Performer

AktieKursgewinn 
seit 1.1. 2019
AktieKursverlust
seit 1.1. 2019
lastminute.com (LM Group)+167,4 ProzentRelief Therapeutics-80,8 Prozent
Perrot Duval+154,7 ProzentBlackstone Res-73,8 Prozent
Edisun+93,2 ProzentObseva-70,6 Prozent
VAT+89,6 ProzentPolyphor-56,8 Prozent
Idorsia+87,8 ProzentSchmolz+Bickenbach-47,9 Prozent
Landis+Gyr+85,5 ProzentLumx-39,2 Prozent
Belimo+84,8 ProzentMeyer Burger-38,2 Prozent
Santhera+71,2 ProzentKlingelnberg-36,2 Prozent
Gurit+68,6 ProzentVon Roll-34,2 Prozent
AMS+67,2 ProzentWisekey-29,9 Prozent
Vifor+66,6 ProzentLeclanché-29,5 Prozent
Comet+56,5 Prozent GAM-27,9 Prozent

 

 

Im Sinne eines Jahresrückblicks und gleichzeitigen Ausblicks sind von cash.ch neben diesem Beitrag erschienen: