Der Börsen-Wind ist im ersten Herbstmonat des Jahres rauer geworden. Die Schweizer Börse verlor im September gemessen am Swiss Market Index (SMI) 2 Prozent und radierte den bisherigen Jahresgewinn aus. Der Schweizer Aktienmarkt ist in dieser Entwicklung aber nicht allein: Der breite US-Index S&P 500 sackt gar um 5 Prozent ab. Gleiches gilt für den deutschen Leitindex Dax.

Zwar setzte der Abwärtstrend an den weltweiten Börsen bereits im August ein. Der September ist aber historisch gesehen der schlechteste Börsenmonat, wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben. Dabei spielen Standortbestimmung, Gewinnmitnahmen und Psychologie eine entscheidende Rolle.

So fehlen im September nach den Halbjahreszahlen klare Impulse, und das Volumen ist bereits im August wegen der Ferienzeit sehr dünn. Institutionelle Investoren nehmen zudem Gewinne mit, wenn Mitte Jahr eine positive Rendite vorhanden ist. Und schlussendlich verhalten sich Anleger gemäss saisonalen Mustern und verstärken so den Abwärtstrend entsprechend.

Aktuell kommt hinzu, dass die geldpolitischen Botschaften der Notenbanken im September viele Marktteilnehmer aufgeschreckt haben, insbesondere, dass die Fed zur Bekämpfung des Preisauftriebs weitere Zinsanhebungen ins Auge fasst. Immerhin schaffen in diesem eingetrübten Börsenumfeld acht von zwanzig SMI-Titel ein Kursplus, was die defensiven Qualitäten des Schweizer Leitindizes unterstreicht. Grosser Gewinner ist dabei vor Partners Group (plus 6 Prozent) und Novartis (plus 5 Prozent) sowie Swiss Re (+10 Prozent).

Der weltweit zweitgrösste Rückversicherer befand sich Ende August noch auf einem Jahrestief, gewann dann aber nach einem Branchentreffen an Fahrt. So rechnet Swiss Re im weltweiten Markt für Nichtleben-Rückversicherungen mit weiterem, überdurchschnittlichem Wachstum. Trotz des Kursanstiegs bleibt gerade die Dividendenrendite von 6 Prozent ein Kaufargument für die Aktie.

SMI-Gewinner-Aktien im September 2023.

SMI-Gewinner-Aktien im September 2023.

Quelle: Bloomberg

Der Vermögensverwalter Partners Group aus Baar ZG hat im ersten Halbjahr wieder mehr eingenommen und verdient als im Vorjahr, wie das Unternehmen Anfang September bekannt gab. Im Vorjahr war es noch zu einem Ergebniseinbruch gekommen. Mit den sich verbessernden Marktbedingungen dürften auch die Transaktionsaktivitäten im Sektor wieder zunehmen, was an der Börse schon antizipiert wird. Für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends spricht, dass die Aktie im historischen Vergleich unterdurchschnittlich bewertet ist.

Zweistellige Verluste fahren im September hingegen Richemont (-12 Prozent) und Lonza (-15 Prozent) ein. Beim Luxusgüterhersteller preist sich wohl das ungünstigere makroökonomische Umfeld ein, was eine Normalisierung der Nachfrage bedeutet. Die Verluste werden hier noch nicht ausgestanden sein.

Bei Lonza sorgen Personalien für Unsicherheiten: Nach dem CEO-Abgang von Pierre-Alain Ruffieux gibt es beim Pharmazulieferer einmal mehr eine Lücke im Management. Es ist weiterhin unklar, wann ein neuer CEO bekanntgegeben wird. Die Nachricht vom 18. September liess die bereits unter Druck stehende Aktie absacken.

SMI-Verlierer-Aktien im September 2023.

SMI-Verlierer-Aktien im September 2023.

Quelle: Bloomberg

Auch enttäuschend ist das Abschneiden von Sika (-9 Prozent). Die Aktie ist gegenüber dem Branchendurchschnitt hoch bewertet. Zudem ist der stärkere Schweizer Franken negativ zu werten. Der Zuger Baustoffkonzern steht vor einigen Änderungen sowohl im Verwaltungsrat als auch im Management-Team. So wird der seit zwölf Jahren amtierende Verwaltungsratspräsident Paul Hälg zurücktreten, hiess es in einer Mitteilung von Mitte September.

Am breiten Markt, der gemessen am Swiss Performance Index (SPI) knapp 3 Prozent verliert, stürzen insbesondere Biotech-Titel ab. Darunter sind sogenannte Penny Stocks wie Kinarus (-90 Prozent) oder Relief Therapeutics (-22 Prozent). Aber auch Molecular Partners (-28 Prozent) und Idorsia (-46 Prozent) sorgen mit deutlichen Kursrückgängen für Aufsehen.

SPI-Verlierer-Aktien im September 2023.

SPI-Verlierer-Aktien im September 2023.

Quelle: Bloomberg

Insbesondere die Entwicklung bei Idorsia gibt mit einem Minus von mehr als 80 Prozent Anlass zu grosser Sorge. Das Biotech-Unternehmen aus Allschwil BL will, wie Anfang September bekannt wurde, die Rechte an Aprocitentan von Janssen, der Pharmasparte von Johnson & Johnson, für bis zu 306 Millionen Franken zurückkaufen. Gleichzeitig hat die Firma angesichts der prekären finanziellen Lage kaum mehr strategische Optionen. Eine Kapitalerhöhung wird so immer wahrscheinlicher - und eine schnelle Kurserholung unwahrscheinlicher.

DocMorris wiederum macht sich seit Anfang September daran, die deutlichen Kursgewinne seit Jahresbeginn wieder abzubauen. Dies, obwohl die für die Online-Apotheke entscheidenden elektronischen Rezepte ab 2024 deutschlandweit zum Einsatz kommen sollen. Vermutlich hat das Pendel umgeschlagen, nachdem Leerverkäufer noch im August reihenweise ihre Positionen glattstellen mussten und den Titel in die Höhe getrieben hatten. Jetzt dreht wohl diese Derivat- und Leerverkaufsspirale bei diesem fantasiebehafteten Titel wieder in die andere Richtung.

Bei den Gewinnern tummeln sich hauptsächlich unbekannte Small Caps wie SHL Telemedicine (+21 Prozent) oder Airesis (+14 Prozent), die durch Einzelereignisse getrieben werden. So beispielsweise auch der Nahrungsergänzungsmittelhersteller Evolva, bei dem eine Änderung der Finanzierungsvereinbarung zum Kurstreiber wurde - wegen Deckungskäufen durch Leerverkäufer. Dass der Titel seit Jahresbeginn 87 Prozent tiefer steht und der Fortbestand des Unternehmens über den Januar 2024 hinaus gesichert werden muss, bleibt aber ebenfalls eine Tatsache.

SPI-Gewinner-Aktien im September 2023.

SPI-Gewinner-Aktien im September 2023.

Quelle: Bloomberg

Die Aktien des auf Hochleistungskunststoffe spezialisierte Industriekonzerns Gurit zeigen Lebenszeichen, nachdem der Titel in den Monaten zuvor seitwärts tendiert war. Nach den Mitte August publizierten Halbjahreszahlen sorgt nun eine sich in der Branche abzeichnende Übernahme für Fantasie. 

Der deutsche Mitbewerber Covestro ist in Gespräche mit dem staatlichen Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi eingetreten. Der DAX-Konzern ist zwar deutlich breiter aufgestellt als Gurit, liefert aber wie die Ostschweizer Verbundwerkstoffe zur Herstellung von Rotorblättern von Windkraftanlagen.

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