Wenn es um die Erholung vom Corona-Schock Mitte Februar geht, hinkt der europäische Aktienmarkt noch etwas hinterher – vor allem gegenüber der Wall Street. Das heisst aber auch: Auf dem alten Kontinent liegen noch ungenutzte Chancen - vor allem für "Stock Picker". Tom Stubbe Olsen und Cédric Jacque, Manager des Nordea 1 European Value Fund, haben fünf Aktien gefunden, die sich seit der Corona-Krise entweder noch nicht wirklich erholt haben - oder auf dem Weg sind, ihre Kursgewinne seit dem März-Tiefstand weiter auszubauen.

Kursentwicklung des Euro Stoxx 600 (rot) und des US-Technologie-Index Nasdaq (grün) in den letzten zwölf Monaten, Quelle: cash.ch.

1. Hunting

Der Energiesektor gehört zu den am härtesten getroffenen Branchen der Coronavirus-Krise. Auch Hunting, ein britischer Lieferant für die Öl- und Gasindustrie, kam an Börse ordentlich unter die Räder. Der führende Lieferant für den US-Markt litt besonders am gleichzeitigen Nachfragerückgang und Überangebot im Ölmarkt. Trotz einer jünsgten Aufwärtsbewegung notieren die Titel noch immer rund 35 Prozent tiefer im vergleich zu Mitte Februar. 

Für die Analysten wurde Hunting an der Börse zu hart abgestraft. Das Unternehmen verfüge über eine stabile Nettoliquidität, eine flexible Kostenbasis und einen Lagerbestand, der nicht so leicht veraltete. Zudem seien die Dienstleistungen von Hunting für die Betreiber in der US-amerikanischen Schieferöl- und Gasindustrie von entscheidender Bedeutung. Sobald die weltweite Energienachfrage wieder anziehe, werde sich das positiv auf die Geschäftstätigkeit von Hunting auswirken.

2. Publicis

Der multinationale Werbedienstleister war das erste grosse globale Werbeunternehmen, das sich in das digitale Werbegeschäft (über Social Media etc.) samt personalisierter Werbung gewagt hat. Die schwierige Transformation in der Werbebranche von traditioneller TV- und Printmedienwerbung zu digitaler Medienwerbung führte dazu, dass sich Investoren von Werbe- und Medienunternehmen abgewendeten.

Olsen und Jacque halten dies für falsch, "da die Werbefirmen ihren Kunden viel mehr als Massenwerbeflächen zur Verfügung stellen und nicht nur von Facebook und Google besetzt werden können". Mit einer normalisierten Free-Cashflow-Rendite von 11 bis 12 Prozent und einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 6 sowie einer guten Bilanz und einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,7 handle es sich bei Publicis um ein attraktives Investment.

Die Aktie hat sich nach dem Corona-Schock halbiert, aber mittlerweile die Verluste zu Hälfte wieder aufgeholt. Trotzdem dürfte die Reise noch nicht zu Ende sein.  

3. Stabilus

Das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg ist unangefochtener Marktführer bei Gasfedern. Diese werden überall in der Industrie eingesetzt, wo gehoben, geschlossen oder gedämpft werden muss. Der mittelgrosse Industriewert wurde hart vom Abschwung in der Autoindustrie getroffen, obwohl etwa 40 Prozent des Umsatzes im Nicht-Automobilbereich generiert wird. Die Aktie notiert im Vergleich zu Anfang Jahr noch immer rund 15 Prozent im Minus.

Der Markt expandiert aber weiter und Gasfedern werden Stahlfedern sowohl in der Automobilindustrie als auch bei industriellen Lösungen ersetzen. Dadurch habe Stabilus seine Einnahmen in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent steigern können, schreiben die Analysten. Zudem verfüge Stabilus über eine gesunde Bilanz mit einer Free-Cash-Flow-Rendite von 8 bis 9 Prozent sowie einem normalisierten KGV von 11.

4. Henkel

Der Konzern mit Hauptsitz in Düsseldorf ist neben dem Konsumgütergeschäft auch mit weltweiten Marken und Techniken in den drei Geschäftsfeldern Laundry & Home Care, Beauty Care und Adhesive Technologies (Klebstoffe) aktiv. Vor allem letzteres Segment birgt für Olsen und Jacque enorme Chancen.

Die Henkel-Aktie wurde in den letzten zwei Jahren durch den harten Wettbewerb im Segment Wäscherei & Haushaltspflege hart getroffen, während sich die Segmente Kosmetik & Körperpflege und vor allem Klebstoffe gut entwickelten. Hier ist Henkel führender Hersteller. Wegen der zunehmenden Verwendung von Klebeverbindungen in industriellen Anwendungen werde dieses Geschäft weiterwachsen, so die Analysten.

Henkel sei doppelt so gross wie der nächste Mitbewerber und biete seinen Kunden innovative und spezialisierte Lösungen an. Vor allem Effizienzsteigerungen durch den Einsatz von Klebstoffen gegenüber Schweissen, Schrauben oder Nieten würden Klebstoffe für Henkel zu einem lukrativen Geschäft machen. Das haben die Anleger in den letzten Wochen offenbar ähnlich gesehen. Sie Aktie befindet sich im Aufwärtstrend, hat aber immer noch Luft nach oben. 

5. Novo Nordisk

Das Unternehmen aus Dänemark produziert und vermarktet pharmazeutische Produkte und Dienstleistungen. Mit weltweit etwa 30 Millionen Patienten ist es das grösste Diabetes-Unternehmen der Welt. Laut Schätzungen leiden mehr als 450 Millionen Menschen an Diabetes. Die Zahl wächst jährlich um etwa 6 Prozent.

Laut den Analysten liegt der Marktanteil von Novo Nordisk bei fortschrittlicheren Behandlungen von Diabetes bei fast 50 Prozent sowie bei Insulinprodukten bei rund 30 Prozent. Novo Nordisk sei eines der profitabelsten Pharmaunternehmen mit einer Kapitalrendite von etwa 80 Prozent. Die Kombination aus Marktstellung, Marktentwicklung und Rentabilität mache Novo Nordisk zu einer interessanten Investition. Zudem könne das Unternehmen auch in Zukunft die Rendite weiter steigern.

Die Aktie hat sich unter den jüngsten Marktbedingungen gut entwickelt, hat aber immer noch eine Free-Cashflow-Rendite von fast 4 Prozent und ein geschätztes KGV von 22. 

(cash)