Das Positive vorneweg: Im Vergleich zu 2022, als der Swiss Market Index (SMI) ein Minus von 14,2 Prozent verzeichnete, konnte der Schweizer Leitindex im laufenden Börsenjahr bis Mittwoch um 4,1 Prozent zulegen. Und auch im langfristigen Vergleich kann sich das Resultat unter Einbezug der Dividendenzahlungen sehen lassen: Der sogenannte Total Return oder Gesamtertrag im SMI beläuft sich 2023 auf 7,6 Prozent und liegt damit über dem 20-jährigen Durchschnitt von 6,7 Prozent. So anspruchsvoll das Umfeld war, kann von einem gelungenen Börsenjahr gesprochen werden. 

Dass es nicht zu noch üppigeren Kursgewinnen kam, nachdem sich in den letzten Monaten die Teuerung zurückgebildet hat und der Zinshöhepunkt erreicht wurde, ist der global mauen Konjunktur und dem starken Schweizer Franken geschuldet. So griff im zweiten Halbjahr ein Schweizer Unternehmen nach dem anderen zum Rotstift, weil die erzielten Gewinnsteigerungen durch den starken Franken teils oder ganz aufgefressen wurden. Ebenso ist das Umsatzwachstums für 2024 vielerorts nach unten revidiert worden. 

Partners Group und UBS liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Krone des Spitzenplatzes im SMI. Beide Titel fallen mit einem Kursplus von über 50 Prozent auf. Überraschend gelang es der UBS nach der Übernahme der Credit Suisse im März, das Vertrauen der Anleger rasch zurückzugewinnen. Der am Dienstag verkündete Einstieg von Cevian ist ein neuerlicher Beweis dafür. Auf einen Zeithorizont von fünf Jahren traut die schwedische Investmentgesellschaft den UBS-Valoren einen Anstieg auf bis zu 50 Franken zu. Trotz dieser guten Aussichten sitzen aber viele Credit-Suisse-Aktionäre, deren Aktien in UBS-Valoren getauscht wurden, immer noch auf Kursverlusten. Je nach Einstiegspunkt dürfte dabei erst bei Kursen von 50 Franken der Breakeven wieder erreicht werden. 

Die Gewinner und Verlierer im SMI 2023

Die Kursgewinner und Verlierer im SMI 2023.
Quelle: Bloomberg

Die ausgezeichnete Performance von Partners Group kam dagegen unerwartet. Der Spezialist für Private Equity Anlagen profitiert im Normalfall von günstigeren Refinanzierungskosten, da ein Grossteil dieser Transaktionen mit fremden Mitteln finanziert wird. Allerdings wurde der Zinspeak erst jüngst erreicht und bisher hat keine wichtige Notenbank die Leitzinsen gesenkt. Es macht daher den Anschein, dass die Börse diese zukünftigen Zinssenkungen bereits eskomptiert hat. Dies könnte bei der Partners Group für Gegenwind im 2024 sorgen. Da andererseits die Kassen gut gefüllt sind, sollten allfällige Kursrückschläge gering bleiben. 

Einen veritablen Turnaround hat Logitech (+42,2 Prozent) hingelegt, nachdem die Analysten der Aktie zu Jahresbeginn wenig zugetraut haben. Die weitere Entwicklung beim Westschweizer Unternehmen hängt nun davon ab, an welchem Punkt sich das Unternehmen nach den hohen Umsatzsteigerungen während der Corona-Krise und dem darauf folgenden Umsatzeinbruch 2022 sowie dem damit verbundenen Lageaufbau befindet. Grundsätzlich ist das Unternehmen mit der neuen Chefin Hanneke Faber gut aufgestellt. Mit einer allfälligen Konjunkturabschwächung in den USA muss sich in der Normalisierung zeigen, wie stark die Nachfrage nach Logitech-Produkten effektiv ist und wie viel Innovationspower mittelfristig vorhanden ist. 

