Der Ölpreis dürfte auf dem aktuell tiefen Niveau von rund 64 Dollar (Sorte Brent) noch längere Zeit verharren, sagt Alex Hinder. Seit Anfang Jahr hat Erdöl rund 40 Prozent an Wert verloren. "Der Eintritt der USA als grosser Erdölproduzent hat die Angebotssituation grundsätzlich verändert", so der Gründer und CEO von Hinder Asset Management im cash-Börsen-Talk. "Vielleicht fällt der Preis sogar noch unter 60 Dollar."

Der Rückgang des Ölpreises wirke wie eine gigantische Steuersenkung, so Hinder. Das sei positiv für alle Import-Länder sowie die Konsumenten. Auf das BIP in Europa umgerechnet dürfte das einen positiven Effekt von 0,5 bis 0,8 Prozent haben. An den Börsen wird sich das laut Hinder folgendermassen niederschlagen: "Europa wird im nächsten Jahr besser performen als die Schweiz."

Erdöl-Aktien unter Druck

In der Realität sind die wirtschaftlichen Auswirkungen eines tieferen Ölpreises noch nicht angekommen: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Prognosen für Wachstum und Inflation in der Eurozone kürzlich nach unten korrigiert. Die Schweizerische Nationalbank rechnet für das nächste Jahr mit einem Wachstum von rund 2 Prozent, bei allerdings negativer Inflationsrate.

Der Preiszerfall des Öls hat jedenfalls Konsequenzen für Schweizer Aktien. Vom Erdölmarkt abhängige Aktien wie Transocean, ABB, SGS oder Sulzer haben allesamt in den letzten Wochen deutlich an Wert verloren. Transocean ist mit einem Minus von 30 Prozent in den letzten vier Wochen gar der schlechteste Titel im Swiss Performance Index (SPI). Ideale Einstiegskandidaten sind diese Aktien laut Alex Hinder dennoch nicht: "Vom Erdölpreis her kann keine grosse Fantasie in diese Titel kommen."

China überholt Japan

Mehr Auftrieb vom billigen Öl traut Hinder hingegen dem chinesischen Aktienmarkt zu, der in Bezug auf Marktkapitalisierung Japan bereits überholt habe. "China profitiert massiv von den tiefen Ölpreisen. Denn sie sind der zweitgrösste Importeur der Welt." Zudem seien die chinesischen Aktien sehr günstig bewertet und der Markt ausserhalb von Hong Kong habe sich für Anleger geöffnet. "China ist bestimmt einer der interessantesten Märkte des nächsten Jahres", sagt Index-Experte Hinder.

Dieser Meinung ist auch Investorenlegende Mark Mobius. Er sagte am Donnerstag gegenüber Bloomberg, die chinesische Aktienrally sei erst am Anfang. Chinesische Fragezeichen gibt es für Hinder trotzdemSie betreffen den Immobilienmarkt, die Wachstumsschwäche und die mangelnde Transparenz.

Schere kehrt sich um

Der Schweizer Aktienmarkt konnte in den letzten Monaten seine Vorteile als defensiv geprägter Markt voll ausspielen. Während der Swiss Market Index (SMI) seit Anfang Jahr 10 Prozent zugelegt hat, ist der deutsche Dax nur 3 Prozent vorwärts gekommen. Diese Schere werde sich im kommenden Jahr umkehren, sagt Alex Hinder und verweist wieder auf den Erdölpreis.

Im Börsen-Talk äussert sich Alex Hinder auch zum Kurssturz der Sika-Aktie und zu den Grundregeln für ETF-Anleger.