Deutschland ist die viertgrösste Volkswirtschaft der Welt, die Lokomotive der Eurozone und nach China Vize-Weltmeister im Export - um einige clichéhafte Ausdrücke zu verwenden. Auf durchaus umstrittene Weise profitiert Deutschland in manchen Belangen auch von der Schwäche des Euro.

Der Aktienmarkt spielt diese Stärken aber nicht, wie es scheint: Der Leitindex Dax steht um 12,3 Prozent tiefer als Anfang Jahr. Das ist im Vergleich ziemlich schlecht. Der Schweizer Leitindex ist seit Anfang Jahr nur um gut 6 Prozent gefallen. Der amerikanische Dow Jones ist de facto "flat", der britische Markt hat um gut 8 Prozent nachgelassen, und im krisengeschüttelten Italien liegt der FTSE MIB der Mailänder Börse nicht stärker im Minus als der Dax. Allerdings ist der FTSE MIB wie auch der SMI ein Kursindex, während der Dax die Gesamtrendite ausweist.

Will heissen: In den Dax-Kursen sind Dividenden enthalten, in den anderen nicht. Daneben gibt es auch einen Dax-Kursindex, und dieser ist seit dem Höchststand im Januar um etwa in Fünftel gefallen. Darüber, ob der deutsche Aktienmarkt deswegen per definitionem bereits ein Bärenmarkt ist, ist daher eine Frage der Sichtweise. Aber gut sieht es sicherlich nicht aus.

Autohersteller belasten den Index

Die deutsche Wirtschaft hat immer noch viele Stärken – beispielsweise, trotz aller Klagen über Fachkräftemangel, auch dank eines guten Ausbildungssystems, das gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Schweizer dualen System hat. Aber der Nimbus der über hundertjährigen Industrienation Deutschland hat in den vergangenen Jahren an Strahlkraft verloren, und dies zeigt sich auch bei den grosskapitalisierten Aktien im Dax.

Ein Paradebeispiel dafür sind die Autohersteller. Bei VW, wo die Aktie bei einem 13-Monate-Tief steht, sind die Folgen der mittlerweile seit drei Jahren schwelenden Dieselkrise nicht überwunden. Den Dieselgate-Sturz vom September 2015 hat der Aktienkurs erst etwa zur Hälfte aufgeholt.

Auch die Aktien von Daimler, BMW oder des Reifenkonzerns Continental befinden sich auf mehrjährigen Tiefständen. Zwar bemüht sich mittlerweile auch die deutsche Autoindustrie mit Milliardeninvestitionen um den Umbau der Fahrzeugflotten in Richtung Elektromobilität (cash berichtete). Dennoch bleibt das Eindruck bestehen, dass anderswo auf der Welt kleinere, wendigere Anbieter in diesem Zukunftsmarkt schneller sind.

Pharma- und Industrieaktien tief

Aber auch sonst ist die Zusammensetzung des Dax für dessen Performance in der heutigen Situation nicht günstig. Industrie- und Technolgietitel wie HeidelbergCement, Infineon oder ThyssenKrupp sind seit Jahresanfang zwischen 25 und 37 Prozent gefallen. Der Pharmakonzern Bayer liegt um fast 35 Prozent zurück, das Chemiekonglomerat BASF um 28 Prozent. Letzere sind Dax-Schwergewichte, das heisst, ihre Gewichtung im Index ist relativ hoch.

Schlusslicht im Dax bildet allerdings die Deutsche Bank. Das Kriseninstitut, dessen Überleben in den nächsten Jahren offen in Frage gestellt wird, hat seit Anfang Jahr 46 Prozent an Wert eingebüsst. Bei all diesen gefallenen Aktien eine Wende vorauszusehen, ist schwierig. Im gegenwärtig unsicheren Umfeld für Aktienbörsen kann nicht ohne weiteres zu einem Einstieg geraten werden.

Der deutsche Leitindex weist auf der anderen Seite im Moment nur wenige Highlights auf. Die Star-Aktie ist ein Neuzugang: Wirecard. Das Papier des Spezialisten für elektronischen Zahlungsverkehr, die seit gut einem Monat Teil des Dax ist, steht gemessen am Jahresanfang um 75 Prozent im Plus. Diese Aktie wird weitherum zum Kauf empfohlen. Dem könnte man als Anleger folgen, wäre nicht die sehr hohe Bewertung: Boomberg errechnet das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 64.

Aufwärtspotential dürfte eher Adidas haben. Die Sportartikel-Aktie hat im Jahresverlauf um 22,5 Prozent zugelegt und dürfte vom Konsumtrend profitieren. Auch SAP, die Aktie mit dem grössten Gewicht im Dax, wird nach einem durchwachsenen Jahr an der Börse noch einiges zugetraut. Der grösste Softwarehersteller ausserhalb der USA erfährt positive Beurteilungen bezüglich des Cloud-Geschäfts und der Cashflow-Entwicklung. Mit einem relativ moderaten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 ist SAP eine der wenigen Dax-Titel, die das Zeug zum Einsteigkandidaten haben.