Zwei Bleiklötze verhindern eine deutlichere Avance des SMI

Die drei Schweizer Firmen Nestlé, Novartis und Roche machen rund 50 Prozent der Index-Gewichtung im SMI aus. Mit Nestlé (-8,8 Prozent) und Roche (-15,8 Prozent) haben sich zwei Unternehmen als veritable Spielverderber für einen grösseren SMI-Kursanstieg erwiesen. Vor allem der tiefe Fall von Roche erstaunte manchen Beobachter. Allerdings neigt die Börse dazu, im Guten wie im Schlechten zu übertreiben. Stefan Schneider, Pharma-Analyst bei der Bank Vontobel, hält die Aktie weiterhin für massiv unterbewertet. Auf die Frage, wann die Talsohle bei Roche erreicht ist, hatte aber auch Schneider keine Antwort, wie er hier im cash.ch-Interview erklärte. Das mittelfristige Potenzial beim Basler Pharmakonzern mit den prall gefüllten Geldtaschen ist vorhanden, aber es stellt sich die Frage, wie schnell dieses abgerufen werden kann. Das kann durchaus erst 2025 der Fall sein und 2024 erneut ein geschenktes Jahr für Roche werden. 

Während bei Roche das Management in den letzten Jahren geschlafen hat, ist die negative Kursentwicklung bei Nestlé auch dem schwierigen Marktumfeld nach dem Teuerungsschub der letzten zwei Jahre geschuldet. Nahrungsmittelhersteller müssen für alle Zulieferprodukte tiefer in die Tasche greifen und können nicht die gesamte Marge mit Preiserhöhungen auffangen - vor allem dann, wenn der Franken nicht mitspielt und die Gewinnmarge schmelzen lässt.  

Wird ein gleichgewichteter SMI hinzugezogen - darin werden alle 20 SMI-Titel gleich mit 5 Prozent gewichtet, so stünde der Index im Jahresvergleich geschlagene 17,10 Prozent höher und läge bei der Performance gar leicht über dem S&P 500 Index, der in diesem Jahr auf Frankenbasis "nur" 16,2 Prozent avancierte. Damit der SMI im kommenden Jahr das von Analysten prognostizierte Gewinnwachstum von 10 bis 12 Prozent abrufen kann, müssen Nestlé und Roche bei den Ergebnissen liefern. Dies gilt ebenso für Novartis (+7,0 Prozent) und Richemont (-1,7 Prozent), welche im Jahresverlauf wenig überzeugt haben. So vorteilhaft ein defensiv aufgestellter Index sein kann, so bleibt zu betonen, dass die Indexkonzentration im SMI ebenso ein Risiko darstellt.

Biotech-Werte mit grossen Bewegungen im SPI

Die Verliererliste im breiter gefassten Swiss Performance Index (SPI) wird wenig überraschend von Biotech-Unternehmen angeführt. Während Relief (-86,2 Prozent), Spexis (-90,2 Prozent), Evolva (-96,5 Prozent) und Schlusslicht Kinarus (-98,3 Prozent) keine wirkliche Überraschung bilden, so reiben sich viele Anlegerinnen und Anleger beim Totalabsturz von Idorsia (-84,1 Prozent) verdutzt die Augen. Die Misere ist auf das ausgehende Geld zurückzuführen und macht eine Fremdkapitalfinanzierung oder eine Kapitalerhöhung Anfang 2024 unabdingbar. Damit ist das Unternehmen aber noch nicht über den Berg, weil Idorsia's wichtiges Schlafmittel Quviviq massiv den Umsatzerwartungen hinterherhinkt. Exemplarisch hat die Bank Vontobel die Abdeckung des Pharmaunternehmens Anfang September eingestellt, weil es für eine aussagekräftige Beurteilung der Aktie zu viele Ungewissheiten gebe. In welcher Form Idorsia überleben wird, dürfte sich am Anfang des neuen Jahres zeigen. Für Spekulanten ist die Aktie mit Optionscharakter aber auf jeden Fall geeignet. Es ist eine 50/50-Wette darauf, ob das Unternehmen die Kurve kratzt - getreu dem Motto alles oder nichts. 

