Die Aktienmärkte werden dieser Tage wieder durchgeschüttelt. Die ersehnte Jahresendrally, so fürchten viele, könnte ausfallen. Aber bevor alle Risiken aufgezählt werden, die heute auf den Märkten lasten, stellt sich eine Grundsatzfrage: Ist man als Anlegerin oder Anleger noch zu einem gewissen Risiko bereit oder nicht? Will man, umgeben von Negativszenarien und entmutigenden News, weiter etwas wagen oder lieber auf Nummer Sicher gehen?
Es ist eine Frage des Temperaments. Unsichere Zeiten an den Märkten sind auch die Zeiten der besonders verheissungsvollen Gelegenheiten. Reizen einem diese, geht man auf Risiko. Wer auf Risiko gehen will, sucht sich im SMI Adecco, LafargeHolcim und die Credit Suisse aus.
Die Zykliker Adecco und LafargeHolcim haben seit Anfang Jahr 37 respektive 23 Prozent verloren. Aber wenn sich der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt nicht so drastisch entwickeln wird wie im Moment gerade von vielen vorausgesagt, kann mit diesen konjunktursensiblen Titeln im nächsten Jahr auf Kursgewinne gehofft werden. Sowohl der Arbeitskräftevermittler also auch der Zementriese profiteren, wenn die Weltwirtschaft eine Rezession vermeiden kann. Dies ist ja durchaus möglich.
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Die Aktie der Credit Suisse wiederum ist im Moment nur gut 11 Franken wert. Das ist so wenig wie zuletzt im August 2015, heisst aber auch: Die Aktie kann schnell wieder um einen oder zwei Franken steigen. Bei der CS mit ihrer zu komplexen Struktur, den überrissenen Boni und hohen Kosten sowie dem anfälligen Investmentbanking ist vieles ungelöst. Aber auf Kursanstiege hoffen, um dann Gewinne mitzunehmen, ist auch bei der CS erlaubt. Die tiefen Kurse ausgenutzt hat etwa der britische Vermögensverwalter Silchester. Er hat neu einen Anteil von 3,03 Prozent an der Credit Suisse erworben und ist nun sechstgrösster Aktionär.
Besonders unter Druck steht seit mehreren Monaten die Halbleiterindustrie. Die Kursverluste sind teils dramatisch. Als gewiefter Contrarian muss man aber einen Titel herauspicken, bei dem die grundlegenden Faktoren stimmen. Der Sensor- und Softwarehersteller Inficon bietet solche Voraussetzungen. Der Kursrückgang seit April von 18 Prozent ist vergleichsweise moderat, und ein erfolgreiches Geschäft sowie 4 Prozent Dividendenrendite machen den Titel attraktiv.
Auch mit Aktien des kleinen, schweizerisch-italienischen Industrieunternehmens Carlo Gavazzi können sich Mutige eindecken. Der Kurs ist dieses Jahr um 30 Prozent zurückgegangen – doch würde der Automationsspezialist profitieren, wenn sich die Eurozonen-Konjunktur besser entwickelt als erwartet. Und nebenbei richtet er sich verstärkt nach Asien aus. Immer gut ist auch: Das von der Gründerfamilie geprägte Unternehmen ermöglicht eine Dividendenrendite von 4,9 Prozent.
Valeria Gavazzi, VR-Präsidentin Carlo Gavazzi: «Wir erhöhen die Präsenz in Asien» https://t.co/9HdnHH6qky #CarloCavazzi
— cash (@cashch) 28. Juni 2018
So weit, so gut. Wer sich zu den Vorsichtigen oder Ängstlichen zählt, lässt die Finger von den genannten Aktien und geht defensiv. Investments sollen unter dieser Betrachtung möglichst vor Verlusten schützen. Aber welche Titel bewahren einem vor den Problemen, welche die Aktienmärkte jetzt und im nächsten Jahr bewegen? Also steigende Zinsen, ein Handelskonflikt sowie politisch-wirtschaftliche Krisen in mehreren westlichen Staaten wie auch Schwellenländern?
Bei Barry Callebaut ist der Kurs im November drastisch von fast 2000 Franken auf gut 1600 Franken gefallen - ansonsten erweist sich der Schokoladenhersteller an der Börse als erstaunlich defensiv. Durch den Kursverfall günstiger geworden, dürfte das Unternehmen im nächsten Jahr mit stabilen Cashflows punkten.
Auf Nummer Sicher geht man - immer noch - mit Versicherungen. Swiss Life hat sich als verlässlicher Wert positioniert. Das Unternehmen hat sich von Zinskurven unabhängiger gemacht und strebt an, einer der sehr guten Dividendenzahler im Schweizer Markt zu werden. Bei einer aktuellen Dividendenrendite von bereits ansehnlichen 3,6 Prozent hat das Management vor einigen Tagen versprochen, dass es künftig mehr gibt. Bei der ebenfalls stabilen und beliebten Dividendenaktie des Versicherungskonzerns Zurich hat sich das Management in Sachen Dividendenerhöhung indessen jüngst recht bedeckt gehalten.
Den Charme eines kleinen, auf die Schweiz ausgerichteten Genossenschaftsversicherers hat Vaudoise mit stabilem Kursverlauf, einem profitalben Geschäft und enormen Eigenmitteln: ein Dauerbrenner bei den konservativ und langfristig ausgerichteten Anlegern. Im selben Kanton wartet auch ein weiterer, allseits beliebter Finanztitel: Banque Cantonale Vaudoise. Die zweitgrösste Kantonalbank der Schweiz hält die Kosten tief und ist gut diversifiziert. Ein stabiler Kursverlauf und 4,5 Prozent Dividendenrendite sind das, was vorsichtige Anleger schätzen.
Givaudan gehört zur Minderheit unter den Schweizer Blue Chips, die 2018 ihren Kurs gesteigert haben – nämlich um 5,3 Prozent. Eine stabile Bilanz und eine solide Marktstellung schützen beim Duftstoffehersteller vor negativen Überraschungen, ausserdem zeigen sich die Genfer bei der Dividende recht grosszügig.
Als Schweizer Aktienanleger schliesslich kommt man bei defensiven Strategien an Pharmatiteln natürlich kaum vorbei. Im Moment favorisiert der Markt Novartis gegenüber Roche. Die Strategie stimmt, und wenn der Börsengang der Augenpflegesparte Alcon im nächsten Jahr endlich über die Bühne gegangen ist, wird der Aktienkurs auch noch einmal etwas Potenzial bekommen.