Die Verlierer im SPI 2023

Die Verlierer im SPI 2023
Quelle: Bloomberg

Was bei Idorsia ist, könnte bei Meyer Burger (-65,6 Prozent) noch werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob das Solar-Technikunternehmen die nächsten paar Jahre überleben wird. Der globale Markt wird mit billigen Solar-Panels aus China geflutet und das Unternehmen hofft wie alle anderen europäischen Hersteller, dass die Regierungen auf dem alten Kontinent mittels Subventionen und Handelsbarrieren der heimischen Industrie auf die Sprünge helfen. Als zweites Standbein baut Meyer Burger in den USA einen Produktionsstandort auf, um an die grossen Subventionstöpfe der Biden-Regierung zu kommen. Aber selbst in Übersee ist der Ausblick unsicher, da einerseits nicht garantiert ist, dass die ultrabilligen, chinesischen Panels via Mexico nicht den direkten Weg in die USA finden. Zudem verfügt First Solar als Platzhirsch über eine deutlich bessere Ausgangslage. Für einen Abgesang auf Meyer Burger ist es indessen zu früh. Es ist eher wie bei Idorsia: Eine 50/50-Wette, alles oder nichts. 

Die Turnaround-Gewinner im SPI

Der Turnaround scheint DocMorris (+178,8 Prozent) gelungen: Anfang Jahr hat die Frauenfelder Versandapotheke das Schweizer Apothekennetz an die Migros verkauft und mit dem Erlös alles auf die Karte E-Rezept in Deutschland gesetzt. Nun ist es endlich so weit, das E-Rezept kommt auf den breiten deutschen Markt. Das Unternehmen wird im kommenden Jahr nun den Beweis antreten müssen, die gesteckten und kommunizierten Umsatz- und Gewinnziele zu erreichen - ein volatiler Kursverlauf ist weiter garantiert. 

Die Gewinner im SPI 2023

Die Gewinner im SPI 2023
Quelle: Bloomberg

Weniger volatil geht es bei Ypsomed (+75,4 Prozent) weiter. Der Spezialist für medizinische Injektionsspritze hat den Durchhänger von 2017 bis Sommer 2022 hinter sich gelassen und profitiert von einer deutlich anziehenden Kundennachfrage. Das Unternehmen ist gut gerüstet, den eingeschlagenen Wachstumspfad in den nächsten Jahren zu halten. 

Unter die Kategorie Geduld bringt Rosen fallen die Aktien der Mikron Holding. Der Titel weist 2023 ein Kursplus von 72,7 Prozent auf, nachdem die Valoren wegen einer Restrukturierung und Neupositionierung über die letzten 10 Jahre deutlich dem SPI hinterhergehinkt ist. Für alle, welche durchgehalten haben und nicht zu Verleiderverkäufen geschritten sind, hat sich das Ausharren bezahlt gemacht. Inklusive Dividenden beträgt der annualisierte Gesamtertrag über 10 Jahre 10,8 Prozent, während der SPI im gleichen Zeitraum nur auf 6,5 Prozent kam. Dies zeigt exemplarisch, wie wichtig eine ruhige Hand an der Börse ist.

Bei der einst erfolgsverwöhnten Bankensoftware-Schmiede Temenos (+51,3 Prozent) kann trotz sattem Kursplus nicht von einer Trendwende gesprochen werden. Es ist vielmehr eine Kurskorrektur, nachdem der Titel 2022 etwas mehr als 66 Prozent an Wert verloren hat. Denn trotz einem Kursanstieg von 54 Prozent in diesem Jahr notiert der Titel immer noch 50 Prozent unter dem Höchststand - um einen Kursrückgang von 66 Prozent komplett zu korrigieren, braucht es an der Börse einen Kursanstieg von 200 Prozent, damit das alte Niveau wieder erreicht wird.

Gerade Investierende, welche bei fallenden oder gefallenen Engel zugreifen wollen, sollten sich diesen Sachverhalt mit der prozentualen Aufholjagd immer vor Augen halten. Ein gestaffelter Einstieg bietet sich deshalb bei Turnaround-Kandidaten oder anderen, überverkauften und im Keller notierenden Aktien an. Das nehmen auch die Credit-Suisse-Aktionäre, welche kurz vor dem Untergang im Februar oder März noch eingestiegen sind, schmerzhaft zur Kenntnis.     

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren